halten wurde als in der Griechischen; zum Theil weil jene nicht das Gesetz kennt, das alle Zweige der letz- tern beobachten, daß kein Wort schließen dürfe als mit einem Vocal oder Halbvocal. -- Das Dorische hat wenigstens noch die alte Participialform tithens, (lat. -- ns, altgothisch -- ants) die als Kretisch u. Argivisch angeführt wird (Herodian in den Hort. Adon. p. 409.), und die Präposition ens für das accusativische in, die in andern Dialekten nach der Regel in eis umgebildet wurde (s. Phavorin p. 283. Dind. Eustath. zur Il. 8, 722, 60.), in Dorischen aber auch durch Abschleifung des s zu en c. Accus. wurde, wie in Kreta und bei Pindar (Gregor. und Koen p. 355. Maitt. p. 330.): obgleich auch ziemlich alte Kret. Inschr. eis haben, wie bei den Lakonen gewöhnlich gewesen zu sein scheint. So bildeten auch Kreter und Argeier das Futur spen- so, indem sie blos d herauswarfen, wie in tithens eigentlich ein t fehlt (Herodian. a. O. Eust. a. O. Erym. M. 302, 2. wo überall für spendo und speido -- spenso und speiso zu corrigiren der Sinn fordert); und denselben Gebrauch erhielten von den Messeniern die Rheginer (Etym. M. 135, 45. Gud. 73, 44. wo auch zu corrig.). Man sieht, daß der Mund der alt- dorischen Völker hierin noch mehr ertragen und leisten konnte, als der delicate der übrigen Griechen, die auch das Römische Hortensius in Ortesios änderten. Die- selbe Bemerkung ließe sich an Alkmans makars Frgm. 66. und einige ähnliche Formen knüpfen.
Was aber dem Dorischen Dialekt noch mehr cha- rakteristisch ist, ist der Haß gegen das S, das san kibdalon, den auch in der Dorischen Lyrik Lasos und Pindars Gesänge ohne Sibilus darlegen, und der in rechtem Widerspruche steht mit der Liebe der Jonier für denselben Laut. Aus dieser Wurzel geht eine ganze Reihe von Erscheinungen hervor. Erstens die Vertauschung von S mit T, die indeß im Ganzen nur Bewahrung des Ursprünglichen ist, wie in den Adject. eniautios und ploutios (Etym. M. 156, 17.), in tu oder tou tu, in tettores, quatuor, in den dritten Per- sonen didoti, phati, die noch völlig so im Sanskrit ge- funden werden (im Latein und Deutschen wenigstens
halten wurde als in der Griechiſchen; zum Theil weil jene nicht das Geſetz kennt, das alle Zweige der letz- tern beobachten, daß kein Wort ſchließen duͤrfe als mit einem Vocal oder Halbvocal. — Das Doriſche hat wenigſtens noch die alte Participialform τιϑὲνς, (lat. — ns, altgothiſch — ants) die als Kretiſch u. Argiviſch angefuͤhrt wird (Herodian in den Hort. Adon. p. 409.), und die Praͤpoſition ἐνς fuͤr das accuſativiſche in, die in andern Dialekten nach der Regel in εἰς umgebildet wurde (ſ. Phavorin p. 283. Dind. Euſtath. zur Il. 8, 722, 60.), in Doriſchen aber auch durch Abſchleifung des ς zu εν c. Accus. wurde, wie in Kreta und bei Pindar (Gregor. und Koen p. 355. Maitt. p. 330.): obgleich auch ziemlich alte Kret. Inſchr. εἰς haben, wie bei den Lakonen gewoͤhnlich geweſen zu ſein ſcheint. So bildeten auch Kreter und Argeier das Futur σπέν- σω, indem ſie blos δ herauswarfen, wie in τιϑὲνς eigentlich ein τ fehlt (Herodian. a. O. Euſt. a. O. Erym. M. 302, 2. wo uͤberall fuͤr σπένδω und σπείδω — σπὲνσω und σπείσω zu corrigiren der Sinn fordert); und denſelben Gebrauch erhielten von den Meſſeniern die Rheginer (Etym. M. 135, 45. Gud. 73, 44. wo auch zu corrig.). Man ſieht, daß der Mund der alt- doriſchen Voͤlker hierin noch mehr ertragen und leiſten konnte, als der delicate der uͤbrigen Griechen, die auch das Roͤmiſche Hortensius in Ὁρτήσιος aͤnderten. Die- ſelbe Bemerkung ließe ſich an Alkmans μάκαρς Frgm. 66. und einige aͤhnliche Formen knuͤpfen.
