tier der Völlerei so ergeben gewesen, daß sich die Bür- ger ordentlich in den zahlreichen Schenken der Stadt häuslich niederließen, und dagegen ihre Häuser mit ih- ren Frauen drin den Fremden vermietheten. Der Ton der Flöte setzte sie augenblicklich in lustige Bewegung, vor der Trompete liefen sie davon; und ein Feldherr konnte sie bei einer strengen Belagerung nicht anders auf den Wällen halten, als daß er die Garküchen und Schenken hart daran anlegen ließ. Byzanz war voll einheimischer und fremder Kaufleute, Schiffer und Fischer 1, die der treffliche Wein der Stadt, den Maronea und andre Gegenden sandten, selten nüchtern vom Markte in ihre Schiffe zurückkehren ließ 2. In welcher Ordnung Recht und Verfassung war, nehmen wir aus der Antwort eines Redners von Byzanz ab: was das Gesetz der Stadt aussage? -- was ich will3.
Aegina verlor dagegen seinen Ruhm nur mit seiner politischen Existenz. Die Lage an der bedeuten- den Verkehrstraße, der besonders die Gefahr der Um- seeglung von Malea diese Richtung gegeben hatte, der Ruhm der mythischen Vorzeit, die eigne Tüchtigkeit der Bewohner endlich hatten die Thätigkeit derselben zu einer Höhe gespannt, und dem Eilande eine Bedeu- tung in der Gesammtgeschichte der Hellenen gegeben, die immer denkwürdig bleiben wird.
Wenn die Mischung verschiedenartiger Nationalität in Rhodos zu einem Ganzen von glücklicher Organi- sation zusammenwuchs, so scheint dies weniger der Fall gewesen in Kyrene, welches durch Aegyptisch- Libyschen Einfluß nur verderbt wurde. Man achte nur
1 Vgl. Aristot. Pol. 3, 4, 1.
2 Menandros bei Ael. a. O. Athen. 10, 442. Nicetas Acominatus |Hist. p. 251. ed. Fa- brot.
3 Sext. Emp. adv. rhet.[ - 1 Zeichen fehlt]. 37.
III. 27
tier der Voͤllerei ſo ergeben geweſen, daß ſich die Buͤr- ger ordentlich in den zahlreichen Schenken der Stadt haͤuslich niederließen, und dagegen ihre Haͤuſer mit ih- ren Frauen drin den Fremden vermietheten. Der Ton der Floͤte ſetzte ſie augenblicklich in luſtige Bewegung, vor der Trompete liefen ſie davon; und ein Feldherr konnte ſie bei einer ſtrengen Belagerung nicht anders auf den Waͤllen halten, als daß er die Garkuͤchen und Schenken hart daran anlegen ließ. Byzanz war voll einheimiſcher und fremder Kaufleute, Schiffer und Fiſcher 1, die der treffliche Wein der Stadt, den Maronea und andre Gegenden ſandten, ſelten nuͤchtern vom Markte in ihre Schiffe zuruͤckkehren ließ 2. In welcher Ordnung Recht und Verfaſſung war, nehmen wir aus der Antwort eines Redners von Byzanz ab: was das Geſetz der Stadt ausſage? — was ich will3.
Aegina verlor dagegen ſeinen Ruhm nur mit ſeiner politiſchen Exiſtenz. Die Lage an der bedeuten- den Verkehrſtraße, der beſonders die Gefahr der Um- ſeeglung von Malea dieſe Richtung gegeben hatte, der Ruhm der mythiſchen Vorzeit, die eigne Tuͤchtigkeit der Bewohner endlich hatten die Thaͤtigkeit derſelben zu einer Hoͤhe geſpannt, und dem Eilande eine Bedeu- tung in der Geſammtgeſchichte der Hellenen gegeben, die immer denkwuͤrdig bleiben wird.
Wenn die Miſchung verſchiedenartiger Nationalitaͤt in Rhodos zu einem Ganzen von gluͤcklicher Organi- ſation zuſammenwuchs, ſo ſcheint dies weniger der Fall geweſen in Kyrene, welches durch Aegyptiſch- Libyſchen Einfluß nur verderbt wurde. Man achte nur
1 Vgl. Ariſtot. Pol. 3, 4, 1.
2 Menandros bei Ael. a. O. Athen. 10, 442. Nicetas Acominatus |Hist. p. 251. ed. Fa- brot.
3 Sext. Emp. adv. rhet.[ – 1 Zeichen fehlt]. 37.
III. 27
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haͤuslich niederließen, und dagegen ihre Haͤuſer mit ih-
ren Frauen drin den Fremden vermietheten. Der Ton
der Floͤte ſetzte ſie augenblicklich in luſtige Bewegung,
vor der Trompete liefen ſie davon; und ein Feldherr
konnte ſie bei einer ſtrengen Belagerung nicht anders
auf den Waͤllen halten, als daß er die Garkuͤchen und
Schenken hart daran anlegen ließ. Byzanz war voll
einheimiſcher und fremder Kaufleute, Schiffer und
Fiſcher 1, die der treffliche Wein der Stadt, den
Maronea und andre Gegenden ſandten, ſelten nuͤchtern
vom Markte in ihre Schiffe zuruͤckkehren ließ 2. In
welcher Ordnung Recht und Verfaſſung war, nehmen
wir aus der Antwort eines Redners von Byzanz ab:
was das Geſetz der Stadt ausſage? — was ich will 3.
Aegina verlor dagegen ſeinen Ruhm nur mit
ſeiner politiſchen Exiſtenz. Die Lage an der bedeuten-
den Verkehrſtraße, der beſonders die Gefahr der Um-
ſeeglung von Malea dieſe Richtung gegeben hatte, der
Ruhm der mythiſchen Vorzeit, die eigne Tuͤchtigkeit
der Bewohner endlich hatten die Thaͤtigkeit derſelben
zu einer Hoͤhe geſpannt, und dem Eilande eine Bedeu-
tung in der Geſammtgeſchichte der Hellenen gegeben,
die immer denkwuͤrdig bleiben wird.
Wenn die Miſchung verſchiedenartiger Nationalitaͤt
in Rhodos zu einem Ganzen von gluͤcklicher Organi-
ſation zuſammenwuchs, ſo ſcheint dies weniger der
Fall geweſen in Kyrene, welches durch Aegyptiſch-
Libyſchen Einfluß nur verderbt wurde. Man achte nur
1 Vgl. Ariſtot. Pol. 3, 4, 1.
2 Menandros bei Ael. a.
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/423>, abgerufen am 24.11.2024.
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