Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

Bild:
<< vorherige Seite
Leichen-Gedichte.
Die jetzund hochbetrübt mit kläglichem Gesichte
Der Mutter stimmen an das letzte Leich-Geschrey.
So kan die äußre Schal ihr inn'res Marck nicht decken/
Als sie mit ihrer Treu die Kinder stets bewacht.
So tieff kan nicht ein Kern in seinen Fächern stecken/
Als sie vor sie gesorgt bey Tag und auch bey Nacht.
Nun diese Mutter stirbt/ gleich wie Granaten reissen
Wenn reiffe Fruchtbarkeit die mürbe Schale bricht:
Da jetzt pflegt jeder Baum die Aepffel abzuschmeissen/
So segnet sie anjetzt das göldne Sonnen-Licht.
Ein Gärtner sieht erblast mit Zittern und mit Zagen/
Wenn ihm der Norden-Wind hat einen Baum gestürtzt.
Der Themis wahrer Ruhm/ und soltest du nicht klagen/
Nun deinem Eh Gemahl der Tod das Leben kürtzt:
Was kan wol schmertzlicher hier auff der Welt erscheinen?
Dergleichen Seelen-Rieß hat dich noch nicht gebeugt.
Das Winseln und das Schreyn der unerzognen Kleinen
Macht/ daß dir fast der Quell deß Lebens gantz verseugt.
Alleine/ werthster Freund/ wo eintzig Trost verhanden/
So reicht ihn selbst dein Schatz durch ihre Gaben dar.
Deß Hertzens Zittern stillt der Syrup von Margranden/
Es stille doch dein Leid ihr Ehren-volle Bahr!
Entgeht sie dir schon früh/ so wird doch ihre Tugend
Der allerbeste Safft den Schmertz zu kühlen seyn.
Welckt wie Granaten-Blüt auch ihre frische Jugend/
Deß Todes blasser Herbst reist alles Blumwerck ein.
Der Höchste segne nur die hinterlaßne Zweige/
Daß sie Granaten gleich auffwachsen mit der Zeit!
Und daß/ Geehrter Freund/ sich so dein Hertz erzeige/
Daß es zu trauren weiß/ und hegt nicht ewig Leid.
Trauer-Ode/
Bey Beerdigung Fr. H. H. g. S.
den 11. Novembr. 1676.
1.
JM Ehren-Schnee der grauen Haare/
Du Cron der Frauen/ Zier der Stadt/
Legstu dich auch hin auff die Bahre/
Deß jammer vollen Lebens satt?
Wohl
Leichen-Gedichte.
Die jetzund hochbetruͤbt mit klaͤglichem Geſichte
Der Mutter ſtimmen an das letzte Leich-Geſchrey.
So kan die aͤußre Schal ihr inn’res Marck nicht decken/
Als ſie mit ihrer Treu die Kinder ſtets bewacht.
So tieff kan nicht ein Kern in ſeinen Faͤchern ſtecken/
Als ſie vor ſie geſorgt bey Tag und auch bey Nacht.
Nun dieſe Mutter ſtirbt/ gleich wie Granaten reiſſen
Wenn reiffe Fruchtbarkeit die muͤrbe Schale bricht:
Da jetzt pflegt jeder Baum die Aepffel abzuſchmeiſſen/
So ſegnet ſie anjetzt das goͤldne Sonnen-Licht.
Ein Gaͤrtner ſieht erblaſt mit Zittern und mit Zagen/
Wenn ihm der Norden-Wind hat einen Baum geſtuͤrtzt.
Der Themis wahrer Ruhm/ und ſolteſt du nicht klagen/
Nun deinem Eh Gemahl der Tod das Leben kuͤrtzt:
Was kan wol ſchmertzlicher hier auff der Welt erſcheinen?
Dergleichen Seelen-Rieß hat dich noch nicht gebeugt.
Das Winſeln und das Schreyn der unerzognen Kleinen
Macht/ daß dir faſt der Quell deß Lebens gantz verſeugt.
Alleine/ werthſter Freund/ wo eintzig Troſt verhanden/
So reicht ihn ſelbſt dein Schatz durch ihre Gaben dar.
Deß Hertzens Zittern ſtillt der Syrup von Margranden/
Es ſtille doch dein Leid ihr Ehren-volle Bahr!
