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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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Historischer Theil.
(das laxamentum der oft sehr engen cella) gewähren
einen bedeckten und doch offnen Ort für die Feierlichkei-
4ten im Temenos. Die konische Gestalt der Säulen, die
starke Ausladung des Capitäls, der vorspringende Sims,
die Form des Giebels bezwecken Solidität und Schutz
5gegen das Wetter. Aus dem Holzbau erklären sich das
Architrav (der Hauptbalken), die Triglyphen (als Bal-
kenköpfe) nebst den Metopen (als Zwischenöffnungen), so
wie die Tropfen unter den Triglyphen und an den
6Dielenköpfen des Gesimses. Der mächtigen Höhe des
Gebälks an den ältern Bauwerken ( der Säulenhöhe)
entspricht die enge Stellung und stämmige Kürze der
7Säulen; sie tragen eine große Last mit Sicherheit. Die
verzierten und unterbrochen gearbeiteten Architekturstücke
wechseln auf eine sinnreiche Weise mit ungeschmückten
8durch Einfachheit imponirenden, ab. Alle Formen sind
geometrischer Art, jedoch treten als schmückendes Beiwerk
gemahlte Zierathen hinzu.

2. Hölzerner Tempel des Poseidon Hippios bei Mantinea, Paus.
viii, 10, 2. Metaponti templum Iunonis vitigineis co-
lumnis stetit,
Plin. xiv, 2. Oinomaou kion Paus. v, 20, 3.
Eichene Säule im Heräon, v, 16. Die einfachsten Holztempel sind
wohl eigentlich hohle Bäume, in die Bilder hineingestellt wurden,
wie in Dodona (naien den puthmeni phegou, Hesiod Schol.
Sophokl. Trach. 1169.), in Ephesos (neon premno eni ptelees
Dionys. Per. 829. vgl. Kallim. auf Art. 237) und die Artemis Ke-
dreatis in Arkadien (Paus. viii, 13).

5. Eurip. Iphig. Taur. 113. (eiso trigluphon opoi kenon)
setzt Balkenköpfe mit Zwischenöffnungen voraus. Eben so Orest
1366. pepheuga -- kedrota pastadon uper teremna Dori-
kas te trigluphous. Hölzerne Triglyphen auch Bakch. 1216.

153. Der Grund zu einer reicheren Ausbildung des
Dorischen Tempelbau's wurde in dem durch Land- und
Seehandel frühzeitig blühenden Korinth gelegt; von
hier gieng die Ausschmückung der Giebel durch Reliefs
aus Thon (an deren Stelle hernach Statuengruppen tre-

Hiſtoriſcher Theil.
(das laxamentum der oft ſehr engen cella) gewaͤhren
einen bedeckten und doch offnen Ort fuͤr die Feierlichkei-
4ten im Temenos. Die koniſche Geſtalt der Saͤulen, die
ſtarke Ausladung des Capitaͤls, der vorſpringende Sims,
die Form des Giebels bezwecken Soliditaͤt und Schutz
5gegen das Wetter. Aus dem Holzbau erklaͤren ſich das
Architrav (der Hauptbalken), die Triglyphen (als Bal-
kenkoͤpfe) nebſt den Metopen (als Zwiſchenoͤffnungen), ſo
wie die Tropfen unter den Triglyphen und an den
6Dielenkoͤpfen des Geſimſes. Der maͤchtigen Hoͤhe des
Gebaͤlks an den aͤltern Bauwerken ( der Saͤulenhoͤhe)
entſpricht die enge Stellung und ſtaͤmmige Kuͤrze der
7Saͤulen; ſie tragen eine große Laſt mit Sicherheit. Die
verzierten und unterbrochen gearbeiteten Architekturſtuͤcke
wechſeln auf eine ſinnreiche Weiſe mit ungeſchmuͤckten
8durch Einfachheit imponirenden, ab. Alle Formen ſind
geometriſcher Art, jedoch treten als ſchmuͤckendes Beiwerk
gemahlte Zierathen hinzu.

