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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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Systematischer Theil.
pidines, Sockel; besondre, höhere und zierlicher behan-
delte, fortlaufende Untersätze oder Postamente sind stereo-
batae, stylobatae
(bei Vitruv), podia; sie haben einen
Fuß (quadra, spira), Würfel (truncus) und Sims
5(corona). Zu den niedern Mauern gehört auch eine
zwischen Pfeilern oder Säulen eingefügte steinerne oder
hölzerne Brustlehne (pluteus oder pluteum), an deren
Stelle auch metallne Gitter (clathra, cancelli) treten
können.

2. Diese thrigkoi bilden als Einfassungen von Tempeln und
Palästen, mit auleiois thurais in der Mitte, einen Haupttheil
der tragischen Scene. Ueber ihnen erhebt sich stattlich das Haupt-
gebäude.

4. Nichts ist mehr besprochen als die scamilli impares des
Vitruv am Stereobat und Gebälk (s. u. a. Meister N. Commtr.
Soc. Gott. T. vi. p.
171. Guattani Mem. encicl. 1817.
p.
109. Stieglitz Archäol. Unterh. i. S. 48). Am Ende kömmt
wohl heraus, daß sie gar kein wahrnehmbares Glied der Architek-
tur, sondern nur die beim Bau gebrauchte Vorrichtung bezeichnen,
um dem Stylobat und Gebälk die (nach Vitruv) optisch nothwen-
dige Ausbauchung zu geben. Die zweimal über der corona eines
kurzen Pfeilers erwähnte lysis ist wahrscheinlich ein kleiner Wulst.

5. Ueber die plutei marmorei sive ex intestino opere
facti
besonders Vitruv iv, 4. vgl. v, 1. 7. 10. Oefter bilden
sie, Anten und Säulen angefügt und eine Mauer vertretend, einen
Pronaos, der ohne sie nicht stattfinden würde, wie im Parthenon.
Ueber den Aegyptischen Gebrauch §. 221. Hölzerne Planken,
druphaktoi, waren in Athen als Einzäunung von Vorhöfen ge-
wöhnlich (s. besonders Schol. Aristoph. Wesp. 405); kigklides,
durchbrochne Einfassungen, auch bei kleinen T. C.I. n. 481. Gitter
zwischen den Säulen eines Tholus monopteros u. peripte-
ros
sieht man auf dem Relief bei Winckelm. W. i. Tf. 15. 16.

1281. Die Wand wird in ihrer Bestimmung einzu-
schließen modificirt durch das Bedürfniß des Einganges,
sowohl von Menschen, wie von Luft und Licht. Daraus
entstehen Thüren und Fenster. Die Formen der
Thüreinfassung ahmen die des Gebälks in den

Syſtematiſcher Theil.
pidines, Sockel; beſondre, hoͤhere und zierlicher behan-
delte, fortlaufende Unterſaͤtze oder Poſtamente ſind stereo-
batae, stylobatae
(bei Vitruv), podia; ſie haben einen
Fuß (quadra, spira), Wuͤrfel (truncus) und Sims
5(corona). Zu den niedern Mauern gehoͤrt auch eine
zwiſchen Pfeilern oder Saͤulen eingefuͤgte ſteinerne oder
hoͤlzerne Bruſtlehne (pluteus oder pluteum), an deren
Stelle auch metallne Gitter (clathra, cancelli) treten
koͤnnen.

2. Dieſe ϑριγκοὶ bilden als Einfaſſungen von Tempeln und
Paläſten, mit αὐλείοις ϑύραις in der Mitte, einen Haupttheil
der tragiſchen Scene. Ueber ihnen erhebt ſich ſtattlich das Haupt-
gebäude.

4. Nichts iſt mehr beſprochen als die scamilli impares des
Vitruv am Stereobat und Gebälk (ſ. u. a. Meiſter N. Commtr.
Soc. Gott. T. vi. p.
171. Guattani Mem. encicl. 1817.
p.
109. Stieglitz Archäol. Unterh. i. S. 48). Am Ende kömmt
wohl heraus, daß ſie gar kein wahrnehmbares Glied der Architek-
tur, ſondern nur die beim Bau gebrauchte Vorrichtung bezeichnen,
um dem Stylobat und Gebälk die (nach Vitruv) optiſch nothwen-
dige Ausbauchung zu geben. Die zweimal über der corona eines
kurzen Pfeilers erwähnte lysis iſt wahrſcheinlich ein kleiner Wulſt.