Was aber dem Doriſchen Dialekt noch mehr cha- rakteriſtiſch iſt, iſt der Haß gegen das Σ, das σὰν κίβδαλον, den auch in der Doriſchen Lyrik Laſos und Pindars Geſaͤnge ohne Sibilus darlegen, und der in rechtem Widerſpruche ſteht mit der Liebe der Jonier fuͤr denſelben Laut. Aus dieſer Wurzel geht eine ganze Reihe von Erſcheinungen hervor. Erſtens die Vertauſchung von Σ mit Τ, die indeß im Ganzen nur Bewahrung des Urſpruͤnglichen iſt, wie in den Adject. ἐνιαύτιος und πλούτιος (Etym. M. 156, 17.), in τὺ oder τοὺ tu, in τέττορες, quatuor, in den dritten Per- ſonen δίδωτι, φατὶ, die noch voͤllig ſo im Sanſkrit ge- funden werden (im Latein und Deutſchen wenigſtens
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0525"n="519"/>
halten wurde als in der Griechiſchen; zum Theil weil<lb/>
jene nicht das Geſetz kennt, das alle Zweige der letz-<lb/>
tern beobachten, daß kein Wort ſchließen duͤrfe als mit<lb/>
einem Vocal oder Halbvocal. — Das Doriſche hat<lb/>
wenigſtens noch die alte Participialform τιϑὲνς, (lat.<lb/>—<hirendition="#aq">ns</hi>, altgothiſch —<hirendition="#aq">ants</hi>) die als Kretiſch u. Argiviſch<lb/>
angefuͤhrt wird (Herodian in den <hirendition="#aq">Hort. Adon. p.</hi> 409.),<lb/>
und die Praͤpoſition ἐνς fuͤr das accuſativiſche <hirendition="#aq">in,</hi> die<lb/>
in andern Dialekten nach der Regel in εἰς umgebildet<lb/>
wurde (ſ. Phavorin <hirendition="#aq">p.</hi> 283. Dind. Euſtath. zur Il. 8,<lb/>
722, 60.), in Doriſchen aber auch durch Abſchleifung<lb/>
des ς zu εν<hirendition="#aq">c. Accus.</hi> wurde, wie in Kreta und bei<lb/>
Pindar (Gregor. und Koen <hirendition="#aq">p.</hi> 355. Maitt. <hirendition="#aq">p.</hi> 330.):<lb/>
obgleich auch ziemlich alte Kret. Inſchr. εἰς haben,<lb/>
wie bei den Lakonen gewoͤhnlich geweſen zu ſein ſcheint.<lb/>
So bildeten auch Kreter und Argeier das Futur σπέν-<lb/>σω, indem ſie blos δ herauswarfen, wie in τιϑὲνς<lb/>
eigentlich ein τ fehlt (Herodian. a. O. Euſt. a. O. Erym.<lb/>
M. 302, 2. wo uͤberall fuͤr σπένδω und σπείδω—<lb/>σπὲνσω und σπείσω zu corrigiren der Sinn fordert);<lb/>
und denſelben Gebrauch erhielten von den Meſſeniern<lb/>
die Rheginer (Etym. M. 135, 45. Gud. 73, 44. wo<lb/>
auch zu corrig.). Man ſieht, daß der Mund der alt-<lb/>
doriſchen Voͤlker hierin noch mehr ertragen und leiſten<lb/>
konnte, als der delicate der uͤbrigen Griechen, die auch<lb/>
das Roͤmiſche <hirendition="#aq">Hortensius</hi> in Ὁρτήσιος aͤnderten. Die-<lb/>ſelbe Bemerkung ließe ſich an Alkmans μάκαρς Frgm.<lb/>
66. und einige aͤhnliche Formen knuͤpfen.</p><lb/><p>Was aber dem Doriſchen Dialekt noch mehr cha-<lb/>
rakteriſtiſch iſt, iſt der Haß gegen das Σ, das σὰν<lb/>κίβδαλον, den auch in der Doriſchen Lyrik Laſos und<lb/>
Pindars Geſaͤnge ohne Sibilus darlegen, und der in<lb/>
rechtem Widerſpruche ſteht mit der Liebe der Jonier<lb/>
