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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Ich halte also das Geschäft der Gesetz-
gebung nicht für ein Sortiren und Rangiren
aller auf der Erde an irgend einem Orte
und zu irgend einer Zeit gegebenen Gesetze,
für ein bloßes Auswählen und künstliches
Combiniren Dessen, was sich hier und dort
als heilsam bewiesen hat; ich lasse mich durch
die Wirkungen eines Gesetzes noch nicht für
dasselbe einnehmen, -- sondern die Hauptsache
ist für mich, daß das Gesetz auf eine natur-
gemäße Weise aus freier vollständiger Wech-
selwirkung der Freiheit und der Kraft, der
Bedürfnisse und des Verstandes entsprungen
sey, -- und daß es, dieser Entstehung gemäß,
nun auch fortlebe, sich immer mehr entwickele
und reinige. -- So erhalte ich nicht bloß
die Erkenntniß des Guten und Bösen in der
Gesetzgebung, welche an und für sich noch
nichts hilft, sondern ich lerne die lebendige
Kunst die Gesetze auszubilden
.

Diese Kunst über alles zu setzen, hat mich
meine Zeit gelehrt; und so, neben Wahrheiten,
die ewig gelten werden, kann ich auch den

Ich halte alſo das Geſchaͤft der Geſetz-
gebung nicht fuͤr ein Sortiren und Rangiren
aller auf der Erde an irgend einem Orte
und zu irgend einer Zeit gegebenen Geſetze,
fuͤr ein bloßes Auswaͤhlen und kuͤnſtliches
Combiniren Deſſen, was ſich hier und dort
als heilſam bewieſen hat; ich laſſe mich durch
die Wirkungen eines Geſetzes noch nicht fuͤr
daſſelbe einnehmen, — ſondern die Hauptſache
iſt fuͤr mich, daß das Geſetz auf eine natur-
gemaͤße Weiſe aus freier vollſtaͤndiger Wech-
ſelwirkung der Freiheit und der Kraft, der
Beduͤrfniſſe und des Verſtandes entſprungen
ſey, — und daß es, dieſer Entſtehung gemaͤß,
nun auch fortlebe, ſich immer mehr entwickele
und reinige. — So erhalte ich nicht bloß
die Erkenntniß des Guten und Boͤſen in der
Geſetzgebung, welche an und fuͤr ſich noch
nichts hilft, ſondern ich lerne die lebendige
Kunſt die Geſetze auszubilden
.

Dieſe Kunſt uͤber alles zu ſetzen, hat mich
meine Zeit gelehrt; und ſo, neben Wahrheiten,
die ewig gelten werden, kann ich auch den

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[XII/0018] Ich halte alſo das Geſchaͤft der Geſetz- gebung nicht fuͤr ein Sortiren und Rangiren aller auf der Erde an irgend einem Orte und zu irgend einer Zeit gegebenen Geſetze, fuͤr ein bloßes Auswaͤhlen und kuͤnſtliches Combiniren Deſſen, was ſich hier und dort als heilſam bewieſen hat; ich laſſe mich durch die Wirkungen eines Geſetzes noch nicht fuͤr daſſelbe einnehmen, — ſondern die Hauptſache iſt fuͤr mich, daß das Geſetz auf eine natur- gemaͤße Weiſe aus freier vollſtaͤndiger Wech- ſelwirkung der Freiheit und der Kraft, der Beduͤrfniſſe und des Verſtandes entſprungen ſey, — und daß es, dieſer Entſtehung gemaͤß, nun auch fortlebe, ſich immer mehr entwickele und reinige. — So erhalte ich nicht bloß die Erkenntniß des Guten und Boͤſen in der Geſetzgebung, welche an und fuͤr ſich noch nichts hilft, ſondern ich lerne die lebendige Kunſt die Geſetze auszubilden. Dieſe Kunſt uͤber alles zu ſetzen, hat mich meine Zeit gelehrt; und ſo, neben Wahrheiten, die ewig gelten werden, kann ich auch den

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. XII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/18>, abgerufen am 18.04.2024.