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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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Systematischer Theil.
ren die scrinia); idealen, Götterbildern, Bezeichnungen
welche theils aus solchen nach Analogie gebildet sind
(wie der Beutel des Hermes, der Spiegel der Aphrodite),
theils und zwar größtentheils auf der im Glauben und
Cultus gegebnen Symbolik beruhen (wie die Pfeile des
4Ferntreffer Apollon, die Fackeln der Lichtbringerin Arte-
mis). Da die Schöpfung der Symbole auf einer Leb-
haftigkeit der religiösen Phantasie und einer kindlichen
Naivetät des Denkens beruht, wie sie nur die Urzeit
des Griechischen Volkes hatte: so war diese zweite Classe
von Attributen dem Künstler stets gegeben; und seine Auf-
5gabe war nur, sie mit der gesammten Darstellung in
völligen Einklang zu bringen. Was aber die Behand-
lung der Attribute betrifft: so zeigt die Griechische Kunst
darin, dem §. 325. ausgesprochnen Grundsatze gemäß,
die entschiedne Richtung, sie untergeordnet zu behandeln,
dem Maaß nach zu verkleinern, der Sorgfalt der Arbeit nach
6hintanzusetzen: welches soweit geht, daß bei kämpfenden
Göttern und Heroenfiguren die Gegner, nicht blos Un-
thiere, sondern auch rohere Menschenfiguren, häufig ge-
gen alle Forderung des modernen Kunstsinnes, welcher
mehr reale Nachahmung und Illusion verlangt, verkleinert
werden, weil die edle Gestalt des Gottes oder Heros
schon für sich durch ihre Stellung und Bewegung Alles zu
sagen im Stande ist.

6. Ein Hauptbeispiel ist der Capitolinische Altar mit den Ar-
beiten des Herakles.


IV. Von der Composition.

1345. In der Composition mehrerer Figuren zu grö-
ßeren Ganzen zeigt sich derselbe Geist der Einfalt, Mä-
ßigung, Klarheit und Ruhe, der die ganze alte Kunst
2druchdringt. Mit der Zahl der Figuren wird, wie

Syſtematiſcher Theil.
ren die scrinia); idealen, Goͤtterbildern, Bezeichnungen
welche theils aus ſolchen nach Analogie gebildet ſind
(wie der Beutel des Hermes, der Spiegel der Aphrodite),
theils und zwar groͤßtentheils auf der im Glauben und
Cultus gegebnen Symbolik beruhen (wie die Pfeile des
4Ferntreffer Apollon, die Fackeln der Lichtbringerin Arte-
mis). Da die Schoͤpfung der Symbole auf einer Leb-
haftigkeit der religioͤſen Phantaſie und einer kindlichen
Naivetaͤt des Denkens beruht, wie ſie nur die Urzeit
des Griechiſchen Volkes hatte: ſo war dieſe zweite Claſſe
von Attributen dem Kuͤnſtler ſtets gegeben; und ſeine Auf-
5gabe war nur, ſie mit der geſammten Darſtellung in
voͤlligen Einklang zu bringen. Was aber die Behand-
lung der Attribute betrifft: ſo zeigt die Griechiſche Kunſt
darin, dem §. 325. ausgeſprochnen Grundſatze gemaͤß,
die entſchiedne Richtung, ſie untergeordnet zu behandeln,
dem Maaß nach zu verkleinern, der Sorgfalt der Arbeit nach
6hintanzuſetzen: welches ſoweit geht, daß bei kaͤmpfenden
Goͤttern und Heroenfiguren die Gegner, nicht blos Un-
thiere, ſondern auch rohere Menſchenfiguren, haͤufig ge-
gen alle Forderung des modernen Kunſtſinnes, welcher
mehr reale Nachahmung und Illuſion verlangt, verkleinert
werden, weil die edle Geſtalt des Gottes oder Heros
ſchon fuͤr ſich durch ihre Stellung und Bewegung Alles zu
ſagen im Stande iſt.

6. Ein Hauptbeiſpiel iſt der Capitoliniſche Altar mit den Ar-
beiten des Herakles.


IV. Von der Compoſition.

1345. In der Compoſition mehrerer Figuren zu groͤ-
ßeren Ganzen zeigt ſich derſelbe Geiſt der Einfalt, Maͤ-
ßigung, Klarheit und Ruhe, der die ganze alte Kunſt
2druchdringt. Mit der Zahl der Figuren wird, wie

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[434/0456] Syſtematiſcher Theil. ren die scrinia); idealen, Goͤtterbildern, Bezeichnungen welche theils aus ſolchen nach Analogie gebildet ſind (wie der Beutel des Hermes, der Spiegel der Aphrodite), theils und zwar groͤßtentheils auf der im Glauben und Cultus gegebnen Symbolik beruhen (wie die Pfeile des Ferntreffer Apollon, die Fackeln der Lichtbringerin Arte- mis). Da die Schoͤpfung der Symbole auf einer Leb- haftigkeit der religioͤſen Phantaſie und einer kindlichen Naivetaͤt des Denkens beruht, wie ſie nur die Urzeit des Griechiſchen Volkes hatte: ſo war dieſe zweite Claſſe von Attributen dem Kuͤnſtler ſtets gegeben; und ſeine Auf- gabe war nur, ſie mit der geſammten Darſtellung in voͤlligen Einklang zu bringen. Was aber die Behand- lung der Attribute betrifft: ſo zeigt die Griechiſche Kunſt darin, dem §. 325. ausgeſprochnen Grundſatze gemaͤß, die entſchiedne Richtung, ſie untergeordnet zu behandeln, dem Maaß nach zu verkleinern, der Sorgfalt der Arbeit nach hintanzuſetzen: welches ſoweit geht, daß bei kaͤmpfenden Goͤttern und Heroenfiguren die Gegner, nicht blos Un- thiere, ſondern auch rohere Menſchenfiguren, haͤufig ge- gen alle Forderung des modernen Kunſtſinnes, welcher mehr reale Nachahmung und Illuſion verlangt, verkleinert werden, weil die edle Geſtalt des Gottes oder Heros ſchon fuͤr ſich durch ihre Stellung und Bewegung Alles zu ſagen im Stande iſt. 4 5 6 6. Ein Hauptbeiſpiel iſt der Capitoliniſche Altar mit den Ar- beiten des Herakles. IV. Von der Compoſition. 345. In der Compoſition mehrerer Figuren zu groͤ- ßeren Ganzen zeigt ſich derſelbe Geiſt der Einfalt, Maͤ- ßigung, Klarheit und Ruhe, der die ganze alte Kunſt druchdringt. Mit der Zahl der Figuren wird, wie 1 2

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/456>, abgerufen am 23.11.2024.