lich, unergreiflich: sie lassen sich aus dem Zusam- menhange mit den übrigen Personen nicht her- ausschneiden. Die väterliche und ehemännliche Gewalt, so wie sie in unsern Gesetzbüchern nach Römischem Zuschnitt verordnet wird, ist eine bo- denlose Chimäre; wenn sie ein unsichtbarer Geist der Liebe oder des Zutrauens nicht ergänzen oder stützen will, so spielen die Gesetze, indem sie jener vermeintlichen Gewalt beistehen, eine un- würdige und traurige Rolle. Will die Liebe er- setzen, was dem durchaus unwirksamen Gesetze an Kraft gebricht; wohl! diese seltenen Fälle innerer Familienharmonie giebt es, aber für sie ist auch das Gesetz ganz überflüßig; in den un- zähligen andern Fällen gestörter Uebereinstim- mung zwischen den Familien-Genossen ist nur von der Zeit und von gegenseitiger Nachgiebig- keit etwas zu erwarten; von freier Nachgiebig- keit. Wie aber, wenn die Gesetze schon im Vor- aus diese Gegenseitigkeit und Freiheit stören und dem Einen Familiengliede Rechte, Zwangsrechte, unbedingte, ausschließende Rechte in die Hände geben, und dieses sich darauf stützen zu können glaubt, a[n]statt auf Beweise der Liebe? Dann helfen die Gesetze nicht nur nichts, sondern wer- den eine eigentliche Schule heimlicher Laster. Und diese Gesetze sind es, welche das Wesentlichste, die
lich, unergreiflich: ſie laſſen ſich aus dem Zuſam- menhange mit den uͤbrigen Perſonen nicht her- ausſchneiden. Die vaͤterliche und ehemaͤnnliche Gewalt, ſo wie ſie in unſern Geſetzbuͤchern nach Roͤmiſchem Zuſchnitt verordnet wird, iſt eine bo- denloſe Chimaͤre; wenn ſie ein unſichtbarer Geiſt der Liebe oder des Zutrauens nicht ergaͤnzen oder ſtuͤtzen will, ſo ſpielen die Geſetze, indem ſie jener vermeintlichen Gewalt beiſtehen, eine un- wuͤrdige und traurige Rolle. Will die Liebe er- ſetzen, was dem durchaus unwirkſamen Geſetze an Kraft gebricht; wohl! dieſe ſeltenen Faͤlle innerer Familienharmonie giebt es, aber fuͤr ſie iſt auch das Geſetz ganz uͤberfluͤßig; in den un- zaͤhligen andern Faͤllen geſtoͤrter Uebereinſtim- mung zwiſchen den Familien-Genoſſen iſt nur von der Zeit und von gegenſeitiger Nachgiebig- keit etwas zu erwarten; von freier Nachgiebig- keit. Wie aber, wenn die Geſetze ſchon im Vor- aus dieſe Gegenſeitigkeit und Freiheit ſtoͤren und dem Einen Familiengliede Rechte, Zwangsrechte, unbedingte, ausſchließende Rechte in die Haͤnde geben, und dieſes ſich darauf ſtuͤtzen zu koͤnnen glaubt, a[n]ſtatt auf Beweiſe der Liebe? Dann helfen die Geſetze nicht nur nichts, ſondern wer- den eine eigentliche Schule heimlicher Laſter. Und dieſe Geſetze ſind es, welche das Weſentlichſte, die
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lich, unergreiflich: ſie laſſen ſich aus dem Zuſam-
menhange mit den uͤbrigen Perſonen nicht her-
ausſchneiden. Die vaͤterliche und ehemaͤnnliche
Gewalt, ſo wie ſie in unſern Geſetzbuͤchern nach
Roͤmiſchem Zuſchnitt verordnet wird, iſt eine bo-
denloſe Chimaͤre; wenn ſie ein unſichtbarer Geiſt
der Liebe oder des Zutrauens nicht ergaͤnzen oder
ſtuͤtzen will, ſo ſpielen die Geſetze, indem ſie
jener vermeintlichen Gewalt beiſtehen, eine un-
wuͤrdige und traurige Rolle. Will die Liebe er-
ſetzen, was dem durchaus unwirkſamen Geſetze
an Kraft gebricht; wohl! dieſe ſeltenen Faͤlle
innerer Familienharmonie giebt es, aber fuͤr ſie
iſt auch das Geſetz ganz uͤberfluͤßig; in den un-
zaͤhligen andern Faͤllen geſtoͤrter Uebereinſtim-
mung zwiſchen den Familien-Genoſſen iſt nur
von der Zeit und von gegenſeitiger Nachgiebig-
keit etwas zu erwarten; von freier Nachgiebig-
keit. Wie aber, wenn die Geſetze ſchon im Vor-
aus dieſe Gegenſeitigkeit und Freiheit ſtoͤren und
dem Einen Familiengliede Rechte, Zwangsrechte,
unbedingte, ausſchließende Rechte in die Haͤnde
geben, und dieſes ſich darauf ſtuͤtzen zu koͤnnen
glaubt, anſtatt auf Beweiſe der Liebe? Dann
helfen die Geſetze nicht nur nichts, ſondern wer-
den eine eigentliche Schule heimlicher Laſter. Und
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/67>, abgerufen am 23.11.2024.
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