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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte
Alleine sollen wir denn deiner Treu vergessen/
Der Teutschen Redligkeit/ die ohne Falsch und Schein?
Man lasse Faul' und Würm den Rest der Glieder fressen/
Die Tugend/ Seeliger/ ziert deinen Leichen-Stein.
Wie vielen hast du nicht von Hertzen gern gedienet?
Wie vielen stirbst du nicht/ ach leyder/ allzu früh?
Es hat dein Wolfarths-Baum den Freunden stets gegrünet/
Und sie genossen mit von deinem Schweiß und Müh.
Dein Mund war nicht gewohnt die Reden zu ambriren/
Die Laster musten nur bey dir stets Laster seyn/
Und Tugend bliebst du hold; du liest dich nicht verführen/
Kein Heuchler wiegte dich durch seine Boßheit ein.
Wie schmertzlich wird dich nicht die Compagnie betrauren?
Wie seufftzt das Armuth nicht nach deiner milden Hand?
Wie ruffen Freunde nicht? Soll der nicht länger tauren/
Der uns sein gantzes Hertz und Seele zugewandt?
Wird das bestürtzte Hauß sich auch zu friede geben?
Wie Manches Förderung und Wolfarth fällt dahin!
Ach daß Herr Flaschner soll nicht immer bey uns leben!
Ach daß er muß so bald zu den Verbliechnen ziehn!
Wiewol/ O Seeliger/ du läst dich nicht mehr halten
Dein eintziges Gewerb ist jetzt die Ewigkeit.
So schleust du den Bilanc. Es mag nun schallt- und walten
Wen noch mit ihrem Gut die schone Welt erfreut.
Wo aber bleibt dein Schatz? wird eines auffgenommen/
Und muß das andere noch allhier verlassen stehn?
Heist denn die Thränen-See/ in der ihr Hertz geschwommen/
Und auch des Schwähers Wunsch dich nicht zurücke gehn?
Nein/ hochbetrübtste Frau/ der Schluß ist nicht zu hemmen/
Vergebens macht sie sich durch Harm und Kummer bleich;
Sie muß den Thränen-Strom nur durch Gedult zutämmen/
Jhr Friedrich lebet nun in jenem Frieden-Reich.
Bey Beerdigung Fr. M. V. g. W. den 27.
Jenner 1679.
WAs soll/ Ehrwürdiger, die Poesi hier nützen/
So ein ergrimmter Schmertz schlägt Kunst und Weiß-
heit aus;

Wenn diese Wetter dräun und die Cometen blitzen/
So ist von Angst und Noth erfüllt das gantze Hauß.
Und
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Leichen-Gedichte
Alleine ſollen wir denn deiner Treu vergeſſen/
Der Teutſchen Redligkeit/ die ohne Falſch und Schein?
Man laſſe Faul’ und Wuͤrm den Reſt der Glieder freſſen/
Die Tugend/ Seeliger/ ziert deinen Leichen-Stein.
Wie vielen haſt du nicht von Hertzen gern gedienet?
Wie vielen ſtirbſt du nicht/ ach leyder/ allzu fruͤh?
Es hat dein Wolfarths-Baum den Freunden ſtets gegruͤnet/
Und ſie genoſſen mit von deinem Schweiß und Muͤh.
Dein Mund war nicht gewohnt die Reden zu ambriren/
Die Laſter muſten nur bey dir ſtets Laſter ſeyn/
Und Tugend bliebſt du hold; du lieſt dich nicht verfuͤhren/
Kein Heuchler wiegte dich durch ſeine Boßheit ein.
Wie ſchmertzlich wird dich nicht die Compagnie betrauren?
Wie ſeufftzt das Armuth nicht nach deiner milden Hand?
Wie ruffen Freunde nicht? Soll der nicht laͤnger tauren/
Der uns ſein gantzes Hertz und Seele zugewandt?
Wird das beſtuͤrtzte Hauß ſich auch zu friede geben?
Wie Manches Foͤrderung und Wolfarth faͤllt dahin!
Ach daß Herr Flaſchner ſoll nicht immer bey uns leben!
Ach daß er muß ſo bald zu den Verbliechnen ziehn!
Wiewol/ O Seeliger/ du laͤſt dich nicht mehr halten
Dein eintziges Gewerb iſt jetzt die Ewigkeit.
So ſchleuſt du den Bilanc. Es mag nun ſchallt- und walten
Wen noch mit ihrem Gut die ſchone Welt erfreut.
Wo aber bleibt dein Schatz? wird eines auffgenommen/
Und muß das andere noch allhier verlaſſen ſtehn?
Heiſt denn die Thraͤnen-See/ in der ihr Hertz geſchwommen/
Und auch des Schwaͤhers Wunſch dich nicht zuruͤcke gehn?
Nein/ hochbetruͤbtſte Frau/ der Schluß iſt nicht zu hemmen/
Vergebens macht ſie ſich durch Harm und Kummer bleich;
Sie muß den Thraͤnen-Strom nur durch Gedult zutaͤmmen/
Jhr Friedrich lebet nun in jenem Frieden-Reich.
Bey Beerdigung Fr. M. V. g. W. den 27.
Jenner 1679.
WAs ſoll/ Ehrwuͤrdiger, die Poeſi hier nuͤtzen/
So ein ergrim̃ter Schmertz ſchlaͤgt Kunſt und Weiß-
heit aus;

