Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

vollständig und allseitig und national ausgebildet;
aber der höchste Ausdruck dieser Rechts-Idee
bleibt immer noch ein einseitiger, bedarf einen
entgegengesetzten, eben so nationalen Ausdruck
des Rechtes ihm gegenüber, damit er ewig fühle,
daß das Recht nie abgeschlossen und fixirt wer-
den könne, sondern in's Unendliche fort wachsen
müsse.

Jeder Staat bedarf, um sich selbst zu füh-
len, um sich zu erkennen und um sich zu messen,
beständig seines Gleichen. Damit es Einen Staat,
und damit es Einen Menschen geben könne, sind
mehrere Staaten und mehrere Menschen
nöthig. Wie möchten alle die unendlichen Indi-
viduen, aus denen, wie ich gezeigt habe, der
Staat besteht, zu der Erkenntniß kommen, daß
sie ein Ganzes bilden, wenn nicht andre Staa-
ten, andre politische Totalitäten sie an den Zu-
sammenhang erinnerten, und zu der Gemeinschaft
zwängen, die sie bilden! Wenn es also überhaupt
Einen Staat geben soll, so muß es mehrere
Staaten geben, und einen nie nachlassenden, le-
bendigen Umgang dieser Staaten. Dem zu Folge
widerspricht sowohl der Idee des Rechtes, als
der Existenz jedes Staates, innerlich und durch-
aus 1) die Chimäre der Universal-Monar-

vollſtaͤndig und allſeitig und national ausgebildet;
aber der hoͤchſte Ausdruck dieſer Rechts-Idee
bleibt immer noch ein einſeitiger, bedarf einen
entgegengeſetzten, eben ſo nationalen Ausdruck
des Rechtes ihm gegenuͤber, damit er ewig fuͤhle,
daß das Recht nie abgeſchloſſen und fixirt wer-
den koͤnne, ſondern in’s Unendliche fort wachſen
muͤſſe.

Jeder Staat bedarf, um ſich ſelbſt zu fuͤh-
len, um ſich zu erkennen und um ſich zu meſſen,
beſtaͤndig ſeines Gleichen. Damit es Einen Staat,
und damit es Einen Menſchen geben koͤnne, ſind
mehrere Staaten und mehrere Menſchen
noͤthig. Wie moͤchten alle die unendlichen Indi-
viduen, aus denen, wie ich gezeigt habe, der
Staat beſteht, zu der Erkenntniß kommen, daß
ſie ein Ganzes bilden, wenn nicht andre Staa-
ten, andre politiſche Totalitaͤten ſie an den Zu-
ſammenhang erinnerten, und zu der Gemeinſchaft
zwaͤngen, die ſie bilden! Wenn es alſo uͤberhaupt
Einen Staat geben ſoll, ſo muß es mehrere
Staaten geben, und einen nie nachlaſſenden, le-
bendigen Umgang dieſer Staaten. Dem zu Folge
widerſpricht ſowohl der Idee des Rechtes, als
der Exiſtenz jedes Staates, innerlich und durch-
aus 1) die Chimaͤre der Univerſal-Monar-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0320" n="286"/>
voll&#x017F;ta&#x0364;ndig und all&#x017F;eitig und national ausgebildet;<lb/>
aber der ho&#x0364;ch&#x017F;te Ausdruck die&#x017F;er Rechts-Idee<lb/>
bleibt immer noch ein ein&#x017F;eitiger, bedarf einen<lb/>
entgegenge&#x017F;etzten, eben &#x017F;o nationalen Ausdruck<lb/>
des Rechtes ihm gegenu&#x0364;ber, damit er ewig fu&#x0364;hle,<lb/>
daß das Recht nie abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en und fixirt wer-<lb/>
den ko&#x0364;nne, &#x017F;ondern in&#x2019;s Unendliche fort wach&#x017F;en<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
            <p>Jeder Staat bedarf, um &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu fu&#x0364;h-<lb/>
len, um &#x017F;ich zu erkennen und um &#x017F;ich zu me&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndig &#x017F;eines Gleichen. Damit es Einen Staat,<lb/>
und damit es Einen Men&#x017F;chen geben ko&#x0364;nne, &#x017F;ind<lb/><hi rendition="#g">mehrere</hi> Staaten und <hi rendition="#g">mehrere</hi> Men&#x017F;chen<lb/>
no&#x0364;thig. Wie mo&#x0364;chten alle die unendlichen Indi-<lb/>
viduen, aus denen, wie ich gezeigt habe, der<lb/>
Staat be&#x017F;teht, zu der Erkenntniß kommen, daß<lb/>
&#x017F;ie ein Ganzes bilden, wenn nicht andre Staa-<lb/>
ten, andre politi&#x017F;che Totalita&#x0364;ten &#x017F;ie an den Zu-<lb/>
&#x017F;ammenhang erinnerten, und zu der Gemein&#x017F;chaft<lb/>
zwa&#x0364;ngen, die &#x017F;ie bilden! Wenn es al&#x017F;o u&#x0364;berhaupt<lb/>
Einen Staat geben &#x017F;oll, &#x017F;o muß es <hi rendition="#g">mehrere</hi><lb/>
Staaten geben, und einen nie nachla&#x017F;&#x017F;enden, le-<lb/>
bendigen Umgang die&#x017F;er Staaten. Dem zu Folge<lb/>
wider&#x017F;pricht &#x017F;owohl der Idee des Rechtes, als<lb/>
der Exi&#x017F;tenz jedes Staates, innerlich und durch-<lb/>
aus 1) die Chima&#x0364;re der <hi rendition="#g">Univer&#x017F;al-Monar-<lb/></hi></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[286/0320] vollſtaͤndig und allſeitig und national ausgebildet; aber der hoͤchſte Ausdruck dieſer Rechts-Idee bleibt immer noch ein einſeitiger, bedarf einen entgegengeſetzten, eben ſo nationalen Ausdruck des Rechtes ihm gegenuͤber, damit er ewig fuͤhle, daß das Recht nie abgeſchloſſen und fixirt wer- den koͤnne, ſondern in’s Unendliche fort wachſen muͤſſe. Jeder Staat bedarf, um ſich ſelbſt zu fuͤh- len, um ſich zu erkennen und um ſich zu meſſen, beſtaͤndig ſeines Gleichen. Damit es Einen Staat, und damit es Einen Menſchen geben koͤnne, ſind mehrere Staaten und mehrere Menſchen noͤthig. Wie moͤchten alle die unendlichen Indi- viduen, aus denen, wie ich gezeigt habe, der Staat beſteht, zu der Erkenntniß kommen, daß ſie ein Ganzes bilden, wenn nicht andre Staa- ten, andre politiſche Totalitaͤten ſie an den Zu- ſammenhang erinnerten, und zu der Gemeinſchaft zwaͤngen, die ſie bilden! Wenn es alſo uͤberhaupt Einen Staat geben ſoll, ſo muß es mehrere Staaten geben, und einen nie nachlaſſenden, le- bendigen Umgang dieſer Staaten. Dem zu Folge widerſpricht ſowohl der Idee des Rechtes, als der Exiſtenz jedes Staates, innerlich und durch- aus 1) die Chimaͤre der Univerſal-Monar-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/320
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/320>, abgerufen am 27.04.2024.