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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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Historischer Theil.
von Orelli, in den Philol. Beyträgen aus der Schweiz S. 95.
Auf die Feinheit und Sicherheit der Umrisse geht die Geschichte bei
Plin. xxxv, 36, 11., die Quatremere-de-Quincy Mem. de l'
Instit. royal T. v. p.
300. zu frei deutet; in illa ipsa (vgl.
Sillig C. A. p. 64.) muß festgehalten werden. Dieselbe Figur
wird in demselben Raum dreimal immer feiner und genauer um-
schrieben; der Eine corrigirt dem Andern die Zeichnung durchgängig.
Vgl. Böttiger Archäol. der Mahl. S. 154.

4. Plin. xxxv, 39 sqq. Vgl. unten: Technik.

1140. Auf dieser dritten Stufe der Mahlerei that sich
Aristeides von Theben durch Darstellungen der Lei-
2denschaft und des Rührenden, Pausias durch Kinder-
figuren, Thier- und Blumenstücke hervor, von ihm be-
3ginnt die Mahlerei der Felderdecken; Euphranor war
4in Helden (Theseus) und Göttern ausgezeichnet; Melan-
thios
, einer der denkendsten Künstler der Sikyonischen
Schule, nahm nach Apelles Urtheil in der Anordnung
5(dispositio) den ersten Rang ein; Nikias, aus der
neuern Attischen Schule, mahlte besonders große Historien-
bilder, Seeschlachten und Reuterkämpfe in großer Vor-
züglichkeit.

1. Is enim primus (?) animum pinxit et sensus ho-
minum expressit, quae vocant Graeci
ethe (dagegen §. 133
Anm. 2.), item perturbationes (die pathe). Hujus
pictura oppido capto ad matris morientis ex vulnere
mammam adrepens infans: intelligiturque sentire mater
et timere, ne emortuo lacte sanguinem lambat
. Plin. xxxv,
36, 19. vgl. Aemilian. Anth. Pal. vii, 623. Idem et lacu-
naria primus pingere instituit
(d. h. mit Figuren, denn Sterne
und dgl. kommen darin schon in den ältern Tempeln vor), nec ca-
meras ante eum taliter adornari mos fuit
.

2. S. Plin. xxxv, 40, 24. über Pausias schwarzen Stier
(ein Meisterstück der Verkürzung und Schattirung), und die lieb-
liche Stephaneplokos oder -- polis Glykera.

3. Euphranor scheint in den Zwölfgöttern, die er für eine Halle
im Kerameikos mahlte, nachdem er sich im Poseidon erschöpft hatte,
für den Zeus sich mit einer Copie des Phidiassischen Werks begnügt

Hiſtoriſcher Theil.
von Orelli, in den Philol. Beyträgen aus der Schweiz S. 95.
Auf die Feinheit und Sicherheit der Umriſſe geht die Geſchichte bei
Plin. xxxv, 36, 11., die Quatremère-de-Quincy Mem. de l’
Instit. royal T. v. p.
300. zu frei deutet; in illa ipsa (vgl.
Sillig C. A. p. 64.) muß feſtgehalten werden. Dieſelbe Figur
wird in demſelben Raum dreimal immer feiner und genauer um-
ſchrieben; der Eine corrigirt dem Andern die Zeichnung durchgängig.
Vgl. Böttiger Archäol. der Mahl. S. 154.

4. Plin. xxxv, 39 sqq. Vgl. unten: Technik.

1140. Auf dieſer dritten Stufe der Mahlerei that ſich
Ariſteides von Theben durch Darſtellungen der Lei-
2denſchaft und des Ruͤhrenden, Pauſias durch Kinder-
figuren, Thier- und Blumenſtuͤcke hervor, von ihm be-
3ginnt die Mahlerei der Felderdecken; Euphranor war
4in Helden (Theſeus) und Goͤttern ausgezeichnet; Melan-
thios
, einer der denkendſten Kuͤnſtler der Sikyoniſchen
Schule, nahm nach Apelles Urtheil in der Anordnung
5(dispositio) den erſten Rang ein; Nikias, aus der
neuern Attiſchen Schule, mahlte beſonders große Hiſtorien-
bilder, Seeſchlachten und Reuterkaͤmpfe in großer Vor-
zuͤglichkeit.

