Individuen seiner Art in einen unaufhörlichen kolossalen Rechtsstreit der National-Freiheit ge- gen die National-Freiheit. Dieser Rechtsstreit ist zu groß, als daß der einzelne Mensch weiter darin Richter seyn könnte; denn wie vermöchte er das Leben dieser gewaltigen Individuen allge- genwärtig zu durchdringen! -- Es bedarf keines Beweises, daß dieser erhabene Prozeß der Völ- ker von einem wirklichen Schiedsrichter nicht mehr geschlichtet werden kann; ferner, daß auch kein Buchstab umfassend genug ist, diesem unge- heuren Körper als Gesetzgebung zur Grundlage zu dienen; daß demnach der Begriff Universal- Monarchie, wie einige Phantasten ihn in die- sem Augenblicke nähren, und der Begriff Uni- versal-Republik, wie man ehemals das so- genannte Europäische Gleichgewicht sich denken mochte, Chimären sind. Damit ist, wie ich schon oben gezeigt habe, die lebendige Idee des Europäi- schen Gleichgewichtes, wie einige wenige Staats- männer und Staatsgelehrte sie sich noch denken mögen, keinesweges angegriffen. Versteht man unter Gleichgewicht gleichmäßiges Wachsthum, gegenseitiges Sich-Steigern und Erheben der Staaten; denkt man sich unter dem Resultat die- ses Gleichgewichtes eine große, gewaltige und wachsende Rechts-Idee, und nicht, wozu das
Individuen ſeiner Art in einen unaufhoͤrlichen koloſſalen Rechtsſtreit der National-Freiheit ge- gen die National-Freiheit. Dieſer Rechtsſtreit iſt zu groß, als daß der einzelne Menſch weiter darin Richter ſeyn koͤnnte; denn wie vermoͤchte er das Leben dieſer gewaltigen Individuen allge- genwaͤrtig zu durchdringen! — Es bedarf keines Beweiſes, daß dieſer erhabene Prozeß der Voͤl- ker von einem wirklichen Schiedsrichter nicht mehr geſchlichtet werden kann; ferner, daß auch kein Buchſtab umfaſſend genug iſt, dieſem unge- heuren Koͤrper als Geſetzgebung zur Grundlage zu dienen; daß demnach der Begriff Univerſal- Monarchie, wie einige Phantaſten ihn in die- ſem Augenblicke naͤhren, und der Begriff Uni- verſal-Republik, wie man ehemals das ſo- genannte Europaͤiſche Gleichgewicht ſich denken mochte, Chimaͤren ſind. Damit iſt, wie ich ſchon oben gezeigt habe, die lebendige Idee des Europaͤi- ſchen Gleichgewichtes, wie einige wenige Staats- maͤnner und Staatsgelehrte ſie ſich noch denken moͤgen, keinesweges angegriffen. Verſteht man unter Gleichgewicht gleichmaͤßiges Wachsthum, gegenſeitiges Sich-Steigern und Erheben der Staaten; denkt man ſich unter dem Reſultat die- ſes Gleichgewichtes eine große, gewaltige und wachſende Rechts-Idee, und nicht, wozu das
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Individuen ſeiner Art in einen unaufhoͤrlichen
koloſſalen Rechtsſtreit der National-Freiheit ge-
gen die National-Freiheit. Dieſer Rechtsſtreit
iſt zu groß, als daß der einzelne Menſch weiter
darin Richter ſeyn koͤnnte; denn wie vermoͤchte
er das Leben dieſer gewaltigen Individuen allge-
genwaͤrtig zu durchdringen! — Es bedarf keines
Beweiſes, daß dieſer erhabene Prozeß der Voͤl-
ker von einem wirklichen Schiedsrichter nicht
mehr geſchlichtet werden kann; ferner, daß auch
kein Buchſtab umfaſſend genug iſt, dieſem unge-
heuren Koͤrper als Geſetzgebung zur Grundlage
zu dienen; daß demnach der Begriff Univerſal-
Monarchie, wie einige Phantaſten ihn in die-
ſem Augenblicke naͤhren, und der Begriff Uni-
verſal-Republik, wie man ehemals das ſo-
genannte Europaͤiſche Gleichgewicht ſich denken
mochte, Chimaͤren ſind. Damit iſt, wie ich ſchon
oben gezeigt habe, die lebendige Idee des Europaͤi-
ſchen Gleichgewichtes, wie einige wenige Staats-
maͤnner und Staatsgelehrte ſie ſich noch denken
moͤgen, keinesweges angegriffen. Verſteht man
unter Gleichgewicht gleichmaͤßiges Wachsthum,
gegenſeitiges Sich-Steigern und Erheben der
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/317>, abgerufen am 24.11.2024.
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