Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Wo sind die theuren Särch' und Mumien der Käyser?Ein wenig Stein und Grauß/ aus denen Echo rufft/ Sind von der Herrlichkeit und Sieges-Pracht geblieben/ Sonst hat Gebäu und Kunst der Zeiten Zahn zerrieben. Vergebens suchen wir allhier ein ewig Haus/ Und wer von Lastern stinckt/ was nutzt ihm balsamiren? Wie hoch wir auch die Thürm und Marmor-Seulen führen/ So lachet Neid und Zeit die Uberschrifften aus. Wol dem! auff dessen Grab ein solcher Satz zu lesen/ Der Mann ist Land und Stadt nütz und getreu gewesen. Mit diesem prangt dein Grab und nicht mit Eitelkeit/ Du wolverdienter Mann/ der du der Welt entzogen/ Und dessen edler Geist den Sternen zugeflogen/ Von der bedrängten Last deß Cörpers ist befreyt/ Dein gut Gerüchte wird dir bessern Schmuck aufstecken/ Als diesen/ der sonst pflegt die Gräber zu bedecken. Du edler Schweitzer du/ was faulen soll und muß/ Das legst du willig ab; doch nicht dein Angedencken Geht mit dir in die Grufft/ weil ihm der Nachruhm schencken Ein ewig Denckmal will/ du bist der Lethe Fluß/ Des Charons schwartzem Kahn durch Tugend längst entschwommen/ Und ans gelobte Land in sichern Hafen kommen. So ists; wo umb das Grab die Tugend wachen soll/ So muß sie sich zu erst umb unsre Wiege finden. Ein ungemeiner Trieb fing dich bald zu entzünden Jm zarten Frühling an; du wustest mehr als wol/ Daß da die kleine Welt/ der Mensch/ sich zu erbauen Muß auch die grosse Welt nichtüberhin anschauen. Das kluge Franckreich hat beblümet deinen May/ Der Sitten Hurtigkeit/ die höfflichen Geberden/ Die musten deiner Glut ein neuer Zunder werden. Du legtest am Verstand dir so viel Schätze bey/ Daß Sprach und Eigenschafft vom Casimir in Polen Dir ein geneigtes Ohr und Urtheil konten holen. Wie aber! führt uns nicht des starcken Himmels Hand? Offt der aus Westen kam/ der bleibt in Osten sitzen/ Den Mitternacht erzeugt/ den will der Mittag schützen. Mit kurtzem: Jeder Ort ist unser Vaterland. Auch du/ O Seeliger/ nach vielen Züg' und Reisen Must endlich Schlesien den Sitz der Wolfarth preisen. Dein
Leichen-Gedichte. Wo ſind die theuren Saͤrch’ und Mumien der Kaͤyſer?Ein wenig Stein und Grauß/ aus denen Echo rufft/ Sind von der Herꝛlichkeit und Sieges-Pracht geblieben/ Sonſt hat Gebaͤu und Kunſt der Zeiten Zahn zerrieben. Vergebens ſuchen wir allhier ein ewig Haus/ Und wer von Laſtern ſtinckt/ was nutzt ihm balſamiren? Wie hoch wir auch die Thuͤrm und Marmor-Seulen fuͤhren/ So lachet Neid und Zeit die Uberſchrifften aus. Wol dem! auff deſſen Grab ein ſolcher Satz zu leſen/ Der Mann iſt Land und Stadt nuͤtz und getreu geweſen. Mit dieſem prangt dein Grab und nicht mit Eitelkeit/ Du wolverdienter Mann/ der du der Welt entzogen/ Und deſſen edler Geiſt den Sternen zugeflogen/ Von der bedraͤngten Laſt deß Coͤrpers iſt befreyt/ Dein gut Geruͤchte wird dir beſſern Schmuck aufſtecken/ Als dieſen/ der ſonſt pflegt die Graͤber zu bedecken. Du edler Schweitzer du/ was faulen ſoll und muß/ Das legſt du willig ab; doch nicht dein Angedencken Geht mit dir in die Grufft/ weil ihm der Nachruhm ſchencken Ein ewig Denckmal will/ du biſt der Lethe Fluß/ Des Charons ſchwartzem Kahn durch Tugend laͤngſt entſchwom̃en/ Und ans gelobte Land in ſichern Hafen kommen. So iſts; wo umb das Grab die Tugend wachen ſoll/ So muß ſie ſich zu erſt umb unſre Wiege finden. Ein ungemeiner Trieb fing dich bald zu entzuͤnden Jm zarten Fruͤhling an; du wuſteſt mehr als wol/ Daß da die kleine Welt/ der Menſch/ ſich zu erbauen Muß auch die groſſe Welt nichtuͤberhin