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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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Zweifel, antwortete ich, wenn es anders ein Zweifel ist,
auf mancherley Art gehoben. Was mich darüber beru-
higt hat, ist folgendes. Die Feinde Jesu, die seine
Wunder zum Theil mit eignen Augen gesehen hatten,
und also unmöglich betrogen werden konnten, gaben sie
vor und nach seinem Tode für Würkungen des Teufels
aus. Sie würden also gewiß, wenn er ihnen nach sei-
nem Tode lebendig erschienen wäre, über diese Erschei-
nung eben so geurtheilt haben, und dadurch nicht über-
zeugt worden seyn. Sie erwarteten in ihrem Messias
einen mächtigen siegreichen Held, der ihr verfallenes
Reich wieder herstellen sollte. Deswegen war ihnen
Christus in seiner niedrigen Gestalt so verhasst, daß
die stärksten Beweise, die von seiner göttlichen Sendung
gegeben werden konnten, keinen Eindruck auf sie machten.
Es wäre also ganz vergeblich gewesen, wenn Christus
ihnen erschienen wäre.

Er war mit dieser Auflösung seines Zweifels zu-
frieden, und erklärte sich, daß er gegen die Wahrheit der
Auferstehung Jesu nichts weiter einzuwenden wisse.
Halten Sie diese Begebenheit für wahr, setzte ich hier-
auf hinzu, so müssen Sie auch zugeben, daß Jesus sich
hinlänglich als einen göttlichen Gesandten legitimirt habe.
Sie sind folglich allem, was er sagt, Jhren Glauben
schuldig. Also ist auch das wahr, daß Sie durch seine
Veranstaltung mit Gott versöhnt sind, wenn Sie sich
nur darauf verlassen, und, so lange Sie noch leben,
sich ernstlich bemühen nach seiner Moral zu handeln. --
Jch will es Jhnen aber doch noch nicht zumuhten die
Lehre von der Versöhnung der Menschen durch Christum
ohne weitere Untersuchung anzunehmen. Jch will Jhnen
zuvor zeigen, was das eigentlich nach dem Sinne der
Bibel heiße: Christus hat uns erlöset. Und dann wol-
len wir überlegen, ob die Vernunft mit Recht etwas

gegen
G



Zweifel, antwortete ich, wenn es anders ein Zweifel iſt,
auf mancherley Art gehoben. Was mich daruͤber beru-
higt hat, iſt folgendes. Die Feinde Jeſu, die ſeine
Wunder zum Theil mit eignen Augen geſehen hatten,
und alſo unmoͤglich betrogen werden konnten, gaben ſie
vor und nach ſeinem Tode fuͤr Wuͤrkungen des Teufels
aus. Sie wuͤrden alſo gewiß, wenn er ihnen nach ſei-
nem Tode lebendig erſchienen waͤre, uͤber dieſe Erſchei-
nung eben ſo geurtheilt haben, und dadurch nicht uͤber-
zeugt worden ſeyn. Sie erwarteten in ihrem Meſſias
einen maͤchtigen ſiegreichen Held, der ihr verfallenes
Reich wieder herſtellen ſollte. Deswegen war ihnen
Chriſtus in ſeiner niedrigen Geſtalt ſo verhaſſt, daß
die ſtaͤrkſten Beweiſe, die von ſeiner goͤttlichen Sendung
gegeben werden konnten, keinen Eindruck auf ſie machten.
Es waͤre alſo ganz vergeblich geweſen, wenn Chriſtus
ihnen erſchienen waͤre.

Er war mit dieſer Aufloͤſung ſeines Zweifels zu-
frieden, und erklaͤrte ſich, daß er gegen die Wahrheit der
Auferſtehung Jeſu nichts weiter einzuwenden wiſſe.
Halten Sie dieſe Begebenheit fuͤr wahr, ſetzte ich hier-
auf hinzu, ſo muͤſſen Sie auch zugeben, daß Jeſus ſich
hinlaͤnglich als einen goͤttlichen Geſandten legitimirt habe.
Sie ſind folglich allem, was er ſagt, Jhren Glauben
ſchuldig. Alſo iſt auch das wahr, daß Sie durch ſeine
Veranſtaltung mit Gott verſoͤhnt ſind, wenn Sie ſich
nur darauf verlaſſen, und, ſo lange Sie noch leben,
ſich ernſtlich bemuͤhen nach ſeiner Moral zu handeln. —
Jch will es Jhnen aber doch noch nicht zumuhten die
Lehre von der Verſoͤhnung der Menſchen durch Chriſtum
ohne weitere Unterſuchung anzunehmen. Jch will Jhnen
zuvor zeigen, was das eigentlich nach dem Sinne der
Bibel heiße: Chriſtus hat uns erloͤſet. Und dann wol-
len wir uͤberlegen, ob die Vernunft mit Recht etwas

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[97/0109] Zweifel, antwortete ich, wenn es anders ein Zweifel iſt, auf mancherley Art gehoben. Was mich daruͤber beru- higt hat, iſt folgendes. Die Feinde Jeſu, die ſeine Wunder zum Theil mit eignen Augen geſehen hatten, und alſo unmoͤglich betrogen werden konnten, gaben ſie vor und nach ſeinem Tode fuͤr Wuͤrkungen des Teufels aus. Sie wuͤrden alſo gewiß, wenn er ihnen nach ſei- nem Tode lebendig erſchienen waͤre, uͤber dieſe Erſchei- nung eben ſo geurtheilt haben, und dadurch nicht uͤber- zeugt worden ſeyn. Sie erwarteten in ihrem Meſſias einen maͤchtigen ſiegreichen Held, der ihr verfallenes Reich wieder herſtellen ſollte. Deswegen war ihnen Chriſtus in ſeiner niedrigen Geſtalt ſo verhaſſt, daß die ſtaͤrkſten Beweiſe, die von ſeiner goͤttlichen Sendung gegeben werden konnten, keinen Eindruck auf ſie machten. Es waͤre alſo ganz vergeblich geweſen, wenn Chriſtus ihnen erſchienen waͤre. Er war mit dieſer Aufloͤſung ſeines Zweifels zu- frieden, und erklaͤrte ſich, daß er gegen die Wahrheit der Auferſtehung Jeſu nichts weiter einzuwenden wiſſe. Halten Sie dieſe Begebenheit fuͤr wahr, ſetzte ich hier- auf hinzu, ſo muͤſſen Sie auch zugeben, daß Jeſus ſich hinlaͤnglich als einen goͤttlichen Geſandten legitimirt habe. Sie ſind folglich allem, was er ſagt, Jhren Glauben ſchuldig. Alſo iſt auch das wahr, daß Sie durch ſeine Veranſtaltung mit Gott verſoͤhnt ſind, wenn Sie ſich nur darauf verlaſſen, und, ſo lange Sie noch leben, ſich ernſtlich bemuͤhen nach ſeiner Moral zu handeln. — Jch will es Jhnen aber doch noch nicht zumuhten die Lehre von der Verſoͤhnung der Menſchen durch Chriſtum ohne weitere Unterſuchung anzunehmen. Jch will Jhnen zuvor zeigen, was das eigentlich nach dem Sinne der Bibel heiße: Chriſtus hat uns erloͤſet. Und dann wol- len wir uͤberlegen, ob die Vernunft mit Recht etwas gegen G

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/109>, abgerufen am 22.11.2024.