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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Sie ist der Fürsten Taffel-Hauß;
Das Dorff legt sein Gericht da aus:
Die Nymfen hägen umb sie Täntze
Und flechten aus den Blättern Kräntze.

5.
Und wird ihr laubicht Gipfelblühen
So steht sie gleichsam wie beschneyt;
Es prangt ihr weiß und grünes Kleid/
Und kan die Augen nach sich ziehen.
Der Pomerantzen theures Oel/
Und der Jesminen Geist und Seel/
Mag uns nicht so viel Lieblich keiten
Als diese Blüthe zubereiten.
6.
Ach aber/ wer sieht sonder Grauen/
Wenn offt in unvermerckter Eil/
Ein unverschämt und kühnes Beil
Den Linden-Stamm hat umgehauen!
Es führt der Vögel Melodey/
Nichts als ein kläglich Angst-Geschrey/
Die Fichte schwanckt/ die Eichen knallen
Weil ihre Nachbarin gefallen.
7.
Gewiß vom bangen Jammer-Klagen/
Erschallt Herrn Burckarts gantzes Haus
Nun Hertz-Betrübtste von euch aus/
Wird Schatz und Eydam ausgetragen.
Der gleich den Linden hat gegrünt/
Wie Blüthe nutzbarlich gedient/
Muß auch wie die erblasten Linden
Sein Grab so früh' in Breßlau finden.
8.
Sein Lebens-Baum stund voller Früchte/
Sein Wachsthum war nur GOtt geweyht/
Witz/ Tugend/ Treu und Redlichkeit/
Ein gleiches Hertz und gleich Gesichte;
Ach seltnes Kleinod dieser Welt!
Behielten stets bey ihm das Feld/
So daß an Peter von der Linden
Nichts als Auffrichtigkeit zufinden.
9. Erwehn'
Cccc 4

Leichen-Gedichte.
Sie iſt der Fuͤrſten Taffel-Hauß;
Das Dorff legt ſein Gericht da aus:
Die Nymfen haͤgen umb ſie Taͤntze
Und flechten aus den Blaͤttern Kraͤntze.

5.
Und wird ihr laubicht Gipfelbluͤhen
So ſteht ſie gleichſam wie beſchneyt;
Es prangt ihr weiß und gruͤnes Kleid/
Und kan die Augen nach ſich ziehen.
Der Pomerantzen theures Oel/
Und der Jeſminen Geiſt und Seel/
Mag uns nicht ſo viel Lieblich keiten
Als dieſe Bluͤthe zubereiten.
6.
Ach aber/ wer ſieht ſonder Grauen/
Wenn offt in unvermerckter Eil/
Ein unverſchaͤmt und kuͤhnes Beil
Den Linden-Stamm hat umgehauen!
Es fuͤhrt der Voͤgel Melodey/
Nichts als ein klaͤglich Angſt-Geſchrey/
Die Fichte ſchwanckt/ die Eichen knallen
Weil ihre Nachbarin gefallen.
7.
Gewiß vom bangen Jammer-Klagen/
Erſchallt Herrn Burckarts gantzes Haus
Nun Hertz-Betruͤbtſte von euch aus/
Wird Schatz und Eydam ausgetragen.
Der gleich den Linden hat gegruͤnt/
Wie Bluͤthe nutzbarlich gedient/
Muß auch wie die erblaſten Linden
Sein Grab ſo fruͤh’ in Breßlau finden.
8.
Sein Lebens-Baum ſtund voller Fruͤchte/
Sein Wachsthum war nur GOtt geweyht/
Witz/ Tugend/ Treu und Redlichkeit/
Ein gleiches Hertz und gleich Geſichte;
Ach ſeltnes Kleinod dieſer Welt!
Behielten ſtets bey ihm das Feld/
So daß an Peter von der Linden
Nichts als Auffrichtigkeit zufinden.
9. Erwehn’
Cccc 4
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[407/0639] Leichen-Gedichte. Sie iſt der Fuͤrſten Taffel-Hauß; Das Dorff legt ſein Gericht da aus: Die Nymfen haͤgen umb ſie Taͤntze Und flechten aus den Blaͤttern Kraͤntze. 5. Und wird ihr laubicht Gipfelbluͤhen So ſteht ſie gleichſam wie beſchneyt; Es prangt ihr weiß und gruͤnes Kleid/ Und kan die Augen nach ſich ziehen. Der Pomerantzen theures Oel/ Und der Jeſminen Geiſt und Seel/ Mag uns nicht ſo viel Lieblich keiten Als dieſe Bluͤthe zubereiten. 6. Ach aber/ wer ſieht ſonder Grauen/ Wenn offt in unvermerckter Eil/ Ein unverſchaͤmt und kuͤhnes Beil Den Linden-Stamm hat umgehauen! Es fuͤhrt der Voͤgel Melodey/ Nichts als ein klaͤglich Angſt-Geſchrey/ Die Fichte ſchwanckt/ die Eichen knallen Weil ihre Nachbarin gefallen. 7. Gewiß vom bangen Jammer-Klagen/ Erſchallt Herrn Burckarts gantzes Haus Nun Hertz-Betruͤbtſte von euch aus/ Wird Schatz und Eydam ausgetragen. Der gleich den Linden hat gegruͤnt/ Wie Bluͤthe nutzbarlich gedient/ Muß auch wie die erblaſten Linden Sein Grab ſo fruͤh’ in Breßlau finden. 8. Sein Lebens-Baum ſtund voller Fruͤchte/ Sein Wachsthum war nur GOtt geweyht/ Witz/ Tugend/ Treu und Redlichkeit/ Ein gleiches Hertz und gleich Geſichte; Ach ſeltnes Kleinod dieſer Welt! Behielten ſtets bey ihm das Feld/ So daß an Peter von der Linden Nichts als Auffrichtigkeit zufinden. 9. Erwehn’ Cccc 4

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/639>, abgerufen am 24.07.2024.