Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite
Griechen. Erste Periode.

1. Vom Delphischen Tempel erzählen Paus. u. Aa. viele Sa-
gen, der eherne ist wahrscheinlich einerlei mit dem oudos.

2. Die Grabmäler der heroischen Zeit hatten meist die
Form conischer Hügel (tumuli, kolonai). Phrygische (Athen.
xiv, p. 625., Amazonen-Gräber (Plut. Theseus 26). Griechen-
land ist voll solcher conischer Hügel. Zu den Grabmälern gehören
wahrscheinlich auch die Labyrinthe zu Nauplia (§. 46. Anm. 2.)
bei Knossos (ein spelaion antrodes nach Etym. M.), auf Lem-
nos (mit 150 Säulen; exstant reliquiae, Plin.), da Grabkam-
mern in Felsen eine uralte Sitte dieses Stammes sind. Stein-
brüche gaben Gelegenheit. Laburinthos ist ächt griechisch und
hängt mit laura zusammen. Dädalos als Architekt in Kreta und
den Westländern. --

3. Der khutos limen von Kyzikos ein Werk der Giganten
(Encheirogastoren), oder der Pelasger, Schol. Apoll. i, 987.

4. Die unterirrdischen Abzüge des Kopaischen Sees (Katabo-
thra), die Schlünde (Zerethra) von Stymphalos und Pheneos,
wo auch ein Canal des Herakles, scheinen von Menschenhänden we-
nigstens vervollkommnet worden zu sein.


51. Der Dorische Tempelbau hängt in seinen
Ursprüngen deutlich mit der Einwanderung der Dorier
zusammen. In ihm kehren die schon auf Glanz und
Reichthum gerichteten Bestrebungen der frühern Zeit wie-
der zur Einfachheit zurück, und die Kunst gewinnt da-
durch feste Grundformen, die für die weitere Entwicke-
lung unschätzbar waren.

Angeblich hatte Doros selbst das Heräon bei Argos gebaut.
Vitruv. iv, 1.

52. In diesem Bau ist Alles zweckgemäß, in sich1
übereinstimmend, und eben dadurch edel und groß; nur2
hat der Steinbau manche Formen dem frühern Holzbau
abgeborgt, der sich besonders im Gebälk lange erhielt.
Der Tempel ist weit weniger Versammlungsort der Ge-3
meine als das Haus des Götterbildes; die Säulenhallen

Griechen. Erſte Periode.

1. Vom Delphiſchen Tempel erzählen Pauſ. u. Aa. viele Sa-
gen, der eherne iſt wahrſcheinlich einerlei mit dem οὐδός.

2. Die Grabmäler der heroiſchen Zeit hatten meiſt die
Form coniſcher Hügel (tumuli, κολῶναι). Phrygiſche (Athen.
xiv, p. 625., Amazonen-Gräber (Plut. Theſeus 26). Griechen-
land iſt voll ſolcher coniſcher Hügel. Zu den Grabmälern gehören
wahrſcheinlich auch die Labyrinthe zu Nauplia (§. 46. Anm. 2.)
bei Knoſſos (ein σπηλαῖον ἀντρῶδες nach Etym. M.), auf Lem-
nos (mit 150 Säulen; exstant reliquiae, Plin.), da Grabkam-
mern in Felſen eine uralte Sitte dieſes Stammes ſind. Stein-
brüche gaben Gelegenheit. Λαβύρινϑος iſt ächt griechiſch und
hängt mit λαύρα zuſammen. Dädalos als Architekt in Kreta und
den Weſtländern. —

3. Der χυτὸς λιμὴν von Kyzikos ein Werk der Giganten
(Encheirogaſtoren), oder der Pelasger, Schol. Apoll. i, 987.

4. Die unterirrdiſchen Abzüge des Kopaiſchen Sees (Katabo-
thra), die Schlünde (Ζέρεϑρα) von Stymphalos und Pheneos,
wo auch ein Canal des Herakles, ſcheinen von Menſchenhänden we-
nigſtens vervollkommnet worden zu ſein.


51. Der Doriſche Tempelbau haͤngt in ſeinen
Urſpruͤngen deutlich mit der Einwanderung der Dorier
zuſammen. In ihm kehren die ſchon auf Glanz und
Reichthum gerichteten Beſtrebungen der fruͤhern Zeit wie-
der zur Einfachheit zuruͤck, und die Kunſt gewinnt da-
durch feſte Grundformen, die fuͤr die weitere Entwicke-
lung unſchaͤtzbar waren.