anſchauen. Das kluge Franckreich hat bebluͤmet deinen May/ Der Sitten Hurtigkeit/ die hoͤfflichen Geberden/ Die muſten deiner Glut ein neuer Zunder werden. Du legteſt am Verſtand dir ſo viel Schaͤtze bey/ Daß Sprach und Eigenſchafft vom Caſimir in Polen Dir ein geneigtes Ohr und Urtheil konten holen. Wie aber! fuͤhrt uns nicht des ſtarcken Himmels Hand? Offt der aus Weſten kam/ der bleibt in Oſten ſitzen/ Den Mitternacht erzeugt/ den will der Mittag ſchuͤtzen. Mit kurtzem: Jeder Ort iſt unſer Vaterland. Auch du/ O Seeliger/ nach vielen Zuͤg’ und Reiſen Muſt endlich Schleſien den Sitz der Wolfarth preiſen. Dein
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0645" n="413"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leichen-Gedichte.</hi> </fw><lb/> <l>Wo ſind die theuren Saͤrch’ und Mumien der Kaͤyſer?</l><lb/> <l>Ein wenig Stein und Grauß/ aus denen Echo rufft/</l><lb/> <l>Sind von der Herꝛlichkeit und Sieges-Pracht geblieben/</l><lb/> <l>Sonſt hat Gebaͤu und Kunſt der Zeiten Zahn zerrieben.</l><lb/> <l>Vergebens ſuchen wir allhier ein ewig Haus/</l><lb/> <l>Und wer von Laſtern ſtinckt/ was nutzt ihm balſamiren?</l><lb/> <l>Wie hoch wir auch die Thuͤrm und Marmor-Seulen fuͤhren/</l><lb/> <l>So lachet Neid und Zeit die Uberſchrifften aus.</l><lb/> <l>Wol dem! auff deſſen Grab ein ſolcher Satz zu leſen/</l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Der Mann iſt Land und Stadt nuͤtz und getreu geweſen.</hi> </l><lb/> <l>Mit dieſem prangt dein Grab und nicht mit Eitelkeit/</l><lb/> <l><hi rendition="#fr">Du wolverdienter Mann/</hi> der du der Welt entzogen/</l><lb/> <l>Und deſſen edler Geiſt den Sternen zugeflogen/</l><lb/> <l>Von der bedraͤngten Laſt deß Coͤrpers iſt befreyt/</l><lb/> <l>Dein gut Geruͤchte wird dir beſſern Schmuck aufſtecken/</l><lb/> <l>Als dieſen/ der ſonſt pflegt die Graͤber zu bedecken.</l><lb/> <l>Du edler Schweitzer du/ was faulen ſoll und muß/</l><lb/> <l>Das legſt du willig ab; doch nicht dein Angedencken</l><lb/> <l>Geht mit dir in die Grufft/ weil ihm der Nachruhm ſchencken</l><lb/> <l>Ein ewig Denckmal will/ du biſt der Lethe Fluß/</l><lb/> <l>Des Charons ſchwartzem Kahn durch Tugend laͤngſt entſchwom̃en/</l><lb/> <l>Und ans gelobte Land in ſichern Hafen kommen.</l><lb/> <l>So iſts; wo umb das Grab die Tugend wachen ſoll/</l><lb/> <l>So muß ſie ſich zu erſt umb unſre Wiege finden.</l><lb/> <l>Ein ungemeiner Trieb fing dich bald zu entzuͤnden</l><lb/> <l>Jm zarten Fruͤhling an; du wuſteſt mehr als wol/</l><lb/> <l>Daß da die kleine Welt/ der Menſch/ ſich zu erbauen</l><lb/> <l>Muß auch die groſſe Welt nichtuͤberhin anſchauen.</l><lb/> <l>Das kluge Franckreich hat bebluͤmet deinen May/</l><lb/> <l>Der Sitten Hurtigkeit/ die hoͤfflichen Geberden/</l><lb/> <l>Die muſten deiner Glut ein neuer Zunder werden.</l><lb/> <l>Du legteſt am Verſtand dir ſo viel Schaͤtze bey/</l><lb/> <l>Daß Sprach und Eigenſchafft vom Caſimir in Polen</l><lb/> <l>Dir ein geneigtes Ohr und Urtheil konten holen.</l><lb/> <l>Wie aber! fuͤhrt uns nicht des ſtarcken Himmels Hand?</l><lb/> <l>Offt der aus Weſten kam/ der bleibt in Oſten ſitzen/</l><lb/> <l>Den Mitternacht erzeugt/ den will der Mittag ſchuͤtzen.</l><lb/> <l>Mit kurtzem: Jeder Ort iſt unſer Vaterland.</l><lb/> <l>Auch du/ <hi rendition="#fr">O Seeliger/</hi> nach vielen Zuͤg’ und Reiſen</l><lb/> <l>Muſt endlich Schleſien den Sitz der Wolfarth preiſen.</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Dein</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [413/0645]
Leichen-Gedichte.
