Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich habe bereits oben angedeutet, daß dieses Bedürf-
niß der Vereinigung in der natürlichen Ordnung der Dinge
zunehmen müsse in demselben Grade wie die Theilung der
Arbeit; daß je mehr die Kräfte des Menschen aus einander
treten, auch das Band derselben, oder der Staat um so
gewaltiger werden müsse. Alles dieses stellt sich den Sin-
nen dar in den Verrichtungen des Geldes: das Verlan-
gen nach dem Gelde ist ein bloßer unvollkommener Reprä-
sentant des höheren Verlangens nach der Vereinigung, nach
dem Staate; und es gilt unter allen tiefen Verwickelungen
des ökonomischen Lebens noch heut, daß, wer in dem Gelde
irgend etwas anders begehrt, als die bürgerliche Gesellschaft,
welche die Materie des Geldes nur symbolisch andeutet,
oder wer diese Materie an sich begehrt, nie befriedigt wer-
den könne. Daher habe ich an einem andern Orte gezeigt *),
wie das Geld eigentlich nichts anders sey, als die Eigen-
schaft der Geselligkeit, welche in größerem oder geringerem
Grade allen Dingen inwohne, und daß unter den Sachen,
besonders die edeln Metalle, unter den Personen aber noch
in viel vollkommnerer Gestalt der wahre Staatsmann diese
Eigenschaft an sich trage.

Wenn man also in neueren Zeiten die Sache so darge-
stellt, als sey ein Staatspapier ein bloßes Substitut der
Metalle, oder als könne ein Versprechen des Staates
die Metalle nur repräsentiren, und als sey selbiges ohne

*) Elemente der Staatskunst. II. III. Theil.

Ich habe bereits oben angedeutet, daß dieſes Beduͤrf-
niß der Vereinigung in der natuͤrlichen Ordnung der Dinge
zunehmen muͤſſe in demſelben Grade wie die Theilung der
Arbeit; daß je mehr die Kraͤfte des Menſchen aus einander
treten, auch das Band derſelben, oder der Staat um ſo
gewaltiger werden muͤſſe. Alles dieſes ſtellt ſich den Sin-
nen dar in den Verrichtungen des Geldes: das Verlan-
gen nach dem Gelde iſt ein bloßer unvollkommener Repraͤ-
ſentant des hoͤheren Verlangens nach der Vereinigung, nach
dem Staate; und es gilt unter allen tiefen Verwickelungen
des oͤkonomiſchen Lebens noch heut, daß, wer in dem Gelde
irgend etwas anders begehrt, als die buͤrgerliche Geſellſchaft,
welche die Materie des Geldes nur ſymboliſch andeutet,
oder wer dieſe Materie an ſich begehrt, nie befriedigt wer-
den koͤnne. Daher habe ich an einem andern Orte gezeigt *),
wie das Geld eigentlich nichts anders ſey, als die Eigen-
ſchaft der Geſelligkeit, welche in groͤßerem oder geringerem
Grade allen Dingen inwohne, und daß unter den Sachen,
beſonders die edeln Metalle, unter den Perſonen aber noch
in viel vollkommnerer Geſtalt der wahre Staatsmann dieſe
Eigenſchaft an ſich trage.

Wenn man alſo in neueren Zeiten die Sache ſo darge-
ſtellt, als ſey ein Staatspapier ein bloßes Subſtitut der
Metalle, oder als koͤnne ein Verſprechen des Staates
die Metalle nur repraͤſentiren, und als ſey ſelbiges ohne