Entgeht ſie dir ſchon fruͤh/ ſo wird doch ihre Tugend
Der allerbeſte Safft den Schmertz zu kuͤhlen ſeyn.
Welckt wie Granaten-Bluͤt auch ihre friſche Jugend/
Deß Todes blaſſer Herbſt reiſt alles Blumwerck ein.
Der Hoͤchſte ſegne nur die hinterlaßne Zweige/
Daß ſie Granaten gleich auffwachſen mit der Zeit!
Und daß/ Geehrter Freund/ ſich ſo dein Hertz erzeige/
Daß es zu trauren weiß/ und hegt nicht ewig Leid.
Trauer-Ode/
Bey Beerdigung Fr. H. H. g. S.
den 11. Novembr. 1676.
1.
JM Ehren-Schnee der grauen Haare/
Du Cron der Frauen/ Zier der Stadt/
Legſtu dich auch hin auff die Bahre/
Deß jammer vollen Lebens ſatt?
Wohl
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0504" n="272"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leichen-Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <l>Die jetzund hochbetru&#x0364;bt mit kla&#x0364;glichem Ge&#x017F;ichte</l><lb/>
          <l>Der Mutter &#x017F;timmen an das letzte Leich-<hi rendition="#fr">G</hi>e&#x017F;chrey.</l><lb/>
          <l>So kan die a&#x0364;ußre Schal ihr inn&#x2019;res Marck nicht decken/</l><lb/>
          <l>Als &#x017F;ie mit ihrer Treu die Kinder &#x017F;tets bewacht.</l><lb/>
          <l>So tieff kan nicht ein Kern in &#x017F;einen Fa&#x0364;chern &#x017F;tecken/</l><lb/>
          <l>Als &#x017F;ie vor &#x017F;ie ge&#x017F;orgt bey Tag und auch bey Nacht.</l><lb/>
          <l>Nun die&#x017F;e Mutter &#x017F;tirbt/ gleich wie <hi rendition="#fr">G</hi>ranaten rei&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
          <l>Wenn reiffe Fruchtbarkeit die mu&#x0364;rbe Schale bricht:</l><lb/>
          <l>Da jetzt pflegt jeder Baum die Aepffel abzu&#x017F;chmei&#x017F;&#x017F;en/</l><lb/>
          <l>So &#x017F;egnet &#x017F;ie anjetzt das go&#x0364;ldne Sonnen-Licht.</l><lb/>
          <l>Ein Ga&#x0364;rtner &#x017F;ieht erbla&#x017F;t mit Zittern und mit Zagen/</l><lb/>
          <l>Wenn ihm der Norden-Wind hat einen Baum ge&#x017F;tu&#x0364;rtzt.</l><lb/>
          <l><hi rendition="#fr">Der Themis wahrer Ruhm/</hi> und &#x017F;olte&#x017F;t du nicht klagen/</l><lb/>
          <l>Nun deinem Eh Gemahl der Tod das Leben ku&#x0364;rtzt:</l><lb/>
          <l>Was kan wol &#x017F;chmertzlicher hier auff der Welt er&#x017F;cheinen?</l><lb/>
          <l>Dergleichen Seelen-Rieß hat dich noch nicht gebeugt.</l><lb/>
          <l>Das Win&#x017F;eln und das Schreyn der unerzognen Kleinen</l><lb/>
          <l>Macht/ daß dir fa&#x017F;t der Quell deß Lebens gantz ver&#x017F;eugt.</l><lb/>
          <l>Alleine/ <hi rendition="#fr">werth&#x017F;ter Freund/</hi> wo eintzig Tro&#x017F;t verhanden/</l><lb/>
          <l>So reicht ihn &#x017F;elb&#x017F;t dein Schatz durch ihre Gaben dar.</l><lb/>
          <l>Deß Hertzens Zittern &#x017F;tillt der Syrup von Margranden/</l><lb/>
          <l>Es &#x017F;tille doch dein Leid ihr Ehren-volle Bahr!</l><lb/>
          <l>Entgeht &#x017F;ie dir &#x017F;chon fru&#x0364;h/ &#x017F;o wird doch ihre Tugend</l><lb/>
          <l>Der allerbe&#x017F;te Safft den Schmertz zu ku&#x0364;hlen &#x017F;eyn.</l><lb/>
          <l>Welckt wie Granaten-Blu&#x0364;t auch ihre fri&#x017F;che Jugend/</l><lb/>
