und Eigenthümliches überhaupt: vielmehr erhält nun erst das höchste Gut, erhalten nun erst mit ihm alle geringeren Güter eine bestimmte unveränderliche kanonische Form, nähm- lich einen bleibenden Zusammenhang; das Gesetz der Haus- haltung wird nun erst recht mächtig, da es auf der Idee der wahren Freyheit begründet wird; die Richtung aller Güter auf das mittlere höchste Gut bestimmt nun ihren Werth; die Bereitschaft jedes bestimmte Gut dem gerechten Verhältnisse zu den übrigen Gütern unterzuordnen, und es für das höchste Gut freudig aufzuopfern, erzeugt Sicherheit und Vertrauen, somit das Gefühl eines höheren Eigenthums; die Gewohnheit über den Schein der Consumtion und der Vergänglichkeit, über ein allgegenwärtiges Bild des Todes muthig hinweg zu steigen zu den Erzeugnissen des wesent- lichen Lebens, befestigt das Daseyn des Einzelnen in einer unendlich großen Gemeinschaft, in einer höheren Ordnung der Dinge.
Wir sehen im Mittelalter, nicht etwa nach Maaßgabe des Planes irgend eines Gesetzgebers, oder einzelnen Exekuto- ren des nunmehr kundgewordenen göttlichen und allernatür- lichsten Willens, sondern vielmehr durch ein wahrhaft repub- likanisches Zusammenwirken der Gläubigen, an tausend Stel- len, und unter den verschiedenartigsten Formen, Sitten und Sprachen, diese ganz neue und lebendige Ordnung der Dinge sich ausbilden: ich möchte sagen, wir sehen das Wort zum Fleische auch der Staaten werden. Die Verhältnisse des Einzelnen zu seinem Besitze, des Bürgers zum Mitbürger, des Individuums zu der Corporation oder Gemeinde, der
und Eigenthuͤmliches uͤberhaupt: vielmehr erhaͤlt nun erſt das hoͤchſte Gut, erhalten nun erſt mit ihm alle geringeren Guͤter eine beſtimmte unveraͤnderliche kanoniſche Form, naͤhm- lich einen bleibenden Zuſammenhang; das Geſetz der Haus- haltung wird nun erſt recht maͤchtig, da es auf der Idee der wahren Freyheit begruͤndet wird; die Richtung aller Guͤter auf das mittlere hoͤchſte Gut beſtimmt nun ihren Werth; die Bereitſchaft jedes beſtimmte Gut dem gerechten Verhaͤltniſſe zu den uͤbrigen Guͤtern unterzuordnen, und es fuͤr das hoͤchſte Gut freudig aufzuopfern, erzeugt Sicherheit und Vertrauen, ſomit das Gefuͤhl eines hoͤheren Eigenthums; die Gewohnheit uͤber den Schein der Conſumtion und der Vergaͤnglichkeit, uͤber ein allgegenwaͤrtiges Bild des Todes muthig hinweg zu ſteigen zu den Erzeugniſſen des weſent- lichen Lebens, befeſtigt das Daſeyn des Einzelnen in einer unendlich großen Gemeinſchaft, in einer hoͤheren Ordnung der Dinge.
Wir ſehen im Mittelalter, nicht etwa nach Maaßgabe des Planes irgend eines Geſetzgebers, oder einzelnen Exekuto- ren des nunmehr kundgewordenen goͤttlichen und allernatuͤr- lichſten Willens, ſondern vielmehr durch ein wahrhaft repub- likaniſches Zuſammenwirken der Glaͤubigen, an tauſend Stel- len, und unter den verſchiedenartigſten Formen, Sitten und Sprachen, dieſe ganz neue und lebendige Ordnung der Dinge ſich ausbilden: ich moͤchte ſagen, wir ſehen das Wort zum Fleiſche auch der Staaten werden. Die Verhaͤltniſſe des Einzelnen zu ſeinem Beſitze, des Buͤrgers zum Mitbuͤrger, des Individuums zu der Corporation oder Gemeinde, der
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und Eigenthuͤmliches uͤberhaupt: vielmehr erhaͤlt nun erſt
das hoͤchſte Gut, erhalten nun erſt mit ihm alle geringeren
Guͤter eine beſtimmte unveraͤnderliche kanoniſche Form, naͤhm-
lich einen bleibenden Zuſammenhang; das Geſetz der Haus-
haltung wird nun erſt recht maͤchtig, da es auf der Idee
der wahren Freyheit begruͤndet wird; die Richtung aller
Guͤter auf das mittlere hoͤchſte Gut beſtimmt nun ihren
Werth; die Bereitſchaft jedes beſtimmte Gut dem gerechten
Verhaͤltniſſe zu den uͤbrigen Guͤtern unterzuordnen, und es
fuͤr das hoͤchſte Gut freudig aufzuopfern, erzeugt Sicherheit
und Vertrauen, ſomit das Gefuͤhl eines hoͤheren Eigenthums;
die Gewohnheit uͤber den Schein der Conſumtion und der
Vergaͤnglichkeit, uͤber ein allgegenwaͤrtiges Bild des Todes
muthig hinweg zu ſteigen zu den Erzeugniſſen des weſent-
lichen Lebens, befeſtigt das Daſeyn des Einzelnen in einer
unendlich großen Gemeinſchaft, in einer hoͤheren Ordnung
der Dinge.
Wir ſehen im Mittelalter, nicht etwa nach Maaßgabe
des Planes irgend eines Geſetzgebers, oder einzelnen Exekuto-
ren des nunmehr kundgewordenen goͤttlichen und allernatuͤr-
lichſten Willens, ſondern vielmehr durch ein wahrhaft repub-
likaniſches Zuſammenwirken der Glaͤubigen, an tauſend Stel-
len, und unter den verſchiedenartigſten Formen, Sitten und
Sprachen, dieſe ganz neue und lebendige Ordnung der Dinge
ſich ausbilden: ich moͤchte ſagen, wir ſehen das Wort zum
Fleiſche auch der Staaten werden. Die Verhaͤltniſſe des
Einzelnen zu ſeinem Beſitze, des Buͤrgers zum Mitbuͤrger,
des Individuums zu der Corporation oder Gemeinde, der
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Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/106>, abgerufen am 24.11.2024.
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