Wo ſind die theuren Saͤrch’ und Mumien der Kaͤyſer?
Ein wenig Stein und Grauß/ aus denen Echo rufft/
Sind von der Herꝛlichkeit und Sieges-Pracht geblieben/
Sonſt hat Gebaͤu und Kunſt der Zeiten Zahn zerrieben.
Vergebens ſuchen wir allhier ein ewig Haus/
Und wer von Laſtern ſtinckt/ was nutzt ihm balſamiren?
Wie hoch wir auch die Thuͤrm und Marmor-Seulen fuͤhren/
So lachet Neid und Zeit die Uberſchrifften aus.
Wol dem! auff deſſen Grab ein ſolcher Satz zu leſen/
Der Mann iſt Land und Stadt nuͤtz und getreu geweſen.
Mit dieſem prangt dein Grab und nicht mit Eitelkeit/
Du wolverdienter Mann/ der du der Welt entzogen/
Und deſſen edler Geiſt den Sternen zugeflogen/
Von der bedraͤngten Laſt deß Coͤrpers iſt befreyt/
Dein gut Geruͤchte wird dir beſſern Schmuck aufſtecken/
Als dieſen/ der ſonſt pflegt die Graͤber zu bedecken.
Du edler Schweitzer du/ was faulen ſoll und muß/
Das legſt du willig ab; doch nicht dein Angedencken
Geht mit dir in die Grufft/ weil ihm der Nachruhm ſchencken
Ein ewig Denckmal will/ du biſt der Lethe Fluß/
Des Charons ſchwartzem Kahn durch Tugend laͤngſt entſchwom̃en/
Und ans gelobte Land in ſichern Hafen kommen.
So iſts; wo umb das Grab die Tugend wachen ſoll/
So muß ſie ſich zu erſt umb unſre Wiege finden.
Ein ungemeiner Trieb fing dich bald zu entzuͤnden
Jm zarten Fruͤhling an; du wuſteſt mehr als wol/
Daß da die kleine Welt/ der Menſch/ ſich zu erbauen
Muß auch die groſſe Welt nichtuͤberhin anſchauen.
Das kluge Franckreich hat bebluͤmet deinen May/
Der Sitten Hurtigkeit/ die hoͤfflichen Geberden/
Die muſten deiner Glut ein neuer Zunder werden.
Du legteſt am Verſtand dir ſo viel Schaͤtze bey/
Daß Sprach und Eigenſchafft vom Caſimir in Polen
Dir ein geneigtes Ohr und Urtheil konten holen.
Wie aber! fuͤhrt uns nicht des ſtarcken Himmels Hand?
Offt der aus Weſten kam/ der bleibt in Oſten ſitzen/
Den Mitternacht erzeugt/ den will der Mittag ſchuͤtzen.
Mit kurtzem: Jeder Ort iſt unſer Vaterland.
Auch du/ O Seeliger/ nach vielen Zuͤg’ und Reiſen
Muſt endlich Schleſien den Sitz der Wolfarth preiſen.
Dein
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |