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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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Historischer Theil.
Archivolte unmittelbar von der Platte des Capitäls em-
porsteigt, gegen die Gesetze der Statik, welche unverjüngte
und eckige Pfeiler unter dem Bogen fordert. Man läßt
auch die Gebälke selbst sammt Zahnschnitt und Kragstei-
nen die Bogenform annehmen, und setzt Säulen auf
vortretende Consolen. Deckende Glieder werden wegen
der Mannigfaltigkeit der Theile als Hauptsache betrach-
tet, und belasten höchst schwerfällig die darunter liegen-
den, wie das Gesims das Gebälk im Ganzen und in den
einzelnen untergeordneten Theilen. Gewundne und andre
verschnörkelte Formen der Säulenschäfte kommen auf.
Die Ausführung ist überall mager, platt und roh, ohne
Rundung und Effekt. Doch bleibt als ein Ueberrest des
Römischen Sinns eine gewisse Großartigkeit in der An-
lage, und im Mechanischen wird noch immer manches
2Bewundernswürdige geleistet. Die neue Einrichtung des
Reichs bewirkt, daß in Rom selbst weniger Neues unternom-
3men wird, und Provinzialstädte sich neben ihm erheben;
4besonders schadet Rom die Versetzung des Throns nach
Constantinopel (im J. n. Chr. 330).

2. Gallienus Bogen von kunstloser Einfachheit. Aure-
lian
. Die erweiterten Mauern Roms; die Sorge für Sicherheit
beginnt. Nibby Mura di Roma 1821. (nicht überall richtig,
Stef. Piale in den Dissert. dell' Acc. Archeol. ii. p. 95.)
Großer Doppeltempel des Bel u. Helios. Besoldete Lehrer der
Architektur. Diocletian. Thermen ziemlich erhalten; aus dem
Ringsaal in der Mitte, dessen Kreuzgewölb 8 Granitsäulen stützen,
hat M. Angelo eine schöne Kirche gemacht. Desg. 24. Festes
Schloß und Villa des Exkaisers bei Salona (zu Spalatro) in
Dalmatien. 705 F. lang u. breit. Adams Ruins of the Palace
of Diocletian at Spalatro.
1764. Ehren-Säule in Alexan-
dreia (sonst Pompejussäule) nach der Inschr. Sehr groß, aber
in schlechtem Geschmack. Description de l' Egypte T. v. pl.
34. Hamilton Aegyptiaca pl. 18. Cassas iii. pl. 58. Con-
stantin
. Bogen, mit Dacischen Siegen (von Trajans Bogen)
geschmückt, die neuen Arbeiten ganz ungestalt. Grabmal der
Constantia, Constantins Tochter, (sogen. Templum Bacchi Desgo-
detz ch. 2.) neben der Kirche der H. Agnes; und der Helena, der
Gemahlin des Julian, ein Tholus nach Art des Pantheon, an der

Hiſtoriſcher Theil.
Archivolte unmittelbar von der Platte des Capitaͤls em-
porſteigt, gegen die Geſetze der Statik, welche unverjuͤngte
und eckige Pfeiler unter dem Bogen fordert. Man laͤßt
auch die Gebaͤlke ſelbſt ſammt Zahnſchnitt und Kragſtei-
nen die Bogenform annehmen, und ſetzt Saͤulen auf
vortretende Conſolen. Deckende Glieder werden wegen
der Mannigfaltigkeit der Theile als Hauptſache betrach-
tet, und belaſten hoͤchſt ſchwerfaͤllig die darunter liegen-
den, wie das Geſims das Gebaͤlk im Ganzen und in den
einzelnen untergeordneten Theilen. Gewundne und andre
verſchnoͤrkelte Formen der Saͤulenſchaͤfte kommen auf.
Die Ausfuͤhrung iſt uͤberall mager, platt und roh, ohne
Rundung und Effekt. Doch bleibt als ein Ueberreſt des
Roͤmiſchen Sinns eine gewiſſe Großartigkeit in der An-
lage, und im Mechaniſchen wird noch immer manches
2Bewundernswuͤrdige geleiſtet. Die neue Einrichtung des
Reichs bewirkt, daß in Rom ſelbſt weniger Neues unternom-
3men wird, und Provinzialſtaͤdte ſich neben ihm erheben;
4beſonders ſchadet Rom die Verſetzung des Throns nach
Conſtantinopel (im J. n. Chr. 330).

