anthroposphigges, Löwen mit Menschenköpfen. Die ungeheure von Ghizeh ist durch Caviglia offen gelegt. Aus dem Felsen, mit Ausnahme der Vordertatzen, zwischen denen ein Tempelchen lag. S. die Hieroglyphics pl. 80. Löwen-Sperber; Löwen- Uräus mit Flügeln; Schlangen-Geyer, Schlange mit Menschen- beinen u. dgl. Mit Recht hat man bemerkt, daß, während die Griechen in ihren Combinationen der Art vom Menschen den Kopf am meisten festhalten, die Aegyptier ihn am ersten aufopfern.
1229. Weit weniger, als die runde Statue, gelang den Aegyptiern die Aufgabe, das optische Bild des menschlichen Körpers auf die Fläche zu übertragen, in Relief darzu- 2stellen. Das Bestreben, jeden Theil des Körpers in ei- ner möglichst deutlichen und leicht zu fassenden Gestalt darzustellen (vgl. §. 96 zu N. 11.), wirkt hier überall be- 3stimmend und behindernd ein. Für die Vorstellungen aus dem Cultus bildete sich eine feste typische Darstellungs- weise der Körper und ihrer Bewegung; mehr Natürlich- keit herrscht in der Auffassung häuslicher Scenen; wo aber die Kunst kriegerische Begebenheiten von großem Um- fange schildern will, tritt bei dem Streben nach Mannig- faltigkeit der Handlungen und Bewegungen das Unge- schick der Künstler am deutlichsten hervor; auch sind solche 4nachlässiger behandelt. Die Reliefs der Aegyptier sind seltner eigentliche Basreliefs, dergleichen man mit sehr geringer Erhebung von der Fläche auf Steintafeln, cip- pis, findet; gewöhnlicher sogenannte Koilanaglyphen, basreliefs en ereux, bei denen die Gestalten sich in ei- 5ner eingeschnittnen Vertiefung erheben. Das mattbehan- delte Relief sondert sich angenehm von der polirten Fläche umher ab, ohne den architektonischen Eindruck unange- 6nehm zu unterbrechen. Die Schärfe und Präcision in der Arbeit der oft ziemlich tief eingeschnittnen Figuren ist be- 7wundernswürdig. Doch hat man sich, besonders an äuße- ren Wänden, auch oft begnügt, bloße Umrißlinien ein- zugraben.
2. Daher die Brust von vorn, Hüften und Beine von der Seite, Kopf von der Seite (Köpfe von vorn kommen höchst selten
Hiſtoriſcher Theil.
ἀνϑρωπόσφιγγες, Löwen mit Menſchenköpfen. Die ungeheure von Ghizeh iſt durch Caviglia offen gelegt. Aus dem Felſen, mit Ausnahme der Vordertatzen, zwiſchen denen ein Tempelchen lag. S. die Hieroglyphics pl. 80. Löwen-Sperber; Löwen- Uräus mit Flügeln; Schlangen-Geyer, Schlange mit Menſchen- beinen u. dgl. Mit Recht hat man bemerkt, daß, während die Griechen in ihren Combinationen der Art vom Menſchen den Kopf am meiſten feſthalten, die Aegyptier ihn am erſten aufopfern.
