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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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ist beschränke worden, damit höhere Anlagen der
menschlichen Natur, und das Bestreben des Gei-
stes auch bei der Verbindung ihre Rechnung fin-
den könnten. Diese Schranken nun, welche man,
einer vermeintlichen Blüthe des Handels und der
Industrie zu Gefallen, jetzt umzuwerfen Lust
hat, wollen nicht bloß respectirt, sie wollen
belebt seyn. Man soll die Naturgesetze des
Welthandels -- wie sie das Comptoir und Adam
Smith lehren -- kennen, um ihnen wahrhafte
Schranken anzuweisen, um zu wissen, wie man
dem Welthandel begegnen, wie man ihn den
höheren nationalen Zwecken unterordnen, nicht,
wie man sich ihm hingeben und alles ihm selbst,
seinem eigennützigen Streben, überlassen könne. --

Die Europäischen Regierungen waren, wie
ich schon bemerkt habe, in den drei letztverflosse-
nen Jahrhunderten in der sonderbaren Alterna-
tive, entweder die alte nationale Existenz aufzu-
geben, oder die ganze Ausbeute des durch die
Entdeckung der beiden Indien neu erweiterten
Welthandels anderen Nationen zu überlassen.
Das, was ihnen die alte Existenz werth machte,
der vaterländische, religiöse Sinn, der jedes ein-
zelne Herz beherrscht hatte, war verschwunden:
wer wollte es, nachdem das Streben nach Pri-
vat-Besitz und Gold sich Aller bemeistert hatte,

iſt beſchraͤnke worden, damit hoͤhere Anlagen der
menſchlichen Natur, und das Beſtreben des Gei-
ſtes auch bei der Verbindung ihre Rechnung fin-
den koͤnnten. Dieſe Schranken nun, welche man,
einer vermeintlichen Bluͤthe des Handels und der
Induſtrie zu Gefallen, jetzt umzuwerfen Luſt
hat, wollen nicht bloß reſpectirt, ſie wollen
belebt ſeyn. Man ſoll die Naturgeſetze des
Welthandels — wie ſie das Comptoir und Adam
Smith lehren — kennen, um ihnen wahrhafte
Schranken anzuweiſen, um zu wiſſen, wie man
dem Welthandel begegnen, wie man ihn den
hoͤheren nationalen Zwecken unterordnen, nicht,
wie man ſich ihm hingeben und alles ihm ſelbſt,
ſeinem eigennuͤtzigen Streben, uͤberlaſſen koͤnne. —

Die Europaͤiſchen Regierungen waren, wie
ich ſchon bemerkt habe, in den drei letztverfloſſe-
nen Jahrhunderten in der ſonderbaren Alterna-
tive, entweder die alte nationale Exiſtenz aufzu-
geben, oder die ganze Ausbeute des durch die
Entdeckung der beiden Indien neu erweiterten
Welthandels anderen Nationen zu uͤberlaſſen.
Das, was ihnen die alte Exiſtenz werth machte,
der vaterlaͤndiſche, religioͤſe Sinn, der jedes ein-
zelne Herz beherrſcht hatte, war verſchwunden:
wer wollte es, nachdem das Streben nach Pri-
vat-Beſitz und Gold ſich Aller bemeiſtert hatte,

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[326/0334] iſt beſchraͤnke worden, damit hoͤhere Anlagen der menſchlichen Natur, und das Beſtreben des Gei- ſtes auch bei der Verbindung ihre Rechnung fin- den koͤnnten. Dieſe Schranken nun, welche man, einer vermeintlichen Bluͤthe des Handels und der Induſtrie zu Gefallen, jetzt umzuwerfen Luſt hat, wollen nicht bloß reſpectirt, ſie wollen belebt ſeyn. Man ſoll die Naturgeſetze des Welthandels — wie ſie das Comptoir und Adam Smith lehren — kennen, um ihnen wahrhafte Schranken anzuweiſen, um zu wiſſen, wie man dem Welthandel begegnen, wie man ihn den hoͤheren nationalen Zwecken unterordnen, nicht, wie man ſich ihm hingeben und alles ihm ſelbſt, ſeinem eigennuͤtzigen Streben, uͤberlaſſen koͤnne. — Die Europaͤiſchen Regierungen waren, wie ich ſchon bemerkt habe, in den drei letztverfloſſe- nen Jahrhunderten in der ſonderbaren Alterna- tive, entweder die alte nationale Exiſtenz aufzu- geben, oder die ganze Ausbeute des durch die Entdeckung der beiden Indien neu erweiterten Welthandels anderen Nationen zu uͤberlaſſen. Das, was ihnen die alte Exiſtenz werth machte, der vaterlaͤndiſche, religioͤſe Sinn, der jedes ein- zelne Herz beherrſcht hatte, war verſchwunden: wer wollte es, nachdem das Streben nach Pri- vat-Beſitz und Gold ſich Aller bemeiſtert hatte,

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/334>, abgerufen am 24.11.2024.