Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

sollen sich gegen ihren gemeinschaftlichen Feind,
die Erde, verbinden, um ihrer Einen furchtbaren
Eigenschaft, der Einheit ihrer Kräfte, zu
begegnen. Diese Art der Allianz geben uns
alle Staats-Theorieen zu; desto leichtsinniger
übersehen sie aber die andre, eben so bedeutende,
Art der Allianz.

Der Staat ist 2) eine Allianz der vorange-
gangenen Generationen mit den nachfolgenden,
und umgekehrt. Er ist eine Allianz nicht bloß
der Zeitgenossen, sondern auch der Raumge-
nossen
; und diese zweite Allianz wird der an-
dern großen Eigenschaft unsrer Feindin, der Erde,
ihrer Dauerhaftigkeit, entgegengestellt. Sie
überlebt uns alle; deshalb wird sie immer im
Vortheil gegen uns seyn, wenn eine Generation
sich von ihr verführen läßt, die andre Genera-
tion zu verläugnen. Der Staat ist nicht bloß die
Verbindung vieler neben einander lebender,
sondern auch vieler auf einander folgender
Familien; sie soll nicht nur unendlich groß und
innig im Raum seyn, sondern auch unsterblich
in der Zeit. Die Lehre von der Verbindung auf
einander folgender Generationen ist ein leeres
Blatt in allen unsern Staats-Theorieen; und
darin liegt ihr großes Gebrechen, darin liegt
es, daß sie ihre Staaten, wie für einen Mo-

ſollen ſich gegen ihren gemeinſchaftlichen Feind,
die Erde, verbinden, um ihrer Einen furchtbaren
Eigenſchaft, der Einheit ihrer Kraͤfte, zu
begegnen. Dieſe Art der Allianz geben uns
alle Staats-Theorieen zu; deſto leichtſinniger
uͤberſehen ſie aber die andre, eben ſo bedeutende,
Art der Allianz.

Der Staat iſt 2) eine Allianz der vorange-
gangenen Generationen mit den nachfolgenden,
und umgekehrt. Er iſt eine Allianz nicht bloß
der Zeitgenoſſen, ſondern auch der Raumge-
noſſen
; und dieſe zweite Allianz wird der an-
dern großen Eigenſchaft unſrer Feindin, der Erde,
ihrer Dauerhaftigkeit, entgegengeſtellt. Sie
uͤberlebt uns alle; deshalb wird ſie immer im
Vortheil gegen uns ſeyn, wenn eine Generation
ſich von ihr verfuͤhren laͤßt, die andre Genera-
tion zu verlaͤugnen. Der Staat iſt nicht bloß die
Verbindung vieler neben einander lebender,
ſondern auch vieler auf einander folgender
Familien; ſie ſoll nicht nur unendlich groß und
innig im Raum ſeyn, ſondern auch unſterblich
in der Zeit. Die Lehre von der Verbindung auf
einander folgender Generationen iſt ein leeres
Blatt in allen unſern Staats-Theorieen; und
darin liegt ihr großes Gebrechen, darin liegt
es, daß ſie ihre Staaten, wie fuͤr einen Mo-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0118" n="84"/>
&#x017F;ollen &#x017F;ich gegen ihren gemein&#x017F;chaftlichen Feind,<lb/>
die Erde, verbinden, um ihrer Einen furchtbaren<lb/>
Eigen&#x017F;chaft, <hi rendition="#g">der Einheit ihrer Kra&#x0364;fte</hi>, zu<lb/>
begegnen. <hi rendition="#g">Die&#x017F;e Art</hi> der Allianz geben uns<lb/>
alle Staats-Theorieen zu; de&#x017F;to leicht&#x017F;inniger<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;ehen &#x017F;ie aber die <hi rendition="#g">andre</hi>, eben &#x017F;o bedeutende,<lb/>
Art der Allianz.</p><lb/>
            <p>Der Staat i&#x017F;t 2) eine Allianz der vorange-<lb/>
gangenen Generationen mit den nachfolgenden,<lb/>
und umgekehrt. Er i&#x017F;t eine Allianz nicht bloß<lb/>
der Zeitgeno&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern auch der <hi rendition="#g">Raumge-<lb/>
no&#x017F;&#x017F;en</hi>; und die&#x017F;e zweite Allianz wird der an-<lb/>
dern großen Eigen&#x017F;chaft un&#x017F;rer Feindin, der Erde,<lb/>
ihrer <hi rendition="#g">Dauerhaftigkeit</hi>, entgegenge&#x017F;tellt. Sie<lb/>
u&#x0364;berlebt uns alle; deshalb wird &#x017F;ie immer im<lb/>
Vortheil gegen uns &#x017F;eyn, wenn eine Generation<lb/>
&#x017F;ich von ihr verfu&#x0364;hren la&#x0364;ßt, die andre Genera-<lb/>
tion zu verla&#x0364;ugnen. Der Staat i&#x017F;t nicht bloß die<lb/>
Verbindung vieler <hi rendition="#g">neben einander lebender</hi>,<lb/>
&#x017F;ondern auch vieler <hi rendition="#g">auf einander folgender</hi><lb/>
Familien; &#x017F;ie &#x017F;oll nicht nur unendlich groß und<lb/>
innig im Raum &#x017F;eyn, &#x017F;ondern auch un&#x017F;terblich<lb/>
in der Zeit. Die Lehre von der Verbindung auf<lb/>
einander folgender Generationen i&#x017F;t ein leeres<lb/>
Blatt in allen un&#x017F;ern Staats-Theorieen; und<lb/>
darin liegt ihr großes Gebrechen, darin liegt<lb/>
es, daß &#x017F;ie ihre Staaten, wie fu&#x0364;r einen Mo-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0118] ſollen ſich gegen ihren gemeinſchaftlichen Feind, die Erde, verbinden, um ihrer Einen furchtbaren Eigenſchaft, der Einheit ihrer Kraͤfte, zu begegnen. Dieſe Art der Allianz geben uns alle Staats-Theorieen zu; deſto leichtſinniger uͤberſehen ſie aber die andre, eben ſo bedeutende, Art der Allianz. Der Staat iſt 2) eine Allianz der vorange- gangenen Generationen mit den nachfolgenden, und umgekehrt. Er iſt eine Allianz nicht bloß der Zeitgenoſſen, ſondern auch der Raumge- noſſen; und dieſe zweite Allianz wird der an- dern großen Eigenſchaft unſrer Feindin, der Erde, ihrer Dauerhaftigkeit, entgegengeſtellt. Sie uͤberlebt uns alle; deshalb wird ſie immer im Vortheil gegen uns ſeyn, wenn eine Generation ſich von ihr verfuͤhren laͤßt, die andre Genera- tion zu verlaͤugnen. Der Staat iſt nicht bloß die Verbindung vieler neben einander lebender, ſondern auch vieler auf einander folgender Familien; ſie ſoll nicht nur unendlich groß und innig im Raum ſeyn, ſondern auch unſterblich in der Zeit. Die Lehre von der Verbindung auf einander folgender Generationen iſt ein leeres Blatt in allen unſern Staats-Theorieen; und darin liegt ihr großes Gebrechen, darin liegt es, daß ſie ihre Staaten, wie fuͤr einen Mo-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/118
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/118>, abgerufen am 26.11.2024.