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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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mein 1. Eben so steht sie Dionysos nahe, und wird
in feuchten Niederungen häufig mit ihm verehrt 2
(Liber et Libera); ja sie hat, wie dieser, phallische Fe-
ste 3. Diese segensreiche Quellgöttin nun ist es wohl
auch, welche zunächst die Pflege des sonst ungepflegten
und doch so wohl gedeihenden Wildes übernahm, und
darnach Vorsteherin der Jagd wurde -- obgleich dies
letztere im Cultus gar kein so wichtiger Punkt war
als in der nachhomerischen Poesie. Die Folge von
Ideen zeigt die Stelle des Aeschylos 4: "Wohl will die
Schöne den zarten Sprossen reißender Leun und aller
Thiere im Gefild brustliebenden Jungen." Nicht also
ursprünglich als Feindin und Verheererin, sondern als
Säugamme und Nährerin der Wildbrut dachte man die
Eöttin 5. Auch war ihr wohl in gleichem Sinne Pfer-
dezucht anvertraut 6, und endlich die gedeihliche Auf-
nährung des jungen Menschenkindes selbst, in welcher
Funktion sie Korythallia 7, Kurotrophos, Philomeirax

1 Vgl. Paus. 8, 10, 4. -- Kallim. Art. 107. Elaphiaia
in Elis Paus. 6, 22, 5. Davon die Elaphebolia (Anecd. Bekk.
1. p.
249.) ein sehr weit verbreitet Fest (z. B. Plut. Virt. mul.
p.
267.). -- Das Symbol des Hirsches ging aber ziemlich auf alle
Artemisculte über; so hat Payne Knight eine alte Münze, wo die
Göttin selbst ein Hirschgeweih trägt, die er Delos zuschreibt.
2 Von Menschenopfern der Artemis am Fl. Ameilichos, die der
Dionysos-Aesymnetes Cult aufgehoben, zu Paträ, Paus. 7, 19, 1.
Menschenopfer der Artemis unfern Megalopolis, Tatian adv. Grae-
cos 1, 165 a.
3 Lombai. ai te Artemidi thusion arkhou-
sai apo tes kata ten paidian skeues. oi gar phaletes outo
kalountai. Hesych.
4 Agam. 144.
5 vgl. die Bildsäule
Paus. 5, 19, 2. Thremmata der Art. von Lusoi Polyb. 4, 18, 10.
6 Heurippa zu Pheneos, P. 8, 14, 4. ipposoa Pind. O. 3, 27.
vgl. Böckh Expl. P. 2, 8. p. 244. Daher öfter Art. (khrusenios)
auf Vasengemälden zu Wagen mit Pferden; bei Kall. Art. 110.
und in den Bsrliefs von Phigalia mit Hirschen.
7 an der
Tiassa bei Sparta, neben der Kleta. Athen. 4, p. 139.

mein 1. Eben ſo ſteht ſie Dionyſos nahe, und wird
in feuchten Niederungen haͤufig mit ihm verehrt 2
(Liber et Libera); ja ſie hat, wie dieſer, phalliſche Fe-
ſte 3. Dieſe ſegensreiche Quellgoͤttin nun iſt es wohl
auch, welche zunaͤchſt die Pflege des ſonſt ungepflegten
und doch ſo wohl gedeihenden Wildes uͤbernahm, und
darnach Vorſteherin der Jagd wurde — obgleich dies
letztere im Cultus gar kein ſo wichtiger Punkt war
als in der nachhomeriſchen Poëſie. Die Folge von
Ideen zeigt die Stelle des Aeſchylos 4: “Wohl will die
Schoͤne den zarten Sproſſen reißender Leun und aller
Thiere im Gefild bruſtliebenden Jungen.” Nicht alſo
urſpruͤnglich als Feindin und Verheererin, ſondern als
Saͤugamme und Naͤhrerin der Wildbrut dachte man die
Eoͤttin 5. Auch war ihr wohl in gleichem Sinne Pfer-
dezucht anvertraut 6, und endlich die gedeihliche Auf-
naͤhrung des jungen Menſchenkindes ſelbſt, in welcher
Funktion ſie Korythallia 7, Kurotrophos, Philomeirax