1229. Weit weniger, als die runde Statue, gelang den Aegyptiern die Aufgabe, das optiſche Bild des menſchlichen Koͤrpers auf die Flaͤche zu uͤbertragen, in Relief darzu- 2ſtellen. Das Beſtreben, jeden Theil des Koͤrpers in ei- ner moͤglichſt deutlichen und leicht zu faſſenden Geſtalt darzuſtellen (vgl. §. 96 zu N. 11.), wirkt hier uͤberall be- 3ſtimmend und behindernd ein. Fuͤr die Vorſtellungen aus dem Cultus bildete ſich eine feſte typiſche Darſtellungs- weiſe der Koͤrper und ihrer Bewegung; mehr Natuͤrlich- keit herrſcht in der Auffaſſung haͤuslicher Scenen; wo aber die Kunſt kriegeriſche Begebenheiten von großem Um- fange ſchildern will, tritt bei dem Streben nach Mannig- faltigkeit der Handlungen und Bewegungen das Unge- ſchick der Kuͤnſtler am deutlichſten hervor; auch ſind ſolche 4nachlaͤſſiger behandelt. Die Reliefs der Aegyptier ſind ſeltner eigentliche Basreliefs, dergleichen man mit ſehr geringer Erhebung von der Flaͤche auf Steintafeln, cip- pis, findet; gewoͤhnlicher ſogenannte Koilanaglyphen, basreliefs en ereux, bei denen die Geſtalten ſich in ei- 5ner eingeſchnittnen Vertiefung erheben. Das mattbehan- delte Relief ſondert ſich angenehm von der polirten Flaͤche umher ab, ohne den architektoniſchen Eindruck unange- 6nehm zu unterbrechen. Die Schaͤrfe und Praͤciſion in der Arbeit der oft ziemlich tief eingeſchnittnen Figuren iſt be- 7wundernswuͤrdig. Doch hat man ſich, beſonders an aͤuße- ren Waͤnden, auch oft begnuͤgt, bloße Umrißlinien ein- zugraben.
2. Daher die Bruſt von vorn, Hüften und Beine von der Seite, Kopf von der Seite (Köpfe von vorn kommen höchſt ſelten
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Hiſtoriſcher Theil.
ἀνϑρωπόσφιγγες, Löwen mit Menſchenköpfen. Die ungeheure
von Ghizeh iſt durch Caviglia offen gelegt. Aus dem Felſen, mit
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S. die Hieroglyphics pl. 80. Löwen-Sperber; Löwen-
Uräus mit Flügeln; Schlangen-Geyer, Schlange mit Menſchen-
beinen u. dgl. Mit Recht hat man bemerkt, daß, während die
Griechen in ihren Combinationen der Art vom Menſchen den
Kopf am meiſten feſthalten, die Aegyptier ihn am erſten aufopfern.
229. Weit weniger, als die runde Statue, gelang den
Aegyptiern die Aufgabe, das optiſche Bild des menſchlichen
Koͤrpers auf die Flaͤche zu uͤbertragen, in Relief darzu-
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darzuſtellen (vgl. §. 96 zu N. 11.), wirkt hier uͤberall be-
ſtimmend und behindernd ein. Fuͤr die Vorſtellungen
aus dem Cultus bildete ſich eine feſte typiſche Darſtellungs-
weiſe der Koͤrper und ihrer Bewegung; mehr Natuͤrlich-
keit herrſcht in der Auffaſſung haͤuslicher Scenen; wo
aber die Kunſt kriegeriſche Begebenheiten von großem Um-
fange ſchildern will, tritt bei dem Streben nach Mannig-
faltigkeit der Handlungen und Bewegungen das Unge-
ſchick der Kuͤnſtler am deutlichſten hervor; auch ſind ſolche
nachlaͤſſiger behandelt. Die Reliefs der Aegyptier ſind
ſeltner eigentliche Basreliefs, dergleichen man mit ſehr
geringer Erhebung von der Flaͤche auf Steintafeln, cip-
pis, findet; gewoͤhnlicher ſogenannte Koilanaglyphen,
basreliefs en ereux, bei denen die Geſtalten ſich in ei-
ner eingeſchnittnen Vertiefung erheben. Das mattbehan-
delte Relief ſondert ſich angenehm von der polirten Flaͤche
umher ab, ohne den architektoniſchen Eindruck unange-
nehm zu unterbrechen. Die Schaͤrfe und Praͤciſion in der
Arbeit der oft ziemlich tief eingeſchnittnen Figuren iſt be-
wundernswuͤrdig. Doch hat man ſich, beſonders an aͤuße-
ren Waͤnden, auch oft begnuͤgt, bloße Umrißlinien ein-
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Seite, Kopf von der Seite (Köpfe von vorn kommen höchſt ſelten
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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/264>, abgerufen am 24.11.2024.
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