Wort so leicht verleiten kann, ein bloßes, reines, gegenseitiges Beschränken, ein Aufgehoben- und Vernichtet-werden der Macht durch die Macht: so bin ich vollkommen damit einverstanden.
Aber das war die ohnmächtige und gemüths- lose Ansicht Derer, die aus Partheigängern des Gleichgewichtes nun Partheigänger der Univer- sal-Monarchie geworden sind, daß alle diese schönen Friedensstaaten unter einander in keinem andern Verhältnisse ständen, als des gegenseiti- gen Sich-Stützens, des Sich-Anlehnens der gewaltigen Massen an einander, ohne weiteres Resultat, als das der Ruhe, des allgemeinen Stillstandes und des nothwendigen Morsch-wer- dens und Versinkens der Staaten in sich selbst. Gemeine Seelen aber sollen über diesen Umgang der Staaten-Individualitäten unter einander nicht weiter nachdenken; ihnen ist von diesem nie nachlassenden Umgange nichts weiter sichtbar, als die einzelnen Momente des wirklichen Krieges, und diese schrecken sie von der Betrachtung zu- rück. Uebrigens, meinen sie, falle ja auch zwischen den Staaten nichts Bedeutendes weiter vor, als einiger Handel, einiges Hin- und Herreisen, Ge- sandten-schicken, mitunter das Abschließen eines Tractates über Aus- und Einfuhr, Freizügig- keit, militärisches Cartel, und der wissenschaft-
Wort ſo leicht verleiten kann, ein bloßes, reines, gegenſeitiges Beſchraͤnken, ein Aufgehoben- und Vernichtet-werden der Macht durch die Macht: ſo bin ich vollkommen damit einverſtanden.
Aber das war die ohnmaͤchtige und gemuͤths- loſe Anſicht Derer, die aus Partheigaͤngern des Gleichgewichtes nun Partheigaͤnger der Univer- ſal-Monarchie geworden ſind, daß alle dieſe ſchoͤnen Friedensſtaaten unter einander in keinem andern Verhaͤltniſſe ſtaͤnden, als des gegenſeiti- gen Sich-Stuͤtzens, des Sich-Anlehnens der gewaltigen Maſſen an einander, ohne weiteres Reſultat, als das der Ruhe, des allgemeinen Stillſtandes und des nothwendigen Morſch-wer- dens und Verſinkens der Staaten in ſich ſelbſt. Gemeine Seelen aber ſollen uͤber dieſen Umgang der Staaten-Individualitaͤten unter einander nicht weiter nachdenken; ihnen iſt von dieſem nie nachlaſſenden Umgange nichts weiter ſichtbar, als die einzelnen Momente des wirklichen Krieges, und dieſe ſchrecken ſie von der Betrachtung zu- ruͤck. Uebrigens, meinen ſie, falle ja auch zwiſchen den Staaten nichts Bedeutendes weiter vor, als einiger Handel, einiges Hin- und Herreiſen, Ge- ſandten-ſchicken, mitunter das Abſchließen eines Tractates uͤber Aus- und Einfuhr, Freizuͤgig- keit, militaͤriſches Cartel, und der wiſſenſchaft-
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Wort ſo leicht verleiten kann, ein bloßes, reines,
gegenſeitiges Beſchraͤnken, ein Aufgehoben- und
Vernichtet-werden der Macht durch die Macht:
ſo bin ich vollkommen damit einverſtanden.
Aber das war die ohnmaͤchtige und gemuͤths-
loſe Anſicht Derer, die aus Partheigaͤngern des
Gleichgewichtes nun Partheigaͤnger der Univer-
ſal-Monarchie geworden ſind, daß alle dieſe
ſchoͤnen Friedensſtaaten unter einander in keinem
andern Verhaͤltniſſe ſtaͤnden, als des gegenſeiti-
gen Sich-Stuͤtzens, des Sich-Anlehnens der
gewaltigen Maſſen an einander, ohne weiteres
Reſultat, als das der Ruhe, des allgemeinen
Stillſtandes und des nothwendigen Morſch-wer-
dens und Verſinkens der Staaten in ſich ſelbſt.
Gemeine Seelen aber ſollen uͤber dieſen Umgang
der Staaten-Individualitaͤten unter einander
nicht weiter nachdenken; ihnen iſt von dieſem nie
nachlaſſenden Umgange nichts weiter ſichtbar, als
die einzelnen Momente des wirklichen Krieges,
und dieſe ſchrecken ſie von der Betrachtung zu-
ruͤck. Uebrigens, meinen ſie, falle ja auch zwiſchen
den Staaten nichts Bedeutendes weiter vor, als
einiger Handel, einiges Hin- und Herreiſen, Ge-
ſandten-ſchicken, mitunter das Abſchließen eines
Tractates uͤber Aus- und Einfuhr, Freizuͤgig-
keit, militaͤriſches Cartel, und der wiſſenſchaft-
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/318>, abgerufen am 24.11.2024.
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