in einem Staatenbunde, wie dem Griechischen, wo das National-Leben, auf einer breiteren, glücklicheren Basis ruhend, in die vielfältigsten Gestalten und Beschäftigungen gebrochen wird; wo alle Reichthümer (geistige und irdische) der mittelländischen Küsten zusammenströmen; wo sinnreicher Lebensgenuß und eine gewisse Natio- nal-Großmuth ängstliches Abstecken des Besitzes, und Verstandespräcision in den Privatverhält- nissen nicht aufkommen lassen; wo der Ernst, mit dem die schwierige Sache des Gemeinwesens vielgestalteter, lebenslustiger Völker getrieben wer- den will, einen schönen Leichtsinn über die Pri- vatverhältnisse veranlaßt, so daß Platon den Gedanken nähren kann, unter den drei Ständen seiner idealischen Republik, den Magistraten, den Kriegern und den Lohnarbeitern, nur dem letzte- ren verächtlichsten Stande noch überhaupt eini- ges Privatleben zuzugestehen.
Der Gedanke des absoluten, ausschließenden privativen Eigenthums, so wie er in einem con- sequenten Civil-Rechte vorherrschen muß -- wie er denn auch die eigentliche Basis des Römischen Rechtes bildet -- steht in ewigem Widerstreit mit der Idee des Rechtes. Ueberhaupt kann er nur auf absolut todte Sachen angewendet wer- den; denn Personen sind von selbst schon unend-
in einem Staatenbunde, wie dem Griechiſchen, wo das National-Leben, auf einer breiteren, gluͤcklicheren Baſis ruhend, in die vielfaͤltigſten Geſtalten und Beſchaͤftigungen gebrochen wird; wo alle Reichthuͤmer (geiſtige und irdiſche) der mittellaͤndiſchen Kuͤſten zuſammenſtroͤmen; wo ſinnreicher Lebensgenuß und eine gewiſſe Natio- nal-Großmuth aͤngſtliches Abſtecken des Beſitzes, und Verſtandespraͤciſion in den Privatverhaͤlt- niſſen nicht aufkommen laſſen; wo der Ernſt, mit dem die ſchwierige Sache des Gemeinweſens vielgeſtalteter, lebensluſtiger Voͤlker getrieben wer- den will, einen ſchoͤnen Leichtſinn uͤber die Pri- vatverhaͤltniſſe veranlaßt, ſo daß Platon den Gedanken naͤhren kann, unter den drei Staͤnden ſeiner idealiſchen Republik, den Magiſtraten, den Kriegern und den Lohnarbeitern, nur dem letzte- ren veraͤchtlichſten Stande noch uͤberhaupt eini- ges Privatleben zuzugeſtehen.
Der Gedanke des abſoluten, ausſchließenden privativen Eigenthums, ſo wie er in einem con- ſequenten Civil-Rechte vorherrſchen muß — wie er denn auch die eigentliche Baſis des Roͤmiſchen Rechtes bildet — ſteht in ewigem Widerſtreit mit der Idee des Rechtes. Ueberhaupt kann er nur auf abſolut todte Sachen angewendet wer- den; denn Perſonen ſind von ſelbſt ſchon unend-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0066"n="58"/>
in einem Staatenbunde, wie dem Griechiſchen,<lb/>
wo das National-Leben, auf einer breiteren,<lb/>
gluͤcklicheren Baſis ruhend, in die vielfaͤltigſten<lb/>
Geſtalten und Beſchaͤftigungen gebrochen wird;<lb/>
wo alle Reichthuͤmer (geiſtige und irdiſche) der<lb/>
mittellaͤndiſchen Kuͤſten zuſammenſtroͤmen; wo<lb/>ſinnreicher Lebensgenuß und eine gewiſſe Natio-<lb/>
nal-Großmuth aͤngſtliches Abſtecken des Beſitzes,<lb/>
und Verſtandespraͤciſion in den Privatverhaͤlt-<lb/>
niſſen nicht aufkommen laſſen; wo der Ernſt,<lb/>
mit dem die ſchwierige Sache des Gemeinweſens<lb/>
vielgeſtalteter, lebensluſtiger Voͤlker getrieben wer-<lb/>
den will, einen ſchoͤnen Leichtſinn uͤber die Pri-<lb/>
vatverhaͤltniſſe veranlaßt, ſo daß Platon den<lb/>
Gedanken naͤhren kann, unter den drei Staͤnden<lb/>ſeiner idealiſchen Republik, den Magiſtraten, den<lb/>
Kriegern und den Lohnarbeitern, nur dem letzte-<lb/>
ren veraͤchtlichſten Stande noch uͤberhaupt eini-<lb/>
ges Privatleben zuzugeſtehen.</p><lb/><p>Der Gedanke des abſoluten, ausſchließenden<lb/>
privativen Eigenthums, ſo wie er in einem con-<lb/>ſequenten Civil-Rechte vorherrſchen muß — wie<lb/>
er denn auch die eigentliche Baſis des Roͤmiſchen<lb/>
Rechtes bildet —ſteht in ewigem Widerſtreit<lb/>
mit der Idee des Rechtes. Ueberhaupt kann er<lb/>
nur auf abſolut todte Sachen angewendet wer-<lb/>
den; denn Perſonen ſind von ſelbſt ſchon unend-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[58/0066]
in einem Staatenbunde, wie dem Griechiſchen,
wo das National-Leben, auf einer breiteren,
gluͤcklicheren Baſis ruhend, in die vielfaͤltigſten
Geſtalten und Beſchaͤftigungen gebrochen wird;
wo alle Reichthuͤmer (geiſtige und irdiſche) der
mittellaͤndiſchen Kuͤſten zuſammenſtroͤmen; wo
ſinnreicher Lebensgenuß und eine gewiſſe Natio-
nal-Großmuth aͤngſtliches Abſtecken des Beſitzes,
und Verſtandespraͤciſion in den Privatverhaͤlt-
niſſen nicht aufkommen laſſen; wo der Ernſt,
mit dem die ſchwierige Sache des Gemeinweſens
vielgeſtalteter, lebensluſtiger Voͤlker getrieben wer-
den will, einen ſchoͤnen Leichtſinn uͤber die Pri-
vatverhaͤltniſſe veranlaßt, ſo daß Platon den
Gedanken naͤhren kann, unter den drei Staͤnden
ſeiner idealiſchen Republik, den Magiſtraten, den
Kriegern und den Lohnarbeitern, nur dem letzte-
ren veraͤchtlichſten Stande noch uͤberhaupt eini-
ges Privatleben zuzugeſtehen.
Der Gedanke des abſoluten, ausſchließenden
privativen Eigenthums, ſo wie er in einem con-
ſequenten Civil-Rechte vorherrſchen muß — wie
er denn auch die eigentliche Baſis des Roͤmiſchen
Rechtes bildet — ſteht in ewigem Widerſtreit
mit der Idee des Rechtes. Ueberhaupt kann er
nur auf abſolut todte Sachen angewendet wer-
den; denn Perſonen ſind von ſelbſt ſchon unend-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/66>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.