Angeblich hatte Doros ſelbſt das Heräon bei Argos gebaut.
Vitruv. iv, 1.

52. In dieſem Bau iſt Alles zweckgemaͤß, in ſich1
uͤbereinſtimmend, und eben dadurch edel und groß; nur2
hat der Steinbau manche Formen dem fruͤhern Holzbau
abgeborgt, der ſich beſonders im Gebaͤlk lange erhielt.
Der Tempel iſt weit weniger Verſammlungsort der Ge-3
meine als das Haus des Goͤtterbildes; die Saͤulenhallen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0053" n="31"/>
            <fw place="top" type="header">Griechen. Er&#x017F;te Periode.</fw><lb/>
            <p>1. Vom Delphi&#x017F;chen <hi rendition="#g">Tempel</hi> erzählen Pau&#x017F;. u. Aa. viele Sa-<lb/>
gen, der eherne i&#x017F;t wahr&#x017F;cheinlich einerlei mit dem &#x03BF;&#x1F50;&#x03B4;&#x03CC;&#x03C2;.</p><lb/>
            <p>2. Die <hi rendition="#g">Grabmäler</hi> der heroi&#x017F;chen Zeit hatten mei&#x017F;t die<lb/>
Form coni&#x017F;cher Hügel (<hi rendition="#aq">tumuli</hi>, &#x03BA;&#x03BF;&#x03BB;&#x1FF6;&#x03BD;&#x03B1;&#x03B9;). Phrygi&#x017F;che (Athen.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">xiv</hi>, p.</hi> 625., Amazonen-Gräber (Plut. The&#x017F;eus 26). Griechen-<lb/>
land i&#x017F;t voll &#x017F;olcher coni&#x017F;cher Hügel. Zu den Grabmälern gehören<lb/>
wahr&#x017F;cheinlich auch die <hi rendition="#g">Labyrinthe</hi> zu Nauplia (§. 46. Anm. 2.)<lb/>
bei Kno&#x017F;&#x017F;os (ein &#x03C3;&#x03C0;&#x03B7;&#x03BB;&#x03B1;&#x1FD6;&#x03BF;&#x03BD; &#x1F00;&#x03BD;&#x03C4;&#x03C1;&#x1FF6;&#x03B4;&#x03B5;&#x03C2; nach Etym. M.), auf Lem-<lb/>
nos (mit 150 Säulen; <hi rendition="#aq">exstant reliquiae,</hi> Plin.), da Grabkam-<lb/>
mern in Fel&#x017F;en eine uralte Sitte die&#x017F;es Stammes &#x017F;ind. Stein-<lb/>
brüche gaben Gelegenheit. &#x039B;&#x03B1;&#x03B2;&#x03CD;&#x03C1;&#x03B9;&#x03BD;&#x03D1;&#x03BF;&#x03C2; i&#x017F;t ächt griechi&#x017F;ch und<lb/>
hängt mit &#x03BB;&#x03B1;&#x03CD;&#x03C1;&#x03B1; zu&#x017F;ammen. Dädalos als Architekt in Kreta und<lb/>
den We&#x017F;tländern. &#x2014;</p><lb/>
            <p>3. Der &#x03C7;&#x03C5;&#x03C4;&#x1F78;&#x03C2; <hi rendition="#g">&#x03BB;&#x03B9;&#x03BC;&#x1F74;&#x03BD;</hi> von Kyzikos ein Werk der Giganten<lb/>
(Encheiroga&#x017F;toren), oder der Pelasger, Schol. Apoll. <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">i,</hi></hi> 987.</p><lb/>
            <p>4. Die unterirrdi&#x017F;chen <hi rendition="#g">Abzüge</hi> des Kopai&#x017F;chen Sees (Katabo-<lb/>
thra), die Schlünde (&#x0396;&#x03AD;&#x03C1;&#x03B5;&#x03D1;&#x03C1;&#x03B1;) von Stymphalos und Pheneos,<lb/>
wo auch ein Canal des Herakles, &#x017F;cheinen von Men&#x017F;chenhänden we-<lb/>
nig&#x017F;tens vervollkommnet worden zu &#x017F;ein.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p>51. Der <hi rendition="#g">Dori&#x017F;che Tempelbau</hi> ha&#x0364;ngt in &#x017F;einen<lb/>
Ur&#x017F;pru&#x0364;ngen deutlich mit der Einwanderung der Dorier<lb/>
zu&#x017F;ammen. In ihm kehren die &#x017F;chon auf Glanz und<lb/>
