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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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auf den Charakter der Pheretime, in der eine
Dorische Frau zu einer Orientalischen Sultane umschlug.
Merkwürdig, daß auch eine andre Dorierin Artemisia
-- ihr Vater war von Halikarnass, ihre Mutter eine
Kreterin 1 -- eine ähnliche Stelle einnahm; im Mut-
terlande finden wir seit der mythischen Zeit Frauen
fast nie an der Spitze Dorischer oder andrer Städte 2.

In Italien haben wir von der Dorischen Zeit Kro-
tons
3, so viel unser Zweck erheischte, gesagt, und
den Verfall Dorischer Zucht und Sitte in Taras
mehrmal berührt. Sehr viel mochte das von dem Grie-
chischen sehr verschiedne Clima 4, sehr viel auch das
Naturel der einheimischen Völker wirken, um den Cha-
rakter dieser Städte umzubilden; da Tarent solche Völker-
schaften gewiß nicht blos unterjochte und würgte (wie
die Karbinaten), sondern auch in den Umfang der großen
Stadt hereinzog und einbürgerte; wodurch besonders
viele Worte, die sonst als Römisch bekannt, und wahr-
scheinlich allgemein Sikulisch waren 5, in den Tarenti-
nischen Dialekt Eingang gefunden haben müssen.

In dem von Epaminondas wiederhergestellten
Messenischen Staate galten nach Pausanias 6
die alten nationalen Sitten, und der Dialekt blieb

1 Herod. 7, 99.
2 Fast sage ich einer Ausnahme we-
gen, die ein eben herausgegebnes Fragment der Argolika des Dei-
nias (bei Herodian p. mon. lex. 8, 14. verbessert von Dindorf) ge-
währt: Perimeda, Herrscherin zu Tegea, von den Meisten Khoira
genannt, habe die gefangnen Lakedämonier genöthigt, den Fluß La-
chas durch die Ebne abzuleiten.
3 Oben S. 178. u. 308.
4 Eine Notiz dafür ist Hesych: mairien kakos ekhein, Tarantinisch:
die wohl auf den Sirokko in den Hundstagen geht.
5 Wie,
außer den Namen der Münzen, as für die Einheit in Tarent, ais
in Sicilien, pana panem bei Messapiern und Tarentinern, Ath.
3, 111 c. sannoros, sannio, in Tarent, Hesych.
6 4, 27, 5.

auf den Charakter der Pheretime, in der eine
Doriſche Frau zu einer Orientaliſchen Sultane umſchlug.
Merkwuͤrdig, daß auch eine andre Dorierin Artemiſia
— ihr Vater war von Halikarnaſſ, ihre Mutter eine
Kreterin 1 — eine aͤhnliche Stelle einnahm; im Mut-
terlande finden wir ſeit der mythiſchen Zeit Frauen
faſt nie an der Spitze Doriſcher oder andrer Staͤdte 2.

In Italien haben wir von der Doriſchen Zeit Kro-
tons
3, ſo viel unſer Zweck erheiſchte, geſagt, und
den Verfall Doriſcher Zucht und Sitte in Taras
mehrmal beruͤhrt. Sehr viel mochte das von dem Grie-
chiſchen ſehr verſchiedne Clima 4, ſehr viel auch das
Naturel der einheimiſchen Voͤlker wirken, um den Cha-
rakter dieſer Staͤdte umzubilden; da Tarent ſolche Voͤlker-
ſchaften gewiß nicht blos unterjochte und wuͤrgte (wie
die Karbinaten), ſondern auch in den Umfang der großen
Stadt hereinzog und einbuͤrgerte; wodurch beſonders
viele Worte, die ſonſt als Roͤmiſch bekannt, und wahr-
ſcheinlich allgemein Sikuliſch waren 5, in den Tarenti-
niſchen Dialekt Eingang gefunden haben muͤſſen.

In dem von Epaminondas wiederhergeſtellten
Meſſeniſchen Staate galten nach Pauſanias 6
die alten nationalen Sitten, und der Dialekt blieb

1 Herod. 7, 99.
2 Faſt ſage ich einer Ausnahme we-
gen, die ein eben herausgegebnes Fragment der Argolika des Dei-
nias (bei Herodian π. μον. λεξ. 8, 14. verbeſſert von Dindorf) ge-
waͤhrt: Perimeda, Herrſcherin zu Tegea, von den Meiſten Χοίϱα
genannt, habe die gefangnen Lakedaͤmonier genoͤthigt, den Fluß La-
chas durch die Ebne abzuleiten.
3 Oben S. 178. u. 308.
4 Eine Notiz dafuͤr iſt Heſych: μαιϱιῆν κακῶς ἔχειν, Tarantiniſch:
die wohl auf den Sirokko in den Hundstagen geht.
5 Wie,
außer den Namen der Muͤnzen, ἂς fuͤr die Einheit in Tarent, αἲς
in Sicilien, πᾶνα panem bei Meſſapiern und Tarentinern, Ath.
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[418/0424] auf den Charakter der Pheretime, in der eine Doriſche Frau zu einer Orientaliſchen Sultane umſchlug. Merkwuͤrdig, daß auch eine andre Dorierin Artemiſia — ihr Vater war von Halikarnaſſ, ihre Mutter eine Kreterin 1 — eine aͤhnliche Stelle einnahm; im Mut- terlande finden wir ſeit der mythiſchen Zeit Frauen faſt nie an der Spitze Doriſcher oder andrer Staͤdte 2. In Italien haben wir von der Doriſchen Zeit Kro- tons 3, ſo viel unſer Zweck erheiſchte, geſagt, und den Verfall Doriſcher Zucht und Sitte in Taras mehrmal beruͤhrt. Sehr viel mochte das von dem Grie- chiſchen ſehr verſchiedne Clima 4, ſehr viel auch das Naturel der einheimiſchen Voͤlker wirken, um den Cha- rakter dieſer Staͤdte umzubilden; da Tarent ſolche Voͤlker- ſchaften gewiß nicht blos unterjochte und wuͤrgte (wie die Karbinaten), ſondern auch in den Umfang der großen Stadt hereinzog und einbuͤrgerte; wodurch beſonders viele Worte, die ſonſt als Roͤmiſch bekannt, und wahr- ſcheinlich allgemein Sikuliſch waren 5, in den Tarenti- niſchen Dialekt Eingang gefunden haben muͤſſen. In dem von Epaminondas wiederhergeſtellten Meſſeniſchen Staate galten nach Pauſanias 6 die alten nationalen Sitten, und der Dialekt blieb 1 Herod. 7, 99. 2 Faſt ſage ich einer Ausnahme we- gen, die ein eben herausgegebnes Fragment der Argolika des Dei- nias (bei Herodian π. μον. λεξ. 8, 14. verbeſſert von Dindorf) ge- waͤhrt: Perimeda, Herrſcherin zu Tegea, von den Meiſten Χοίϱα genannt, habe die gefangnen Lakedaͤmonier genoͤthigt, den Fluß La- chas durch die Ebne abzuleiten. 3 Oben S. 178. u. 308. 4 Eine Notiz dafuͤr iſt Heſych: μαιϱιῆν κακῶς ἔχειν, Tarantiniſch: die wohl auf den Sirokko in den Hundstagen geht. 5 Wie, außer den Namen der Muͤnzen, ἂς fuͤr die Einheit in Tarent, αἲς in Sicilien, πᾶνα panem bei Meſſapiern und Tarentinern, Ath. 3, 111 c. σάννοϱος, sannio, in Tarent, Heſych. 6 4, 27, 5.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/424>, abgerufen am 24.11.2024.