          <l>Deß Todes bla&#x017F;&#x017F;er Herb&#x017F;t rei&#x017F;t alles Blumwerck ein.</l><lb/>
          <l>Der Ho&#x0364;ch&#x017F;te &#x017F;egne nur die hinterlaßne Zweige/</l><lb/>
          <l>Daß &#x017F;ie Granaten gleich auffwach&#x017F;en mit der Zeit!</l><lb/>
          <l>Und daß/ <hi rendition="#fr">Geehrter Freund/</hi> &#x017F;ich &#x017F;o dein Hertz erzeige/</l><lb/>
          <l>Daß es zu trauren weiß/ und hegt nicht ewig Leid.</l>
        </lg><lb/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#c">Trauer-Ode/<lb/><hi rendition="#fr">Bey Beerdigung Fr. H. H. g. S.</hi><lb/>
den 11. Novembr. 1676.</hi> </head><lb/>
          <lg n="1">
            <head> <hi rendition="#c">1.</hi> </head><lb/>
            <l><hi rendition="#in">J</hi>M Ehren-Schnee der grauen Haare/</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Du Cron der Frauen/ Zier der Stadt/</hi> </l><lb/>
            <l>Leg&#x017F;tu dich auch hin auff die Bahre/</l><lb/>
            <l>Deß jammer vollen Lebens &#x017F;att?</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Wohl</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[272/0504] Leichen-Gedichte. Die jetzund hochbetruͤbt mit klaͤglichem Geſichte Der Mutter ſtimmen an das letzte Leich-Geſchrey. So kan die aͤußre Schal ihr inn’res Marck nicht decken/ Als ſie mit ihrer Treu die Kinder ſtets bewacht. So tieff kan nicht ein Kern in ſeinen Faͤchern ſtecken/ Als ſie vor ſie geſorgt bey Tag und auch bey Nacht. Nun dieſe Mutter ſtirbt/ gleich wie Granaten reiſſen Wenn reiffe Fruchtbarkeit die muͤrbe Schale bricht: Da jetzt pflegt jeder Baum die Aepffel abzuſchmeiſſen/ So ſegnet ſie anjetzt das goͤldne Sonnen-Licht. Ein Gaͤrtner ſieht erblaſt mit Zittern und mit Zagen/ Wenn ihm der Norden-Wind hat einen Baum geſtuͤrtzt. Der Themis wahrer Ruhm/ und ſolteſt du nicht klagen/ Nun deinem Eh Gemahl der Tod das Leben kuͤrtzt: Was kan wol ſchmertzlicher hier auff der Welt erſcheinen? Dergleichen Seelen-Rieß hat dich noch nicht gebeugt. Das Winſeln und das Schreyn der unerzognen Kleinen Macht/ daß dir faſt der Quell deß Lebens gantz verſeugt. Alleine/ werthſter Freund/ wo eintzig Troſt verhanden/ So reicht ihn ſelbſt dein Schatz durch ihre Gaben dar. Deß Hertzens Zittern ſtillt der Syrup von Margranden/ Es ſtille doch dein Leid ihr Ehren-volle Bahr! Entgeht ſie dir ſchon fruͤh/ ſo wird doch ihre Tugend Der allerbeſte Safft den Schmertz zu kuͤhlen ſeyn. Welckt wie Granaten-Bluͤt auch ihre friſche Jugend/ Deß Todes blaſſer Herbſt reiſt alles Blumwerck ein. Der Hoͤchſte ſegne nur die hinterlaßne Zweige/ Daß ſie Granaten gleich auffwachſen mit der Zeit! Und daß/ Geehrter Freund/ ſich ſo dein Hertz erzeige/ Daß es zu trauren weiß/ und hegt nicht ewig Leid. Trauer-Ode/ Bey Beerdigung Fr. H. H. g. S. den 11. Novembr. 1676. 1. JM Ehren-Schnee der grauen Haare/ Du Cron der Frauen/ Zier der Stadt/ Legſtu dich auch hin auff die Bahre/ Deß jammer vollen Lebens ſatt? Wohl

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/504
Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/504>, abgerufen am 22.11.2024.