Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

hier ein ausgedehntes und überaus fruchtbares Acker-
land, das den Syrakusiern theils unmittelbar gehörte,
theils tributär war, der übervölkerten Stadt einen
reichlichen Unterhalt ohne fremde Zufuhr 1. Zu die-
sem Ueberflusse trat die früh vorwaltende Demokratie,
und mehr noch eine im Sikulischen Volke liegende Be-
weglichkeit, Schlauheit, Vielgewandtheit, um den Do-
rischen Stammgeist zum Theil zu modificiren, zum
Theil auszutilgen. Nach Thukydides waren unter al-
len Gegnern Athens im Pelop. Kriege die Syrakusier
ihnen am meisten in Sitte und Sinnesart verwandt 2.
Man muß bedauern, daß eine solche Fülle des Ta-
lents, wie sich bei den Syrakusiern zwischen Ol. 70.
und 90. zeigt, des ordnenden und leitenden Sinns
entbehrte; Unordnung war im Staate und Heere ihr
häufigster Fehler 3, und die Anerkenntniß dieses Man-
gels bewirkte, daß sie sich so häufig Einzelnen blind-
lings in die Arme warfen 4.

Auf Sikyon hatte die Nähe von Korinth gewiß
großen Einfluß; doch blieb die Stadt selbst ohne be-
deutenden Verkehr mit dem Ausland und ohne Kolo-
nieen, obgleich nicht ohne Schiffe. Das Leben war
gewiß bewegter, als in Sparta 5, aber minder entar-
tet als in Korinth; Sikyon wurde frühzeitig ein
Hauptsitz Dorischer Kunst und Bildung 6, und genoß
ein ungemeines Ansehn unter den Städten des Pelo-
ponnes 7.

Phlius, ohne Zusammenhang mit dem Meere,
hatte keine Hilfsquellen als sein fruchtbares Thal, und

1 Thuk. 6, 20.
2 8, 96.
3 Vgl. 6, 73.
4 Ebd. oben S. 161.
5 Vgl. Bd. 2. S. 161.
6 Oben
S. 289, 1. 367 u. 381.
7 Thuk. 1, 28.

hier ein ausgedehntes und uͤberaus fruchtbares Acker-
land, das den Syrakuſiern theils unmittelbar gehoͤrte,
theils tributaͤr war, der uͤbervoͤlkerten Stadt einen
reichlichen Unterhalt ohne fremde Zufuhr 1. Zu die-
ſem Ueberfluſſe trat die fruͤh vorwaltende Demokratie,
und mehr noch eine im Sikuliſchen Volke liegende Be-
weglichkeit, Schlauheit, Vielgewandtheit, um den Do-
riſchen Stammgeiſt zum Theil zu modificiren, zum
Theil auszutilgen. Nach Thukydides waren unter al-
len Gegnern Athens im Pelop. Kriege die Syrakuſier
ihnen am meiſten in Sitte und Sinnesart verwandt 2.
Man muß bedauern, daß eine ſolche Fuͤlle des Ta-
lents, wie ſich bei den Syrakuſiern zwiſchen Ol. 70.
und 90. zeigt, des ordnenden und leitenden Sinns
entbehrte; Unordnung war im Staate und Heere ihr
haͤufigſter Fehler 3, und die Anerkenntniß dieſes Man-
gels bewirkte, daß ſie ſich ſo haͤufig Einzelnen blind-
lings in die Arme warfen 4.

Auf Sikyon hatte die Naͤhe von Korinth gewiß
großen Einfluß; doch blieb die Stadt ſelbſt ohne be-
deutenden Verkehr mit dem Ausland und ohne Kolo-
nieen, obgleich nicht ohne Schiffe. Das Leben war
gewiß bewegter, als in Sparta 5, aber minder entar-
tet als in Korinth; Sikyon wurde fruͤhzeitig ein
Hauptſitz Doriſcher Kunſt und Bildung 6, und genoß
ein ungemeines Anſehn unter den Staͤdten des Pelo-
ponnes 7.

Phlius, ohne Zuſammenhang mit dem Meere,
hatte keine Hilfsquellen als ſein fruchtbares Thal, und

