tional-Lebens nothwendig zu erneuern sey, ver- kündigen einen Retter, zeigen wie er gestaltet seyn müsse, arm und leidend, ihrem weltlichen Hoch- muth gegenüber. Der Ort, der Stamm, die Zeit wird bezeichnet, wo er kommen werde; die ganze Sehnsucht der Nation richtet sich auf diese Stelle Jahrhunderte hindurch hin. Wer so er- wartet wird, muß kommen. --
Sie Alle gedenken aus Ihrer Jugendzeit der heiligen Worte in den Büchern des Neuen Testa- ments: "und er that das, damit erfüllet würde, was geschrieben steht." Diese Hingebung an die Verheißung der früheren Generationen, an den National-Geist der unsterblichen Nation, mußte der in Begriffe versunkenen Nation mißfallen. Als nun der Retter kam, kreuzigten sie ihn. Und so ging nicht bloß ihre National-Existenz verloren; sie wurden in alle Welt ausgetrieben: der Begriff ihrer National-Existenz ward in ihre Stirn gebrandmarkt, weil sie die Idee der- selben aus den reinsten Händen nicht hatten em- pfangen wollen; der uralte entwichene Adel ward nunmehr zu einem Fluch, wie aller entwei- hete Adel nothwendig zur äußersten Verworfenheit wird.
tional-Lebens nothwendig zu erneuern ſey, ver- kuͤndigen einen Retter, zeigen wie er geſtaltet ſeyn muͤſſe, arm und leidend, ihrem weltlichen Hoch- muth gegenuͤber. Der Ort, der Stamm, die Zeit wird bezeichnet, wo er kommen werde; die ganze Sehnſucht der Nation richtet ſich auf dieſe Stelle Jahrhunderte hindurch hin. Wer ſo er- wartet wird, muß kommen. —
Sie Alle gedenken aus Ihrer Jugendzeit der heiligen Worte in den Buͤchern des Neuen Teſta- ments: „und er that das, damit erfuͤllet wuͤrde, was geſchrieben ſteht.” Dieſe Hingebung an die Verheißung der fruͤheren Generationen, an den National-Geiſt der unſterblichen Nation, mußte der in Begriffe verſunkenen Nation mißfallen. Als nun der Retter kam, kreuzigten ſie ihn. Und ſo ging nicht bloß ihre National-Exiſtenz verloren; ſie wurden in alle Welt ausgetrieben: der Begriff ihrer National-Exiſtenz ward in ihre Stirn gebrandmarkt, weil ſie die Idee der- ſelben aus den reinſten Haͤnden nicht hatten em- pfangen wollen; der uralte entwichene Adel ward nunmehr zu einem Fluch, wie aller entwei- hete Adel nothwendig zur aͤußerſten Verworfenheit wird.
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tional-Lebens nothwendig zu erneuern ſey, ver-
kuͤndigen einen Retter, zeigen wie er geſtaltet ſeyn
muͤſſe, arm und leidend, ihrem weltlichen Hoch-
muth gegenuͤber. Der Ort, der Stamm, die
Zeit wird bezeichnet, wo er kommen werde; die
ganze Sehnſucht der Nation richtet ſich auf dieſe
Stelle Jahrhunderte hindurch hin. Wer ſo er-
wartet wird, muß kommen. —
Sie Alle gedenken aus Ihrer Jugendzeit der
heiligen Worte in den Buͤchern des Neuen Teſta-
ments: „und er that das, damit erfuͤllet wuͤrde,
was geſchrieben ſteht.” Dieſe Hingebung an die
Verheißung der fruͤheren Generationen, an den
National-Geiſt der unſterblichen Nation, mußte
der in Begriffe verſunkenen Nation mißfallen.
Als nun der Retter kam, kreuzigten ſie ihn.
Und ſo ging nicht bloß ihre National-Exiſtenz
verloren; ſie wurden in alle Welt ausgetrieben:
der Begriff ihrer National-Exiſtenz ward in
ihre Stirn gebrandmarkt, weil ſie die Idee der-
ſelben aus den reinſten Haͤnden nicht hatten em-
pfangen wollen; der uralte entwichene Adel ward
nunmehr zu einem Fluch, wie aller entwei-
hete Adel nothwendig zur aͤußerſten
Verworfenheit wird.
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/34>, abgerufen am 23.11.2024.
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