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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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als Moses den einförmigen Druck Aegyptischer
Tyrannei, und das dumpfe Leiden jener Zeit
endigte, und, um die verheißungsvollen Worte
der alten Erzväter zu erfüllen, sein Volk hin-
aus führte in die Wüste, in einen lebendigen
Kampf und zu klaren Leiden; als sich in einer
langen militärischen Erziehung nun ein eigentlich
unüberwindlicher Lebensgenuß in dem Volke zu
zeigen anfing: da war es leicht, ihm den Ge-
danken einzuprägen, daß, wie der einzige Gott
unter thätigen Schmerzen vornehmlich sichtbar
werde, so auch gerade in den unendlichen Prü-
fungen und Leiden des Volkes die Auszeichnung
desselben bestehe; daß es durch Schmerzen gea-
delt worden sey. --

Dies war der Mosaische Gedanke; keine Spur
davon, als ob Moses sich die Völker der Erde
als castenweise eingetheilt gedacht, und sein Volk
unbedingt für die erste und vornehmste Caste ge-
halten hätte, findet sich im alten Testamente.
In Kriegen und unter Mühseligkeiten ist uns
die Idee der Freiheit vor allen Völkern der Erde
klar geworden; während die andern Völker sich
an die bunte Gegenwart halten und unter vie-
len einzelnen Bildern und Begriffen des Lebens
zerstreuen, ist uns die Offenbarung geworden
von einem lebendigen Gott, oder einem lebendi-

als Moſes den einfoͤrmigen Druck Aegyptiſcher
Tyrannei, und das dumpfe Leiden jener Zeit
endigte, und, um die verheißungsvollen Worte
der alten Erzvaͤter zu erfuͤllen, ſein Volk hin-
aus fuͤhrte in die Wuͤſte, in einen lebendigen
Kampf und zu klaren Leiden; als ſich in einer
langen militaͤriſchen Erziehung nun ein eigentlich
unuͤberwindlicher Lebensgenuß in dem Volke zu
zeigen anfing: da war es leicht, ihm den Ge-
danken einzupraͤgen, daß, wie der einzige Gott
unter thaͤtigen Schmerzen vornehmlich ſichtbar
werde, ſo auch gerade in den unendlichen Pruͤ-
fungen und Leiden des Volkes die Auszeichnung
deſſelben beſtehe; daß es durch Schmerzen gea-
delt worden ſey. —

Dies war der Moſaiſche Gedanke; keine Spur
davon, als ob Moſes ſich die Voͤlker der Erde
als caſtenweiſe eingetheilt gedacht, und ſein Volk
unbedingt fuͤr die erſte und vornehmſte Caſte ge-
halten haͤtte, findet ſich im alten Teſtamente.
In Kriegen und unter Muͤhſeligkeiten iſt uns
die Idee der Freiheit vor allen Voͤlkern der Erde
klar geworden; waͤhrend die andern Voͤlker ſich
an die bunte Gegenwart halten und unter vie-
len einzelnen Bildern und Begriffen des Lebens
zerſtreuen, iſt uns die Offenbarung geworden
von einem lebendigen Gott, oder einem lebendi-

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[23/0031] als Moſes den einfoͤrmigen Druck Aegyptiſcher Tyrannei, und das dumpfe Leiden jener Zeit endigte, und, um die verheißungsvollen Worte der alten Erzvaͤter zu erfuͤllen, ſein Volk hin- aus fuͤhrte in die Wuͤſte, in einen lebendigen Kampf und zu klaren Leiden; als ſich in einer langen militaͤriſchen Erziehung nun ein eigentlich unuͤberwindlicher Lebensgenuß in dem Volke zu zeigen anfing: da war es leicht, ihm den Ge- danken einzupraͤgen, daß, wie der einzige Gott unter thaͤtigen Schmerzen vornehmlich ſichtbar werde, ſo auch gerade in den unendlichen Pruͤ- fungen und Leiden des Volkes die Auszeichnung deſſelben beſtehe; daß es durch Schmerzen gea- delt worden ſey. — Dies war der Moſaiſche Gedanke; keine Spur davon, als ob Moſes ſich die Voͤlker der Erde als caſtenweiſe eingetheilt gedacht, und ſein Volk unbedingt fuͤr die erſte und vornehmſte Caſte ge- halten haͤtte, findet ſich im alten Teſtamente. In Kriegen und unter Muͤhſeligkeiten iſt uns die Idee der Freiheit vor allen Voͤlkern der Erde klar geworden; waͤhrend die andern Voͤlker ſich an die bunte Gegenwart halten und unter vie- len einzelnen Bildern und Begriffen des Lebens zerſtreuen, iſt uns die Offenbarung geworden von einem lebendigen Gott, oder einem lebendi-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/31>, abgerufen am 23.11.2024.