1 Thuk. 6, 20.
2 8, 96.
3 Vgl. 6, 73.
4 Ebd. oben S. 161.
5 Vgl. Bd. 2. S. 161.
6 Oben
S. 289, 1. 367 u. 381.
7 Thuk. 1, 28.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0421" n="415"/>
hier ein ausgedehntes und u&#x0364;beraus fruchtbares Acker-<lb/>
land, das den Syraku&#x017F;iern theils unmittelbar geho&#x0364;rte,<lb/>
theils tributa&#x0364;r war, der u&#x0364;bervo&#x0364;lkerten Stadt einen<lb/>
reichlichen Unterhalt ohne fremde Zufuhr <note place="foot" n="1">Thuk. 6, 20.</note>. Zu die-<lb/>
&#x017F;em Ueberflu&#x017F;&#x017F;e trat die fru&#x0364;h vorwaltende Demokratie,<lb/>
und mehr noch eine im Sikuli&#x017F;chen Volke liegende Be-<lb/>
weglichkeit, Schlauheit, Vielgewandtheit, um den Do-<lb/>
ri&#x017F;chen Stammgei&#x017F;t zum Theil zu modificiren, zum<lb/>
Theil auszutilgen. Nach Thukydides waren unter al-<lb/>
len Gegnern Athens im Pelop. Kriege die Syraku&#x017F;ier<lb/>
ihnen am mei&#x017F;ten in Sitte und Sinnesart verwandt <note place="foot" n="2">8, 96.</note>.<lb/>
Man muß bedauern, daß eine &#x017F;olche Fu&#x0364;lle des Ta-<lb/>
lents, wie &#x017F;ich bei den Syraku&#x017F;iern zwi&#x017F;chen Ol. 70.<lb/>
und 90. zeigt, des ordnenden und leitenden Sinns<lb/>
entbehrte; Unordnung war im Staate und Heere ihr<lb/>
ha&#x0364;ufig&#x017F;ter Fehler <note place="foot" n="3">Vgl. 6, 73.</note>, und die Anerkenntniß die&#x017F;es Man-<lb/>
gels bewirkte, daß &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;o ha&#x0364;ufig Einzelnen blind-<lb/>
lings in die Arme warfen <note place="foot" n="4">Ebd. oben S. 161.</note>.</p><lb/>
            <p>Auf <hi rendition="#g">Sikyon</hi> hatte die Na&#x0364;he von Korinth gewiß<lb/>
großen Einfluß; doch blieb die Stadt &#x017F;elb&#x017F;t ohne be-<lb/>
deutenden Verkehr mit dem Ausland und ohne Kolo-<lb/>
nieen, obgleich nicht ohne Schiffe. Das Leben war<lb/>
gewiß bewegter, als in Sparta <note place="foot" n="5">Vgl. Bd. 2. S. 161.</note>, aber minder entar-<lb/>
tet als in Korinth; Sikyon wurde fru&#x0364;hzeitig ein<lb/>
Haupt&#x017F;itz Dori&#x017F;cher Kun&#x017F;t und Bildung <note place="foot" n="6">Oben<lb/>
S. 289, 1. 367 u. 381.</note>, und genoß<lb/>
ein ungemeines An&#x017F;ehn unter den Sta&#x0364;dten des Pelo-<lb/>
ponnes <note place="foot" n="7">Thuk. 1, 28.</note>.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Phlius,</hi> ohne Zu&#x017F;ammenhang mit dem Meere,<lb/>
hatte keine Hilfsquellen als &#x017F;ein fruchtbares Thal, und<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[415/0421] hier ein ausgedehntes und uͤberaus fruchtbares Acker- land, das den Syrakuſiern theils unmittelbar gehoͤrte, theils tributaͤr war, der uͤbervoͤlkerten Stadt einen reichlichen Unterhalt ohne fremde Zufuhr 1. Zu die- ſem Ueberfluſſe trat die fruͤh vorwaltende Demokratie, und mehr noch eine im Sikuliſchen Volke liegende Be- weglichkeit, Schlauheit, Vielgewandtheit, um den Do- riſchen Stammgeiſt zum Theil zu modificiren, zum Theil auszutilgen. Nach Thukydides waren unter al- len Gegnern Athens im Pelop. Kriege die Syrakuſier ihnen am meiſten in Sitte und Sinnesart verwandt 2. Man muß bedauern, daß eine ſolche Fuͤlle des Ta- lents, wie ſich bei den Syrakuſiern zwiſchen Ol. 70. und 90. zeigt, des ordnenden und leitenden Sinns entbehrte; Unordnung war im Staate und Heere ihr haͤufigſter Fehler 3, und die Anerkenntniß dieſes Man- gels bewirkte, daß ſie ſich ſo haͤufig Einzelnen blind- lings in die Arme warfen 4. Auf Sikyon hatte die Naͤhe von Korinth gewiß großen Einfluß; doch blieb die Stadt ſelbſt ohne be- deutenden Verkehr mit dem Ausland und ohne Kolo- nieen, obgleich nicht ohne Schiffe. Das Leben war gewiß bewegter, als in Sparta 5, aber minder entar- tet als in Korinth; Sikyon wurde fruͤhzeitig ein Hauptſitz Doriſcher Kunſt und Bildung 6, und genoß ein ungemeines Anſehn unter den Staͤdten des Pelo- ponnes 7. Phlius, ohne Zuſammenhang mit dem Meere, hatte keine Hilfsquellen als ſein fruchtbares Thal, und 1 Thuk. 6, 20. 2 8, 96. 3 Vgl. 6, 73. 4 Ebd. oben S. 161. 5 Vgl. Bd. 2. S. 161. 6 Oben S. 289, 1. 367 u. 381. 7 Thuk. 1, 28.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/421
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/421>, abgerufen am 22.07.2024.