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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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Aus diesem Begriffe einer Privat-Religion
entspringt jene geheime, fürchterliche Revolution,
die unverrückten Schrittes über unsern Häuptern
her wandelt und alle Verbindungen des Lebens
zernagt. Die Natur begünstigt diese abscheuliche
Tendenz unsrer Köpfe und Herzen; sie will einen
Privatbankerott, eine innerliche Verzweiflung der
Individuen herbeiführen, weil der Bankerott der
Staaten über die Gemüther nichts vermocht hat,
vielmehr von den armseligen Kindern dieses Au-
genblicks wie die Morgenröthe einer besseren Zeit
beklatscht und bejubelt worden ist. --

Die Natur will durch diese Zersetzung der
Bande des menschlichen Geschlechtes die wenigen
sinnvollen Zeugen, die sie in diese finstere und
zugleich mit Licht und Klarheit prahlende Zeit
hat kommen lassen, über das wahre Wesen des
Staates belehren, ihre Herzen fortificiren, sie
will ihren geheimsten Willen in den Gemüthern
einzelner Menschen unter dem Feuer der Zeit
tief einprägen, damit die verzweifelnde Genera-
tion wieder durch das versäumte Heilige gerettet
werde und in ihrer Noth wahre, menschliche und
ewige Stützen finde. Die äußere Revolution,
die Französische mit ihren Folgen, hat manchen
edlen Tadler gefunden; sie hat die besseren Freunde
der Menschheit durch ihre Ungerechtigkeit indi-

Aus dieſem Begriffe einer Privat-Religion
entſpringt jene geheime, fuͤrchterliche Revolution,
die unverruͤckten Schrittes uͤber unſern Haͤuptern
her wandelt und alle Verbindungen des Lebens
zernagt. Die Natur beguͤnſtigt dieſe abſcheuliche
Tendenz unſrer Koͤpfe und Herzen; ſie will einen
Privatbankerott, eine innerliche Verzweiflung der
Individuen herbeifuͤhren, weil der Bankerott der
Staaten uͤber die Gemuͤther nichts vermocht hat,
vielmehr von den armſeligen Kindern dieſes Au-
genblicks wie die Morgenroͤthe einer beſſeren Zeit
beklatſcht und bejubelt worden iſt. —

Die Natur will durch dieſe Zerſetzung der
Bande des menſchlichen Geſchlechtes die wenigen
ſinnvollen Zeugen, die ſie in dieſe finſtere und
zugleich mit Licht und Klarheit prahlende Zeit
hat kommen laſſen, uͤber das wahre Weſen des
Staates belehren, ihre Herzen fortificiren, ſie
will ihren geheimſten Willen in den Gemuͤthern
einzelner Menſchen unter dem Feuer der Zeit
tief einpraͤgen, damit die verzweifelnde Genera-
tion wieder durch das verſaͤumte Heilige gerettet
werde und in ihrer Noth wahre, menſchliche und
ewige Stuͤtzen finde. Die aͤußere Revolution,
die Franzoͤſiſche mit ihren Folgen, hat manchen
edlen Tadler gefunden; ſie hat die beſſeren Freunde
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[122/0130] Aus dieſem Begriffe einer Privat-Religion entſpringt jene geheime, fuͤrchterliche Revolution, die unverruͤckten Schrittes uͤber unſern Haͤuptern her wandelt und alle Verbindungen des Lebens zernagt. Die Natur beguͤnſtigt dieſe abſcheuliche Tendenz unſrer Koͤpfe und Herzen; ſie will einen Privatbankerott, eine innerliche Verzweiflung der Individuen herbeifuͤhren, weil der Bankerott der Staaten uͤber die Gemuͤther nichts vermocht hat, vielmehr von den armſeligen Kindern dieſes Au- genblicks wie die Morgenroͤthe einer beſſeren Zeit beklatſcht und bejubelt worden iſt. — Die Natur will durch dieſe Zerſetzung der Bande des menſchlichen Geſchlechtes die wenigen ſinnvollen Zeugen, die ſie in dieſe finſtere und zugleich mit Licht und Klarheit prahlende Zeit hat kommen laſſen, uͤber das wahre Weſen des Staates belehren, ihre Herzen fortificiren, ſie will ihren geheimſten Willen in den Gemuͤthern einzelner Menſchen unter dem Feuer der Zeit tief einpraͤgen, damit die verzweifelnde Genera- tion wieder durch das verſaͤumte Heilige gerettet werde und in ihrer Noth wahre, menſchliche und ewige Stuͤtzen finde. Die aͤußere Revolution, die Franzoͤſiſche mit ihren Folgen, hat manchen edlen Tadler gefunden; ſie hat die beſſeren Freunde der Menſchheit durch ihre Ungerechtigkeit indi-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/130>, abgerufen am 23.11.2024.