Wenn dieſe Wetter draͤun und die Cometen blitzen/
So iſt von Angſt und Noth erfuͤllt das gantze Hauß.
Und
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[377/0609] Leichen-Gedichte Alleine ſollen wir denn deiner Treu vergeſſen/ Der Teutſchen Redligkeit/ die ohne Falſch und Schein? Man laſſe Faul’ und Wuͤrm den Reſt der Glieder freſſen/ Die Tugend/ Seeliger/ ziert deinen Leichen-Stein. Wie vielen haſt du nicht von Hertzen gern gedienet? Wie vielen ſtirbſt du nicht/ ach leyder/ allzu fruͤh? Es hat dein Wolfarths-Baum den Freunden ſtets gegruͤnet/ Und ſie genoſſen mit von deinem Schweiß und Muͤh. Dein Mund war nicht gewohnt die Reden zu ambriren/ Die Laſter muſten nur bey dir ſtets Laſter ſeyn/ Und Tugend bliebſt du hold; du lieſt dich nicht verfuͤhren/ Kein Heuchler wiegte dich durch ſeine Boßheit ein. Wie ſchmertzlich wird dich nicht die Compagnie betrauren? Wie ſeufftzt das Armuth nicht nach deiner milden Hand? Wie ruffen Freunde nicht? Soll der nicht laͤnger tauren/ Der uns ſein gantzes Hertz und Seele zugewandt? Wird das beſtuͤrtzte Hauß ſich auch zu friede geben? Wie Manches Foͤrderung und Wolfarth faͤllt dahin! Ach daß Herr Flaſchner ſoll nicht immer bey uns leben! Ach daß er muß ſo bald zu den Verbliechnen ziehn! Wiewol/ O Seeliger/ du laͤſt dich nicht mehr halten Dein eintziges Gewerb iſt jetzt die Ewigkeit. So ſchleuſt du den Bilanc. Es mag nun ſchallt- und walten Wen noch mit ihrem Gut die ſchone Welt erfreut. Wo aber bleibt dein Schatz? wird eines auffgenommen/ Und muß das andere noch allhier verlaſſen ſtehn? Heiſt denn die Thraͤnen-See/ in der ihr Hertz geſchwommen/ Und auch des Schwaͤhers Wunſch dich nicht zuruͤcke gehn? Nein/ hochbetruͤbtſte Frau/ der Schluß iſt nicht zu hemmen/ Vergebens macht ſie ſich durch Harm und Kummer bleich; Sie muß den Thraͤnen-Strom nur durch Gedult zutaͤmmen/ Jhr Friedrich lebet nun in jenem Frieden-Reich. Bey Beerdigung Fr. M. V. g. W. den 27. Jenner 1679. WAs ſoll/ Ehrwuͤrdiger, die Poeſi hier nuͤtzen/ So ein ergrim̃ter Schmertz ſchlaͤgt Kunſt und Weiß- heit aus; Wenn dieſe Wetter draͤun und die Cometen blitzen/ So iſt von Angſt und Noth erfuͤllt das gantze Hauß. Und Aaaa 5

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/609>, abgerufen am 22.11.2024.