1. Is enim primus (?) animum pinxit et sensus ho-
minum expressit, quae vocant Graeci
ἤϑη (dagegen §. 133
Anm. 2.), item perturbationes (die πάϑη). Hujus
pictura oppido capto ad matris morientis ex vulnere
mammam adrepens infans: intelligiturque sentire mater
et timere, ne emortuo lacte sanguinem lambat
. Plin. xxxv,
36, 19. vgl. Aemilian. Anth. Pal. vii, 623. Idem et lacu-
naria primus pingere instituit
(d. h. mit Figuren, denn Sterne
und dgl. kommen darin ſchon in den ältern Tempeln vor), nec ca-
meras ante eum taliter adornari mos fuit
.

2. S. Plin. xxxv, 40, 24. über Pauſias ſchwarzen Stier
(ein Meiſterſtück der Verkürzung und Schattirung), und die lieb-
liche Στεφανηπλόκος oder — πῶλις Glykera.

3. Euphranor ſcheint in den Zwölfgöttern, die er für eine Halle
im Kerameikos mahlte, nachdem er ſich im Poſeidon erſchöpft hatte,
für den Zeus ſich mit einer Copie des Phidiaſſiſchen Werks begnügt

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[124/0146] Hiſtoriſcher Theil. von Orelli, in den Philol. Beyträgen aus der Schweiz S. 95. Auf die Feinheit und Sicherheit der Umriſſe geht die Geſchichte bei Plin. xxxv, 36, 11., die Quatremère-de-Quincy Mem. de l’ Instit. royal T. v. p. 300. zu frei deutet; in illa ipsa (vgl. Sillig C. A. p. 64.) muß feſtgehalten werden. Dieſelbe Figur wird in demſelben Raum dreimal immer feiner und genauer um- ſchrieben; der Eine corrigirt dem Andern die Zeichnung durchgängig. Vgl. Böttiger Archäol. der Mahl. S. 154. 4. Plin. xxxv, 39 sqq. Vgl. unten: Technik. 140. Auf dieſer dritten Stufe der Mahlerei that ſich Ariſteides von Theben durch Darſtellungen der Lei- denſchaft und des Ruͤhrenden, Pauſias durch Kinder- figuren, Thier- und Blumenſtuͤcke hervor, von ihm be- ginnt die Mahlerei der Felderdecken; Euphranor war in Helden (Theſeus) und Goͤttern ausgezeichnet; Melan- thios, einer der denkendſten Kuͤnſtler der Sikyoniſchen Schule, nahm nach Apelles Urtheil in der Anordnung (dispositio) den erſten Rang ein; Nikias, aus der neuern Attiſchen Schule, mahlte beſonders große Hiſtorien- bilder, Seeſchlachten und Reuterkaͤmpfe in großer Vor- zuͤglichkeit. 1 2 3 4 5 1. Is enim primus (?) animum pinxit et sensus ho- minum expressit, quae vocant Graeci ἤϑη (dagegen §. 133 Anm. 2.), item perturbationes (die πάϑη). Hujus pictura oppido capto ad matris morientis ex vulnere mammam adrepens infans: intelligiturque sentire mater et timere, ne emortuo lacte sanguinem lambat. Plin. xxxv, 36, 19. vgl. Aemilian. Anth. Pal. vii, 623. Idem et lacu- naria primus pingere instituit (d. h. mit Figuren, denn Sterne und dgl. kommen darin ſchon in den ältern Tempeln vor), nec ca- meras ante eum taliter adornari mos fuit. 2. S. Plin. xxxv, 40, 24. über Pauſias ſchwarzen Stier (ein Meiſterſtück der Verkürzung und Schattirung), und die lieb- liche Στεφανηπλόκος oder — πῶλις Glykera. 3. Euphranor ſcheint in den Zwölfgöttern, die er für eine Halle im Kerameikos mahlte, nachdem er ſich im Poſeidon erſchöpft hatte, für den Zeus ſich mit einer Copie des Phidiaſſiſchen Werks begnügt

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/146>, abgerufen am 27.04.2024.