2. Gallienus Bogen von kunſtloſer Einfachheit. Aure-
lian
. Die erweiterten Mauern Roms; die Sorge für Sicherheit
beginnt. Nibby Mura di Roma 1821. (nicht überall richtig,
Stef. Piale in den Dissert. dell’ Acc. Archeol. ii. p. 95.)
Großer Doppeltempel des Bel u. Helios. Beſoldete Lehrer der
Architektur. Diocletian. Thermen ziemlich erhalten; aus dem
Ringſaal in der Mitte, deſſen Kreuzgewölb 8 Granitſäulen ſtützen,
hat M. Angelo eine ſchöne Kirche gemacht. Desg. 24. Feſtes
Schloß und Villa des Exkaiſers bei Salona (zu Spalatro) in
Dalmatien. 705 F. lang u. breit. Adams Ruins of the Palace
of Diocletian at Spalatro.
1764. Ehren-Säule in Alexan-
dreia (ſonſt Pompejusſäule) nach der Inſchr. Sehr groß, aber
in ſchlechtem Geſchmack. Description de l’ Egypte T. v. pl.
34. Hamilton Aegyptiaca pl. 18. Caſſas iii. pl. 58. Con-
ſtantin
. Bogen, mit Daciſchen Siegen (von Trajans Bogen)
geſchmückt, die neuen Arbeiten ganz ungeſtalt. Grabmal der
Conſtantia, Conſtantins Tochter, (ſogen. Templum Bacchi Desgo-
detz ch. 2.) neben der Kirche der H. Agnes; und der Helena, der
Gemahlin des Julian, ein Tholus nach Art des Pantheon, an der

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[184/0206] Hiſtoriſcher Theil. Archivolte unmittelbar von der Platte des Capitaͤls em- porſteigt, gegen die Geſetze der Statik, welche unverjuͤngte und eckige Pfeiler unter dem Bogen fordert. Man laͤßt auch die Gebaͤlke ſelbſt ſammt Zahnſchnitt und Kragſtei- nen die Bogenform annehmen, und ſetzt Saͤulen auf vortretende Conſolen. Deckende Glieder werden wegen der Mannigfaltigkeit der Theile als Hauptſache betrach- tet, und belaſten hoͤchſt ſchwerfaͤllig die darunter liegen- den, wie das Geſims das Gebaͤlk im Ganzen und in den einzelnen untergeordneten Theilen. Gewundne und andre verſchnoͤrkelte Formen der Saͤulenſchaͤfte kommen auf. Die Ausfuͤhrung iſt uͤberall mager, platt und roh, ohne Rundung und Effekt. Doch bleibt als ein Ueberreſt des Roͤmiſchen Sinns eine gewiſſe Großartigkeit in der An- lage, und im Mechaniſchen wird noch immer manches Bewundernswuͤrdige geleiſtet. Die neue Einrichtung des Reichs bewirkt, daß in Rom ſelbſt weniger Neues unternom- men wird, und Provinzialſtaͤdte ſich neben ihm erheben; beſonders ſchadet Rom die Verſetzung des Throns nach Conſtantinopel (im J. n. Chr. 330). 2 3 4 2. Gallienus Bogen von kunſtloſer Einfachheit. Aure- lian. Die erweiterten Mauern Roms; die Sorge für Sicherheit beginnt. Nibby Mura di Roma 1821. (nicht überall richtig, Stef. Piale in den Dissert. dell’ Acc. Archeol. ii. p. 95.) Großer Doppeltempel des Bel u. Helios. Beſoldete Lehrer der Architektur. Diocletian. Thermen ziemlich erhalten; aus dem Ringſaal in der Mitte, deſſen Kreuzgewölb 8 Granitſäulen ſtützen, hat M. Angelo eine ſchöne Kirche gemacht. Desg. 24. Feſtes Schloß und Villa des Exkaiſers bei Salona (zu Spalatro) in Dalmatien. 705 F. lang u. breit. Adams Ruins of the Palace of Diocletian at Spalatro. 1764. Ehren-Säule in Alexan- dreia (ſonſt Pompejusſäule) nach der Inſchr. Sehr groß, aber in ſchlechtem Geſchmack. Description de l’ Egypte T. v. pl. 34. Hamilton Aegyptiaca pl. 18. Caſſas iii. pl. 58. Con- ſtantin. Bogen, mit Daciſchen Siegen (von Trajans Bogen) geſchmückt, die neuen Arbeiten ganz ungeſtalt. Grabmal der Conſtantia, Conſtantins Tochter, (ſogen. Templum Bacchi Desgo- detz ch. 2.) neben der Kirche der H. Agnes; und der Helena, der Gemahlin des Julian, ein Tholus nach Art des Pantheon, an der

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/206>, abgerufen am 28.04.2024.