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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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Redeweise für viele. Auch die Gephyräer sollen da-
mals, gezehntet, von Theben nach Delphi geschickt
und so nach Athen gekommen sein 1. Nach den Per-
sischen Kriegen war lebhaft die Rede davon, diesen
mythischen Proceß mit den Thebäern zn wiederholen,
und ihre Feinde sahen sie noch später als gleichsam dem
Gotte schon gezehntet und geknechtet an 2.

Wollte nun aber oder konnte auch der Pythische
Gott die Menschenmenge, welche er auf diese Weise
bekommen hatte, nicht mehr in seinem Gebiete behal-
ten: so sandte er sie als Colonisten aus, ohne doch
seine Rechte auf sie dadurch ganz zu verlieren. Die
Anfänge der Griechischen Geschichte geben mehrere Bei-
spiele davon; das erste eine Dorische Sage von den
Dryopern; (sie selbst erzählten etwas verschieden):
Herakles, welcher hier als Dorischer Heros erscheint,
habe das Dryopervolk überwunden, und als Anathem
dem Apollon nach Delphi geführt, der ihm geboten
habe, ihnen die Südküste von Argolis zu Wohnsitzen
einzuräumen 3. Daß dies, wahrscheinlich Pelasgische,
Volk früher den Dorischen Gott nicht verehrte, ist aus
der Sage klar, nach welcher Leogoras der Dryoper das
Heiligthum desselben entehrte und schmähte 4: aber
eben so klar ist, daß sie ihm jetzt vor allen andern
Göttern dienen mußten, besonders dem Pythaeus von
Argos 5. Ein Theil derselben aber blieb bei Delphi

1 Apost. 7, 34. wo Argeion für Athenaion zu schr. vgl.
Suidas doru kerukeion. Bd. 1. S. 118.
2 Herod. 7, 132.
Xenoph. Hell. 6, 3. u. 5. elpis dekateuthenai to palai legome-
non Thebaious. Nicht etwa die Güter, sondern sie selbst.
3 S.
oben S. 42. N. 2. Etym. M. 154, 7.
4 Apolld. 2, 7, 7.
vgl. Diod. 4, 37.
5 Paus. 2, 35, 2. Ebd. Ap. Orios und
Platanistios. Vgl. über Dryoper als Apollsdiener Paus. 4, 34, 6.
Tz. Lyk. 480. Proh. Virg. G. 3, 7. Anton. Lih. 32. Etym. M.
II. 17

Redeweiſe fuͤr viele. Auch die Gephyraͤer ſollen da-
mals, gezehntet, von Theben nach Delphi geſchickt
und ſo nach Athen gekommen ſein 1. Nach den Per-
ſiſchen Kriegen war lebhaft die Rede davon, dieſen
mythiſchen Proceß mit den Thebaͤern zn wiederholen,
und ihre Feinde ſahen ſie noch ſpaͤter als gleichſam dem
Gotte ſchon gezehntet und geknechtet an 2.

Wollte nun aber oder konnte auch der Pythiſche
Gott die Menſchenmenge, welche er auf dieſe Weiſe
bekommen hatte, nicht mehr in ſeinem Gebiete behal-
ten: ſo ſandte er ſie als Coloniſten aus, ohne doch
ſeine Rechte auf ſie dadurch ganz zu verlieren. Die
Anfaͤnge der Griechiſchen Geſchichte geben mehrere Bei-
ſpiele davon; das erſte eine Doriſche Sage von den
Dryopern; (ſie ſelbſt erzaͤhlten etwas verſchieden):
Herakles, welcher hier als Doriſcher Heros erſcheint,
habe das Dryopervolk uͤberwunden, und als Anathem
dem Apollon nach Delphi gefuͤhrt, der ihm geboten
habe, ihnen die Suͤdkuͤſte von Argolis zu Wohnſitzen
einzuraͤumen 3. Daß dies, wahrſcheinlich Pelasgiſche,
Volk fruͤher den Doriſchen Gott nicht verehrte, iſt aus
der Sage klar, nach welcher Leogoras der Dryoper das
Heiligthum deſſelben entehrte und ſchmaͤhte 4: aber
eben ſo klar iſt, daß ſie ihm jetzt vor allen andern
Goͤttern dienen mußten, beſonders dem Pythaeus von
Argos 5. Ein Theil derſelben aber blieb bei Delphi

1 Apoſt. 7, 34. wo Ἀϱγεὶων fuͤr Ἀϑηναἰων zu ſchr. vgl.
Suidas δόϱυ κηϱυκεῖον. Bd. 1. S. 118.
2 Herod. 7, 132.
Xenoph. Hell. 6, 3. u. 5. ἐλπὶς δεκατευϑῆναι τὸ πάλαι λεγόμε-
νον Θηβαίους. Nicht etwa die Guͤter, ſondern ſie ſelbſt.
3 S.
oben S. 42. N. 2. Etym. M. 154, 7.
4 Apolld. 2, 7, 7.
vgl. Diod. 4, 37.
5 Pauſ. 2, 35, 2. Ebd. Ap. Ὅϱιος und
Πλατανίστιος. Vgl. uͤber Dryoper als Apollsdiener Pauſ. 4, 34, 6.
Tz. Lyk. 480. Proh. Virg. G. 3, 7. Anton. Lih. 32. Etym. M.
II. 17
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[257/0287] Redeweiſe fuͤr viele. Auch die Gephyraͤer ſollen da- mals, gezehntet, von Theben nach Delphi geſchickt und ſo nach Athen gekommen ſein 1. Nach den Per- ſiſchen Kriegen war lebhaft die Rede davon, dieſen mythiſchen Proceß mit den Thebaͤern zn wiederholen, und ihre Feinde ſahen ſie noch ſpaͤter als gleichſam dem Gotte ſchon gezehntet und geknechtet an 2. Wollte nun aber oder konnte auch der Pythiſche Gott die Menſchenmenge, welche er auf dieſe Weiſe bekommen hatte, nicht mehr in ſeinem Gebiete behal- ten: ſo ſandte er ſie als Coloniſten aus, ohne doch ſeine Rechte auf ſie dadurch ganz zu verlieren. Die Anfaͤnge der Griechiſchen Geſchichte geben mehrere Bei- ſpiele davon; das erſte eine Doriſche Sage von den Dryopern; (ſie ſelbſt erzaͤhlten etwas verſchieden): Herakles, welcher hier als Doriſcher Heros erſcheint, habe das Dryopervolk uͤberwunden, und als Anathem dem Apollon nach Delphi gefuͤhrt, der ihm geboten habe, ihnen die Suͤdkuͤſte von Argolis zu Wohnſitzen einzuraͤumen 3. Daß dies, wahrſcheinlich Pelasgiſche, Volk fruͤher den Doriſchen Gott nicht verehrte, iſt aus der Sage klar, nach welcher Leogoras der Dryoper das Heiligthum deſſelben entehrte und ſchmaͤhte 4: aber eben ſo klar iſt, daß ſie ihm jetzt vor allen andern Goͤttern dienen mußten, beſonders dem Pythaeus von Argos 5. Ein Theil derſelben aber blieb bei Delphi 1 Apoſt. 7, 34. wo Ἀϱγεὶων fuͤr Ἀϑηναἰων zu ſchr. vgl. Suidas δόϱυ κηϱυκεῖον. Bd. 1. S. 118. 2 Herod. 7, 132. Xenoph. Hell. 6, 3. u. 5. ἐλπὶς δεκατευϑῆναι τὸ πάλαι λεγόμε- νον Θηβαίους. Nicht etwa die Guͤter, ſondern ſie ſelbſt. 3 S. oben S. 42. N. 2. Etym. M. 154, 7. 4 Apolld. 2, 7, 7. vgl. Diod. 4, 37. 5 Pauſ. 2, 35, 2. Ebd. Ap. Ὅϱιος und Πλατανίστιος. Vgl. uͤber Dryoper als Apollsdiener Pauſ. 4, 34, 6. Tz. Lyk. 480. Proh. Virg. G. 3, 7. Anton. Lih. 32. Etym. M. II. 17

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/287>, abgerufen am 24.11.2024.