Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

Bild:
<< vorherige Seite
Leichen-Gedichte.
9.
Erwehn' ich denn die reine Liebe
Den Opffer-Tisch/ Vermählter Treu;
So fürcht ich/ daß es dienlich sey/
Zu ritzen auff die Seelen-Hiebe.
Gekränckte Frau von Angst und Weh/
Sie klagt nur daß das Band der Eh'/
So ewig schien/ so bald zerrissen
Und sie den besten Trost muß missen.
10.
Der Baum/ der Schatten ihr gegeben/
Der sie als wie ein Schirm bedeckt/
Der nichts als Anmuth ihr erweckt/
Bey dem sie wünschte stets zu leben/
Jhr Auffenthalt und Seelen-Ruh
Schleust itzt die müden Augen zu/
Verdorrt wie Zweige von den Linden/
Fällt ab wie Blätter von den Winden.
11.
Auff unerforschte Weg und Weise/
Geht über uns des Höchsten Schluß/
Nechst hieß ihn vieler Freunde Gruß
Willkommen von der fernen Reise;
Jtzt wird er in den Ort begleit't/
Von dannen in die Zeitlichkeit
Er kehret nimmermehr zurücke.
O herber Fall! O Trauer-Blicke!
12.
Jedoch Herr Peter von der Linden/
Wenn es des Schöpffers Stimme schafft/
Soll wieder neuen Safft und Krafft
Jn seines Baumes Wurtzel finden;
Sein Ehren-Lob und Name grünt/
Das uns zum Trost und Beyspiel dient/
Ja auch der Nach-Welt gibt zu lesen:
Wer Tugend liebt/ kan nicht verwesen.
Die
Leichen-Gedichte.
9.
Erwehn’ ich denn die reine Liebe
Den Opffer-Tiſch/ Vermaͤhlter Treu;
So fuͤrcht ich/ daß es dienlich ſey/
Zu ritzen auff die Seelen-Hiebe.
Gekraͤnckte Frau von Angſt und Weh/
Sie klagt nur daß das Band der Eh’/
So ewig ſchien/ ſo bald zerriſſen
Und ſie den beſten Troſt muß miſſen.
10.
Der Baum/ der Schatten ihr gegeben/
Der ſie als wie ein Schirm bedeckt/
Der nichts als Anmuth ihr erweckt/
Bey dem ſie wuͤnſchte ſtets zu leben/
Jhr Auffenthalt und Seelen-Ruh
Schleuſt itzt die muͤden Augen zu/
Verdorrt wie Zweige von den Linden/
Faͤllt ab wie Blaͤtter von den Winden.
11.
Auff unerforſchte Weg und Weiſe/
Geht uͤber uns des Hoͤchſten Schluß/
Nechſt hieß ihn vieler Freunde Gruß
Willkommen von der fernen Reiſe;
Jtzt wird er in den Ort begleit’t/
Von dannen in die Zeitlichkeit
Er kehret nimmermehr zuruͤcke.
O herber Fall! O Trauer-Blicke!
12.
Jedoch Herr Peter von der Linden/
Wenn es des Schoͤpffers Stimme ſchafft/
Soll wieder neuen Safft und Krafft
Jn ſeines Baumes Wurtzel finden;
Sein Ehren-Lob und Name gruͤnt/
Das uns zum Troſt und Beyſpiel dient/
Ja auch der Nach-Welt gibt zu leſen:
Wer Tugend liebt/ kan nicht verweſen.
Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0640" n="408"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leichen-Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <lg n="9">
            <head> <hi rendition="#c">9.</hi> </head><lb/>
            <l>Erwehn&#x2019; ich denn die reine Liebe</l><lb/>
            <l>Den Opffer-Ti&#x017F;ch/ Verma&#x0364;hlter Treu;</l><lb/>
            <l>So fu&#x0364;rcht ich/ daß es dienlich &#x017F;ey/</l><lb/>
            <l>Zu ritzen auff die Seelen-Hiebe.</l><lb/>
            <l><hi rendition="#fr">Gekra&#x0364;nckte Frau</hi> von Ang&#x017F;t und Weh/</l><lb/>
            <l>Sie klagt nur daß das Band der Eh&#x2019;/</l><lb/>
            <l>So ewig &#x017F;chien/ &#x017F;o bald zerri&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;ie den be&#x017F;ten Tro&#x017F;t muß mi&#x017F;&#x017F;en.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="10">
            <head> <hi rendition="#c">10.</hi> </head><lb/>
            <l>Der Baum/ der Schatten ihr gegeben/</l><lb/>
            <l>Der &#x017F;ie als wie ein Schirm bedeckt/</l><lb/>
            <l>Der nichts als Anmuth ihr erweckt/</l><lb/>
            <l>Bey dem &#x017F;ie wu&#x0364;n&#x017F;chte &#x017F;tets zu leben/</l><lb/>
            <l>Jhr Auffenthalt und Seelen-Ruh</l><lb/>
            <l>Schleu&#x017F;t itzt die mu&#x0364;den Augen zu/</l><lb/>
            <l>Verdorrt wie Zweige von den Linden/</l><lb/>
            <l>Fa&#x0364;llt ab wie Bla&#x0364;tter von den Winden.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="11">
            <head> <hi rendition="#c">11.</hi> </head><lb/>
            <l>Auff unerfor&#x017F;chte Weg und Wei&#x017F;e/</l><lb/>
            <l>Geht u&#x0364;ber uns des Ho&#x0364;ch&#x017F;ten Schluß/</l><lb/>
            <l>Nech&#x017F;t hieß ihn vieler Freunde Gruß</l><lb/>
            <l>Willkommen von der fernen Rei&#x017F;e;</l><lb/>
            <l>Jtzt wird er in den Ort begleit&#x2019;t/</l><lb/>
            <l>Von dannen in die Zeitlichkeit</l><lb/>
            <l>Er kehret nimmermehr zuru&#x0364;cke.</l><lb/>
            <l>O herber Fall! O Trauer-Blicke!</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="12">
            <head> <hi rendition="#c">12.</hi> </head><lb/>
            <l>Jedoch Herr <hi rendition="#fr">Peter</hi> von der <hi rendition="#fr">Linden/</hi></l><lb/>
            <l>Wenn es des Scho&#x0364;pffers Stimme &#x017F;chafft/</l><lb/>
            <l>Soll wieder neuen Safft und Krafft</l><lb/>
            <l>Jn &#x017F;eines Baumes Wurtzel finden;</l><lb/>
            <l>Sein Ehren-Lob und Name gru&#x0364;nt/</l><lb/>
            <l>Das uns zum Tro&#x017F;t und Bey&#x017F;piel dient/</l><lb/>
            <l>Ja auch der Nach-Welt gibt zu le&#x017F;en:</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Wer Tugend liebt/ kan nicht verwe&#x017F;en.</hi> </l>
          </lg>
        </lg><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[408/0640] Leichen-Gedichte. 9. Erwehn’ ich denn die reine Liebe Den Opffer-Tiſch/ Vermaͤhlter Treu; So fuͤrcht ich/ daß es dienlich ſey/ Zu ritzen auff die Seelen-Hiebe. Gekraͤnckte Frau von Angſt und Weh/ Sie klagt nur daß das Band der Eh’/ So ewig ſchien/ ſo bald zerriſſen Und ſie den beſten Troſt muß miſſen. 10. Der Baum/ der Schatten ihr gegeben/ Der ſie als wie ein Schirm bedeckt/ Der nichts als Anmuth ihr erweckt/ Bey dem ſie wuͤnſchte ſtets zu leben/ Jhr Auffenthalt und Seelen-Ruh Schleuſt itzt die muͤden Augen zu/ Verdorrt wie Zweige von den Linden/ Faͤllt ab wie Blaͤtter von den Winden. 11. Auff unerforſchte Weg und Weiſe/ Geht uͤber uns des Hoͤchſten Schluß/ Nechſt hieß ihn vieler Freunde Gruß Willkommen von der fernen Reiſe; Jtzt wird er in den Ort begleit’t/ Von dannen in die Zeitlichkeit Er kehret nimmermehr zuruͤcke. O herber Fall! O Trauer-Blicke! 12. Jedoch Herr Peter von der Linden/ Wenn es des Schoͤpffers Stimme ſchafft/ Soll wieder neuen Safft und Krafft Jn ſeines Baumes Wurtzel finden; Sein Ehren-Lob und Name gruͤnt/ Das uns zum Troſt und Beyſpiel dient/ Ja auch der Nach-Welt gibt zu leſen: Wer Tugend liebt/ kan nicht verweſen. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/640
Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/640>, abgerufen am 11.06.2024.