Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Beziehung für ihn sein müsse. Dabei erinnerte er sich an den Marquis und sann darüber nach, was dieser wohl in der Erzählung des barmherzigen Bruders Ansprechendes und Rührendes gefunden haben könnte. In der Geschichte selbst kann es unmöglich gelegen haben, dachte er bei sich: die schien ihm anfangs vielmehr ein Aergerniß zu geben. Am Ende wird der Name Valencia die einzige Veranlassung seiner plötzlichen Gemüthsbewegung gewesen sein. Ich weiß, daß er nach dem Ausbruche der französischen Revolution mehrere Jahre in Valencia zugebracht hat, und sein Herz ist unbegreiflich reizbar für jede Berührung aus jener Periode seines Lebens. Ich will ihn nicht wieder an die Sache erinnern, vielleicht hat er sie schon vergessen. Fragt er aber noch einmal danach, so ist es besser, ich erzähle ihm, was der Professor mir mündlich davon mitgetheilt hat, als daß ich ihm die Geschichte in dieser poetischen Einkleidung vorlege, die ihn nur zu Spott und Schimpf auffordern kann. Auch versteht er die Sprache des Volks zu wenig, um allein damit fertig zu werden, und wenn ich es ihm übersetzen sollte, so zankten wir uns bei jedem Verse. Das seh' ich voraus, und darum will ich es zu vermeiden suchen. Die Lichter waren mittlerweile niedergebrannt, und Arthur eilte, sich bei dem letzten Aufflackern derselben zu entkleiden und sein Lager zu erreichen. Beziehung für ihn sein müsse. Dabei erinnerte er sich an den Marquis und sann darüber nach, was dieser wohl in der Erzählung des barmherzigen Bruders Ansprechendes und Rührendes gefunden haben könnte. In der Geschichte selbst kann es unmöglich gelegen haben, dachte er bei sich: die schien ihm anfangs vielmehr ein Aergerniß zu geben. Am Ende wird der Name Valencia die einzige Veranlassung seiner plötzlichen Gemüthsbewegung gewesen sein. Ich weiß, daß er nach dem Ausbruche der französischen Revolution mehrere Jahre in Valencia zugebracht hat, und sein Herz ist unbegreiflich reizbar für jede Berührung aus jener Periode seines Lebens. Ich will ihn nicht wieder an die Sache erinnern, vielleicht hat er sie schon vergessen. Fragt er aber noch einmal danach, so ist es besser, ich erzähle ihm, was der Professor mir mündlich davon mitgetheilt hat, als daß ich ihm die Geschichte in dieser poetischen Einkleidung vorlege, die ihn nur zu Spott und Schimpf auffordern kann. Auch versteht er die Sprache des Volks zu wenig, um allein damit fertig zu werden, und wenn ich es ihm übersetzen sollte, so zankten wir uns bei jedem Verse. Das seh' ich voraus, und darum will ich es zu vermeiden suchen. Die Lichter waren mittlerweile niedergebrannt, und Arthur eilte, sich bei dem letzten Aufflackern derselben zu entkleiden und sein Lager zu erreichen. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="9"> <p><pb facs="#f0073"/> Beziehung für ihn sein müsse. Dabei erinnerte er sich an den Marquis und sann darüber nach, was dieser wohl in der Erzählung des barmherzigen Bruders Ansprechendes und Rührendes gefunden haben könnte. In der Geschichte selbst kann es unmöglich gelegen haben, dachte er bei sich: die schien ihm anfangs vielmehr ein Aergerniß zu geben. Am Ende wird der Name Valencia die einzige Veranlassung seiner plötzlichen Gemüthsbewegung gewesen sein. Ich weiß, daß er nach dem Ausbruche der französischen Revolution mehrere Jahre in Valencia zugebracht hat, und sein Herz ist unbegreiflich reizbar für jede Berührung aus jener Periode seines Lebens. Ich will ihn nicht wieder an die Sache erinnern, vielleicht hat er sie schon vergessen. Fragt er aber noch einmal danach, so ist es besser, ich erzähle ihm, was der Professor mir mündlich davon mitgetheilt hat, als daß ich ihm die Geschichte in dieser poetischen Einkleidung vorlege, die ihn nur zu Spott und Schimpf auffordern kann. Auch versteht er die Sprache des Volks zu wenig, um allein damit fertig zu werden, und wenn ich es ihm übersetzen sollte, so zankten wir uns bei jedem Verse. Das seh' ich voraus, und darum will ich es zu vermeiden suchen.</p><lb/> <p>Die Lichter waren mittlerweile niedergebrannt, und Arthur eilte, sich bei dem letzten Aufflackern derselben zu entkleiden und sein Lager zu erreichen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0073]
Beziehung für ihn sein müsse. Dabei erinnerte er sich an den Marquis und sann darüber nach, was dieser wohl in der Erzählung des barmherzigen Bruders Ansprechendes und Rührendes gefunden haben könnte. In der Geschichte selbst kann es unmöglich gelegen haben, dachte er bei sich: die schien ihm anfangs vielmehr ein Aergerniß zu geben. Am Ende wird der Name Valencia die einzige Veranlassung seiner plötzlichen Gemüthsbewegung gewesen sein. Ich weiß, daß er nach dem Ausbruche der französischen Revolution mehrere Jahre in Valencia zugebracht hat, und sein Herz ist unbegreiflich reizbar für jede Berührung aus jener Periode seines Lebens. Ich will ihn nicht wieder an die Sache erinnern, vielleicht hat er sie schon vergessen. Fragt er aber noch einmal danach, so ist es besser, ich erzähle ihm, was der Professor mir mündlich davon mitgetheilt hat, als daß ich ihm die Geschichte in dieser poetischen Einkleidung vorlege, die ihn nur zu Spott und Schimpf auffordern kann. Auch versteht er die Sprache des Volks zu wenig, um allein damit fertig zu werden, und wenn ich es ihm übersetzen sollte, so zankten wir uns bei jedem Verse. Das seh' ich voraus, und darum will ich es zu vermeiden suchen.
Die Lichter waren mittlerweile niedergebrannt, und Arthur eilte, sich bei dem letzten Aufflackern derselben zu entkleiden und sein Lager zu erreichen.
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Zitationshilfe: | Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/73>, abgerufen am 16.07.2024. |