*) Elemente der Staatskunſt. II. III. Theil.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0170" n="156"/>
          <p>Ich habe bereits oben angedeutet, daß die&#x017F;es Bedu&#x0364;rf-<lb/>
niß der Vereinigung in der natu&#x0364;rlichen Ordnung der Dinge<lb/>
zunehmen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e in dem&#x017F;elben Grade wie die Theilung der<lb/>
Arbeit; daß je mehr die Kra&#x0364;fte des Men&#x017F;chen aus einander<lb/>
treten, auch das Band der&#x017F;elben, oder der Staat um &#x017F;o<lb/>
gewaltiger werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Alles die&#x017F;es &#x017F;tellt &#x017F;ich den Sin-<lb/>
nen dar in den Verrichtungen des <hi rendition="#g">Geldes</hi>: das Verlan-<lb/>
gen nach dem Gelde i&#x017F;t ein bloßer unvollkommener Repra&#x0364;-<lb/>
&#x017F;entant des ho&#x0364;heren Verlangens nach der Vereinigung, nach<lb/>
dem Staate; und es gilt unter allen tiefen Verwickelungen<lb/>
des o&#x0364;konomi&#x017F;chen Lebens noch heut, daß, wer in dem Gelde<lb/>
irgend etwas anders begehrt, als die bu&#x0364;rgerliche Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft,<lb/>
welche die Materie des Geldes nur &#x017F;ymboli&#x017F;ch andeutet,<lb/>
oder wer die&#x017F;e Materie an &#x017F;ich begehrt, nie befriedigt wer-<lb/>
den ko&#x0364;nne. Daher habe ich an einem andern Orte gezeigt <note place="foot" n="*)">Elemente der Staatskun&#x017F;t. <hi rendition="#aq">II. III.</hi> Theil.</note>,<lb/>
wie das Geld eigentlich nichts anders &#x017F;ey, als die Eigen-<lb/>
&#x017F;chaft der Ge&#x017F;elligkeit, welche in gro&#x0364;ßerem oder geringerem<lb/>
Grade allen Dingen inwohne, und daß unter den Sachen,<lb/>
be&#x017F;onders die edeln Metalle, unter den Per&#x017F;onen aber noch<lb/>
in viel vollkommnerer Ge&#x017F;talt der wahre Staatsmann die&#x017F;e<lb/>
Eigen&#x017F;chaft an &#x017F;ich trage.</p><lb/>
          <p>Wenn man al&#x017F;o in neueren Zeiten die Sache &#x017F;o darge-<lb/>
&#x017F;tellt, als &#x017F;ey ein Staatspapier ein bloßes Sub&#x017F;titut der<lb/>
Metalle, oder als ko&#x0364;nne ein Ver&#x017F;prechen des Staates<lb/>
die Metalle nur repra&#x0364;&#x017F;entiren, und als &#x017F;ey &#x017F;elbiges ohne<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0170] Ich habe bereits oben angedeutet, daß dieſes Beduͤrf- niß der Vereinigung in der natuͤrlichen Ordnung der Dinge zunehmen muͤſſe in demſelben Grade wie die Theilung der Arbeit; daß je mehr die Kraͤfte des Menſchen aus einander treten, auch das Band derſelben, oder der Staat um ſo gewaltiger werden muͤſſe. Alles dieſes ſtellt ſich den Sin- nen dar in den Verrichtungen des Geldes: das Verlan- gen nach dem Gelde iſt ein bloßer unvollkommener Repraͤ- ſentant des hoͤheren Verlangens nach der Vereinigung, nach dem Staate; und es gilt unter allen tiefen Verwickelungen des oͤkonomiſchen Lebens noch heut, daß, wer in dem Gelde irgend etwas anders begehrt, als die buͤrgerliche Geſellſchaft, welche die Materie des Geldes nur ſymboliſch andeutet, oder wer dieſe Materie an ſich begehrt, nie befriedigt wer- den koͤnne. Daher habe ich an einem andern Orte gezeigt *), wie das Geld eigentlich nichts anders ſey, als die Eigen- ſchaft der Geſelligkeit, welche in groͤßerem oder geringerem Grade allen Dingen inwohne, und daß unter den Sachen, beſonders die edeln Metalle, unter den Perſonen aber noch in viel vollkommnerer Geſtalt der wahre Staatsmann dieſe Eigenſchaft an ſich trage. Wenn man alſo in neueren Zeiten die Sache ſo darge- ſtellt, als ſey ein Staatspapier ein bloßes Subſtitut der Metalle, oder als koͤnne ein Verſprechen des Staates die Metalle nur repraͤſentiren, und als ſey ſelbiges ohne *) Elemente der Staatskunſt. II. III. Theil.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/170
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/170>, abgerufen am 24.11.2024.