1 Vgl. Pauſ. 8, 10, 4. — Kallim. Art. 107. Ἐλαφιαία
in Elis Pauſ. 6, 22, 5. Davon die Ἐλαφηβόλια (Anecd. Bekk.
1. p.
249.) ein ſehr weit verbreitet Feſt (z. B. Plut. Virt. mul.
p.
267.). — Das Symbol des Hirſches ging aber ziemlich auf alle
Artemisculte uͤber; ſo hat Payne Knight eine alte Muͤnze, wo die
Goͤttin ſelbſt ein Hirſchgeweih traͤgt, die er Delos zuſchreibt.
2 Von Menſchenopfern der Artemis am Fl. Ameilichos, die der
Dionyſos-Aeſymnetes Cult aufgehoben, zu Patraͤ, Pauſ. 7, 19, 1.
Menſchenopfer der Artemis unfern Megalopolis, Tatian adv. Grae-
cos 1, 165 a.
3 Λόμβαι. αἱ τῇ Ἀϱτέμιδι ϑυσιῶν ἄϱχου-
σαι ἀπὸ τῆς κατὰ τὴν παιδιὰν σκευῆς. οἱ γὰϱ φάλητες οὕτω
καλοῦνται. Heſych.
4 Agam. 144.
5 vgl. die Bildſaͤule
Pauſ. 5, 19, 2. Θϱέμματα der Art. von Luſoi Polyb. 4, 18, 10.
6 Heurippa zu Pheneos, P. 8, 14, 4. ἱπποσόα Pind. O. 3, 27.
vgl. Boͤckh Expl. P. 2, 8. p. 244. Daher oͤfter Art. (χϱυσήνιος)
auf Vaſengemaͤlden zu Wagen mit Pferden; bei Kall. Art. 110.
und in den Bsrliefs von Phigalia mit Hirſchen.
7 an der
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[379/0409] mein 1. Eben ſo ſteht ſie Dionyſos nahe, und wird in feuchten Niederungen haͤufig mit ihm verehrt 2 (Liber et Libera); ja ſie hat, wie dieſer, phalliſche Fe- ſte 3. Dieſe ſegensreiche Quellgoͤttin nun iſt es wohl auch, welche zunaͤchſt die Pflege des ſonſt ungepflegten und doch ſo wohl gedeihenden Wildes uͤbernahm, und darnach Vorſteherin der Jagd wurde — obgleich dies letztere im Cultus gar kein ſo wichtiger Punkt war als in der nachhomeriſchen Poëſie. Die Folge von Ideen zeigt die Stelle des Aeſchylos 4: “Wohl will die Schoͤne den zarten Sproſſen reißender Leun und aller Thiere im Gefild bruſtliebenden Jungen.” Nicht alſo urſpruͤnglich als Feindin und Verheererin, ſondern als Saͤugamme und Naͤhrerin der Wildbrut dachte man die Eoͤttin 5. Auch war ihr wohl in gleichem Sinne Pfer- dezucht anvertraut 6, und endlich die gedeihliche Auf- naͤhrung des jungen Menſchenkindes ſelbſt, in welcher Funktion ſie Korythallia 7, Kurotrophos, Philomeirax 1 Vgl. Pauſ. 8, 10, 4. — Kallim. Art. 107. Ἐλαφιαία in Elis Pauſ. 6, 22, 5. Davon die Ἐλαφηβόλια (Anecd. Bekk. 1. p. 249.) ein ſehr weit verbreitet Feſt (z. B. Plut. Virt. mul. p. 267.). — Das Symbol des Hirſches ging aber ziemlich auf alle Artemisculte uͤber; ſo hat Payne Knight eine alte Muͤnze, wo die Goͤttin ſelbſt ein Hirſchgeweih traͤgt, die er Delos zuſchreibt. 2 Von Menſchenopfern der Artemis am Fl. Ameilichos, die der Dionyſos-Aeſymnetes Cult aufgehoben, zu Patraͤ, Pauſ. 7, 19, 1. Menſchenopfer der Artemis unfern Megalopolis, Tatian adv. Grae- cos 1, 165 a. 3 Λόμβαι. αἱ τῇ Ἀϱτέμιδι ϑυσιῶν ἄϱχου- σαι ἀπὸ τῆς κατὰ τὴν παιδιὰν σκευῆς. οἱ γὰϱ φάλητες οὕτω καλοῦνται. Heſych. 4 Agam. 144. 5 vgl. die Bildſaͤule Pauſ. 5, 19, 2. Θϱέμματα der Art. von Luſoi Polyb. 4, 18, 10. 6 Heurippa zu Pheneos, P. 8, 14, 4. ἱπποσόα Pind. O. 3, 27. vgl. Boͤckh Expl. P. 2, 8. p. 244. Daher oͤfter Art. (χϱυσήνιος) auf Vaſengemaͤlden zu Wagen mit Pferden; bei Kall. Art. 110. und in den Bsrliefs von Phigalia mit Hirſchen. 7 an der Tiaſſa bei Sparta, neben der Kleta. Athen. 4, p. 139.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/409>, abgerufen am 01.09.2024.