2. Hölzerner Tempel des Poſeidon Hippios bei Mantinea, Pauſ.
viii, 10, 2. Metaponti templum Iunonis vitigineis co-
lumnis stetit,
Plin. xiv, 2. Οἰνομάου κίων Pauſ. v, 20, 3.
Eichene Säule im Heräon, v, 16. Die einfachſten Holztempel ſind
wohl eigentlich hohle Bäume, in die Bilder hineingeſtellt wurden,
wie in Dodona (ναῖεν δ̕ἐν πυϑμένι φηγοῦ, Heſiod Schol.
Sophokl. Trach. 1169.), in Epheſos (νηὸν πρέμνῳ ἔνι πτελέης
Dionyſ. Per. 829. vgl. Kallim. auf Art. 237) und die Artemis Ke-
dreatis in Arkadien (Pauſ. viii, 13).

5. Eurip. Iphig. Taur. 113. (εἴσω τριγλύφων ὅποι κενὸν)
ſetzt Balkenköpfe mit Zwiſchenöffnungen voraus. Eben ſo Oreſt
1366. πέφευγα — κεδρωτὰ παστάδων ὑπὲρ τέρεμνα Δωρι-
κάς τε τριγλύφους. Hölzerne Triglyphen auch Bakch. 1216.

153. Der Grund zu einer reicheren Ausbildung des
Doriſchen Tempelbau’s wurde in dem durch Land- und
Seehandel fruͤhzeitig bluͤhenden Korinth gelegt; von
hier gieng die Ausſchmuͤckung der Giebel durch Reliefs
aus Thon (an deren Stelle hernach Statuengruppen tre-

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[32/0054] Hiſtoriſcher Theil. (das laxamentum der oft ſehr engen cella) gewaͤhren einen bedeckten und doch offnen Ort fuͤr die Feierlichkei- ten im Temenos. Die koniſche Geſtalt der Saͤulen, die ſtarke Ausladung des Capitaͤls, der vorſpringende Sims, die Form des Giebels bezwecken Soliditaͤt und Schutz gegen das Wetter. Aus dem Holzbau erklaͤren ſich das Architrav (der Hauptbalken), die Triglyphen (als Bal- kenkoͤpfe) nebſt den Metopen (als Zwiſchenoͤffnungen), ſo wie die Tropfen unter den Triglyphen und an den Dielenkoͤpfen des Geſimſes. Der maͤchtigen Hoͤhe des Gebaͤlks an den aͤltern Bauwerken ([FORMEL] der Saͤulenhoͤhe) entſpricht die enge Stellung und ſtaͤmmige Kuͤrze der Saͤulen; ſie tragen eine große Laſt mit Sicherheit. Die verzierten und unterbrochen gearbeiteten Architekturſtuͤcke wechſeln auf eine ſinnreiche Weiſe mit ungeſchmuͤckten durch Einfachheit imponirenden, ab. Alle Formen ſind geometriſcher Art, jedoch treten als ſchmuͤckendes Beiwerk gemahlte Zierathen hinzu. 4 5 6 7 8 2. Hölzerner Tempel des Poſeidon Hippios bei Mantinea, Pauſ. viii, 10, 2. Metaponti templum Iunonis vitigineis co- lumnis stetit, Plin. xiv, 2. Οἰνομάου κίων Pauſ. v, 20, 3. Eichene Säule im Heräon, v, 16. Die einfachſten Holztempel ſind wohl eigentlich hohle Bäume, in die Bilder hineingeſtellt wurden, wie in Dodona (ναῖεν δ̕ἐν πυϑμένι φηγοῦ, Heſiod Schol. Sophokl. Trach. 1169.), in Epheſos (νηὸν πρέμνῳ ἔνι πτελέης Dionyſ. Per. 829. vgl. Kallim. auf Art. 237) und die Artemis Ke- dreatis in Arkadien (Pauſ. viii, 13). 5. Eurip. Iphig. Taur. 113. (εἴσω τριγλύφων ὅποι κενὸν) ſetzt Balkenköpfe mit Zwiſchenöffnungen voraus. Eben ſo Oreſt 1366. πέφευγα — κεδρωτὰ παστάδων ὑπὲρ τέρεμνα Δωρι- κάς τε τριγλύφους. Hölzerne Triglyphen auch Bakch. 1216. 53. Der Grund zu einer reicheren Ausbildung des Doriſchen Tempelbau’s wurde in dem durch Land- und Seehandel fruͤhzeitig bluͤhenden Korinth gelegt; von hier gieng die Ausſchmuͤckung der Giebel durch Reliefs aus Thon (an deren Stelle hernach Statuengruppen tre- 1

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/54>, abgerufen am 03.05.2024.