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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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wirkliches, lebendiges, tausendjähriges Recht,
neben dem geheimen Streben nach dem infinity, und
dem öffentlich vor allem Volk anerkannten Stre-
ben nach der großen *! -- Die Theilung von
Polen war nichts anderes, als eine nothwendige
Folge derselben Politik, die noch nicht absah,
wohin sie führen würde.

Nun aber ist, wie ich gezeigt habe, der wahre
Staat mehr, als Masse. In so fern er in sich
frei, vollständig, lebendig und organisch ist, ver-
mag die Masse nichts über ihn, wohl aber kann
er die Masse sprengen.

Dadurch, daß im Privat-Rechte die
Rechte nicht bloß massenweise abgewogen und
entschieden, sondern auch die Freiheit der recht-
lichen Partheien angeschürt und zwischen ihnen
vermittelt wird; dadurch, daß im Staatsrechte
zwischen der Macht des Suveräns, und der
Macht des Volkes, nicht wie zwischen zwei ganz
heterogenen Massen abgewogen und entschieden,
sondern, daß zwischen der Macht des Suveräns,
und der Gegenmacht des Volkes, zwischen zwei
freien, unendlich verschiedenen und doch unend-
lich in einander greifenden Wesen, vermittelt;
dadurch endlich, daß im Völkerrechte zwischen
der Macht des Einen und des andern Staates

wirkliches, lebendiges, tauſendjaͤhriges Recht,
neben dem geheimen Streben nach dem ∞, und
dem oͤffentlich vor allem Volk anerkannten Stre-
ben nach der großen ○! — Die Theilung von
Polen war nichts anderes, als eine nothwendige
Folge derſelben Politik, die noch nicht abſah,
wohin ſie fuͤhren wuͤrde.

Nun aber iſt, wie ich gezeigt habe, der wahre
Staat mehr, als Maſſe. In ſo fern er in ſich
frei, vollſtaͤndig, lebendig und organiſch iſt, ver-
mag die Maſſe nichts uͤber ihn, wohl aber kann
er die Maſſe ſprengen.

Dadurch, daß im Privat-Rechte die
Rechte nicht bloß maſſenweiſe abgewogen und
entſchieden, ſondern auch die Freiheit der recht-
lichen Partheien angeſchuͤrt und zwiſchen ihnen
vermittelt wird; dadurch, daß im Staatsrechte
zwiſchen der Macht des Suveraͤns, und der
Macht des Volkes, nicht wie zwiſchen zwei ganz
heterogenen Maſſen abgewogen und entſchieden,
ſondern, daß zwiſchen der Macht des Suveraͤns,
und der Gegenmacht des Volkes, zwiſchen zwei
freien, unendlich verſchiedenen und doch unend-
lich in einander greifenden Weſen, vermittelt;
dadurch endlich, daß im Voͤlkerrechte zwiſchen
der Macht des Einen und des andern Staates

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[290/0324] wirkliches, lebendiges, tauſendjaͤhriges Recht, neben dem geheimen Streben nach dem ∞, und dem oͤffentlich vor allem Volk anerkannten Stre- ben nach der großen ○! — Die Theilung von Polen war nichts anderes, als eine nothwendige Folge derſelben Politik, die noch nicht abſah, wohin ſie fuͤhren wuͤrde. Nun aber iſt, wie ich gezeigt habe, der wahre Staat mehr, als Maſſe. In ſo fern er in ſich frei, vollſtaͤndig, lebendig und organiſch iſt, ver- mag die Maſſe nichts uͤber ihn, wohl aber kann er die Maſſe ſprengen. Dadurch, daß im Privat-Rechte die Rechte nicht bloß maſſenweiſe abgewogen und entſchieden, ſondern auch die Freiheit der recht- lichen Partheien angeſchuͤrt und zwiſchen ihnen vermittelt wird; dadurch, daß im Staatsrechte zwiſchen der Macht des Suveraͤns, und der Macht des Volkes, nicht wie zwiſchen zwei ganz heterogenen Maſſen abgewogen und entſchieden, ſondern, daß zwiſchen der Macht des Suveraͤns, und der Gegenmacht des Volkes, zwiſchen zwei freien, unendlich verſchiedenen und doch unend- lich in einander greifenden Weſen, vermittelt; dadurch endlich, daß im Voͤlkerrechte zwiſchen der Macht des Einen und des andern Staates

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/324>, abgerufen am 28.04.2024.