5. Ueber die plutei marmorei sive ex intestino opere
facti
beſonders Vitruv iv, 4. vgl. v, 1. 7. 10. Oefter bilden
ſie, Anten und Säulen angefügt und eine Mauer vertretend, einen
Pronaos, der ohne ſie nicht ſtattfinden würde, wie im Parthenon.
Ueber den Aegyptiſchen Gebrauch §. 221. Hölzerne Planken,
δρύφακτοι, waren in Athen als Einzäunung von Vorhöfen ge-
wöhnlich (ſ. beſonders Schol. Ariſtoph. Weſp. 405); κιγκλίδες,
durchbrochne Einfaſſungen, auch bei kleinen T. C.I. n. 481. Gitter
zwiſchen den Säulen eines Tholus monopteros u. peripte-
ros
ſieht man auf dem Relief bei Winckelm. W. i. Tf. 15. 16.

1281. Die Wand wird in ihrer Beſtimmung einzu-
ſchließen modificirt durch das Beduͤrfniß des Einganges,
ſowohl von Menſchen, wie von Luft und Licht. Daraus
entſtehen Thuͤren und Fenſter. Die Formen der
Thuͤreinfaſſung ahmen die des Gebaͤlks in den

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[328/0350] Syſtematiſcher Theil. pidines, Sockel; beſondre, hoͤhere und zierlicher behan- delte, fortlaufende Unterſaͤtze oder Poſtamente ſind stereo- batae, stylobatae (bei Vitruv), podia; ſie haben einen Fuß (quadra, spira), Wuͤrfel (truncus) und Sims (corona). Zu den niedern Mauern gehoͤrt auch eine zwiſchen Pfeilern oder Saͤulen eingefuͤgte ſteinerne oder hoͤlzerne Bruſtlehne (pluteus oder pluteum), an deren Stelle auch metallne Gitter (clathra, cancelli) treten koͤnnen. 5 2. Dieſe ϑριγκοὶ bilden als Einfaſſungen von Tempeln und Paläſten, mit αὐλείοις ϑύραις in der Mitte, einen Haupttheil der tragiſchen Scene. Ueber ihnen erhebt ſich ſtattlich das Haupt- gebäude. 4. Nichts iſt mehr beſprochen als die scamilli impares des Vitruv am Stereobat und Gebälk (ſ. u. a. Meiſter N. Commtr. Soc. Gott. T. vi. p. 171. Guattani Mem. encicl. 1817. p. 109. Stieglitz Archäol. Unterh. i. S. 48). Am Ende kömmt wohl heraus, daß ſie gar kein wahrnehmbares Glied der Architek- tur, ſondern nur die beim Bau gebrauchte Vorrichtung bezeichnen, um dem Stylobat und Gebälk die (nach Vitruv) optiſch nothwen- dige Ausbauchung zu geben. Die zweimal über der corona eines kurzen Pfeilers erwähnte lysis iſt wahrſcheinlich ein kleiner Wulſt. 5. Ueber die plutei marmorei sive ex intestino opere facti beſonders Vitruv iv, 4. vgl. v, 1. 7. 10. Oefter bilden ſie, Anten und Säulen angefügt und eine Mauer vertretend, einen Pronaos, der ohne ſie nicht ſtattfinden würde, wie im Parthenon. Ueber den Aegyptiſchen Gebrauch §. 221. Hölzerne Planken, δρύφακτοι, waren in Athen als Einzäunung von Vorhöfen ge- wöhnlich (ſ. beſonders Schol. Ariſtoph. Weſp. 405); κιγκλίδες, durchbrochne Einfaſſungen, auch bei kleinen T. C.I. n. 481. Gitter zwiſchen den Säulen eines Tholus monopteros u. peripte- ros ſieht man auf dem Relief bei Winckelm. W. i. Tf. 15. 16. 281. Die Wand wird in ihrer Beſtimmung einzu- ſchließen modificirt durch das Beduͤrfniß des Einganges, ſowohl von Menſchen, wie von Luft und Licht. Daraus entſtehen Thuͤren und Fenſter. Die Formen der Thuͤreinfaſſung ahmen die des Gebaͤlks in den 1

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/350>, abgerufen am 11.05.2024.