fuͤr denſelben Laut. Aus dieſer Wurzel geht eine<lb/>
ganze Reihe von Erſcheinungen hervor. Erſtens die<lb/>
Vertauſchung von Σ mit Τ, die indeß im Ganzen nur<lb/>
Bewahrung des Urſpruͤnglichen iſt, wie in den Adject.<lb/>ἐνιαύτιος und πλούτιος (Etym. M. 156, 17.), in τὺ<lb/>
oder τοὺ<hirendition="#aq">tu,</hi> in τέττορες, <hirendition="#aq">quatuor</hi>, in den dritten Per-<lb/>ſonen δίδωτι, φατὶ, die noch voͤllig ſo im Sanſkrit ge-<lb/>
funden werden (im Latein und Deutſchen wenigſtens<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[519/0525]
halten wurde als in der Griechiſchen; zum Theil weil
jene nicht das Geſetz kennt, das alle Zweige der letz-
tern beobachten, daß kein Wort ſchließen duͤrfe als mit
einem Vocal oder Halbvocal. — Das Doriſche hat
wenigſtens noch die alte Participialform τιϑὲνς, (lat.
— ns, altgothiſch — ants) die als Kretiſch u. Argiviſch
angefuͤhrt wird (Herodian in den Hort. Adon. p. 409.),
und die Praͤpoſition ἐνς fuͤr das accuſativiſche in, die
in andern Dialekten nach der Regel in εἰς umgebildet
wurde (ſ. Phavorin p. 283. Dind. Euſtath. zur Il. 8,
722, 60.), in Doriſchen aber auch durch Abſchleifung
des ς zu εν c. Accus. wurde, wie in Kreta und bei
Pindar (Gregor. und Koen p. 355. Maitt. p. 330.):
obgleich auch ziemlich alte Kret. Inſchr. εἰς haben,
wie bei den Lakonen gewoͤhnlich geweſen zu ſein ſcheint.
So bildeten auch Kreter und Argeier das Futur σπέν-
σω, indem ſie blos δ herauswarfen, wie in τιϑὲνς
eigentlich ein τ fehlt (Herodian. a. O. Euſt. a. O. Erym.
M. 302, 2. wo uͤberall fuͤr σπένδω und σπείδω —
σπὲνσω und σπείσω zu corrigiren der Sinn fordert);
und denſelben Gebrauch erhielten von den Meſſeniern
die Rheginer (Etym. M. 135, 45. Gud. 73, 44. wo
auch zu corrig.). Man ſieht, daß der Mund der alt-
doriſchen Voͤlker hierin noch mehr ertragen und leiſten
konnte, als der delicate der uͤbrigen Griechen, die auch
das Roͤmiſche Hortensius in Ὁρτήσιος aͤnderten. Die-
ſelbe Bemerkung ließe ſich an Alkmans μάκαρς Frgm.
66. und einige aͤhnliche Formen knuͤpfen.
Was aber dem Doriſchen Dialekt noch mehr cha-
rakteriſtiſch iſt, iſt der Haß gegen das Σ, das σὰν
κίβδαλον, den auch in der Doriſchen Lyrik Laſos und
Pindars Geſaͤnge ohne Sibilus darlegen, und der in
rechtem Widerſpruche ſteht mit der Liebe der Jonier
fuͤr denſelben Laut. Aus dieſer Wurzel geht eine
ganze Reihe von Erſcheinungen hervor. Erſtens die
Vertauſchung von Σ mit Τ, die indeß im Ganzen nur
Bewahrung des Urſpruͤnglichen iſt, wie in den Adject.
ἐνιαύτιος und πλούτιος (Etym. M. 156, 17.), in τὺ
oder τοὺ tu, in τέττορες, quatuor, in den dritten Per-
ſonen δίδωτι, φατὶ, die noch voͤllig ſo im Sanſkrit ge-
funden werden (im Latein und Deutſchen wenigſtens
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/525>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.