Reichthum gerichteten Be&#x017F;trebungen der fru&#x0364;hern Zeit wie-<lb/>
der zur Einfachheit zuru&#x0364;ck, und die Kun&#x017F;t gewinnt da-<lb/>
durch fe&#x017F;te Grundformen, die fu&#x0364;r die weitere Entwicke-<lb/>
lung un&#x017F;cha&#x0364;tzbar waren.</p><lb/>
            <p>Angeblich hatte Doros &#x017F;elb&#x017F;t das Heräon bei Argos gebaut.<lb/>
Vitruv. <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">iv,</hi></hi> 1.</p><lb/>
            <p>52. In die&#x017F;em Bau i&#x017F;t Alles zweckgema&#x0364;ß, in &#x017F;ich<note place="right">1</note><lb/>
u&#x0364;berein&#x017F;timmend, und eben dadurch edel und groß; nur<note place="right">2</note><lb/>
hat der Steinbau manche Formen dem fru&#x0364;hern Holzbau<lb/>
abgeborgt, der &#x017F;ich be&#x017F;onders im Geba&#x0364;lk lange erhielt.<lb/>
Der Tempel i&#x017F;t weit weniger Ver&#x017F;ammlungsort der Ge-<note place="right">3</note><lb/>
meine als das Haus des Go&#x0364;tterbildes; die Sa&#x0364;ulenhallen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0053] Griechen. Erſte Periode. 1. Vom Delphiſchen Tempel erzählen Pauſ. u. Aa. viele Sa- gen, der eherne iſt wahrſcheinlich einerlei mit dem οὐδός. 2. Die Grabmäler der heroiſchen Zeit hatten meiſt die Form coniſcher Hügel (tumuli, κολῶναι). Phrygiſche (Athen. xiv, p. 625., Amazonen-Gräber (Plut. Theſeus 26). Griechen- land iſt voll ſolcher coniſcher Hügel. Zu den Grabmälern gehören wahrſcheinlich auch die Labyrinthe zu Nauplia (§. 46. Anm. 2.) bei Knoſſos (ein σπηλαῖον ἀντρῶδες nach Etym. M.), auf Lem- nos (mit 150 Säulen; exstant reliquiae, Plin.), da Grabkam- mern in Felſen eine uralte Sitte dieſes Stammes ſind. Stein- brüche gaben Gelegenheit. Λαβύρινϑος iſt ächt griechiſch und hängt mit λαύρα zuſammen. Dädalos als Architekt in Kreta und den Weſtländern. — 3. Der χυτὸς λιμὴν von Kyzikos ein Werk der Giganten (Encheirogaſtoren), oder der Pelasger, Schol. Apoll. i, 987. 4. Die unterirrdiſchen Abzüge des Kopaiſchen Sees (Katabo- thra), die Schlünde (Ζέρεϑρα) von Stymphalos und Pheneos, wo auch ein Canal des Herakles, ſcheinen von Menſchenhänden we- nigſtens vervollkommnet worden zu ſein. 51. Der Doriſche Tempelbau haͤngt in ſeinen Urſpruͤngen deutlich mit der Einwanderung der Dorier zuſammen. In ihm kehren die ſchon auf Glanz und Reichthum gerichteten Beſtrebungen der fruͤhern Zeit wie- der zur Einfachheit zuruͤck, und die Kunſt gewinnt da- durch feſte Grundformen, die fuͤr die weitere Entwicke- lung unſchaͤtzbar waren. Angeblich hatte Doros ſelbſt das Heräon bei Argos gebaut. Vitruv. iv, 1. 52. In dieſem Bau iſt Alles zweckgemaͤß, in ſich uͤbereinſtimmend, und eben dadurch edel und groß; nur hat der Steinbau manche Formen dem fruͤhern Holzbau abgeborgt, der ſich beſonders im Gebaͤlk lange erhielt. Der Tempel iſt weit weniger Verſammlungsort der Ge- meine als das Haus des Goͤtterbildes; die Saͤulenhallen 1 2 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/53
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/53>, abgerufen am 03.05.2024.