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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Weit aber herrlicher/ weit über die Jesminen
Entseelte Frölichin stieg deiner Tugend Ruch.
Du kontest unser Stadt zu einem Beyspiel dienen/
Ach aber allzufrüh deckt dich das Leichen-Tuch!
So war nicht unser Wunsch/ wir hofften dich zusehen/
Du liebens-werthe Seel als eine schöne Braut.
Wie flüchtig ist es doch umb Menschen bald geschehen/
Die man des Morgens blühn des Abends sterben schaut:
Allein die Keuschheit selbst in einem weissen Kleide/
Will nechst der Gottes Furcht bey deiner Leiche stehn.
Und Zucht und Frömmigkeit flicht einen Krantz von Seide/
Dem keine Lilge kan an Klarheit gleiche gehn.
Sind die Jesminen nicht der Menschen ihr Ergetzen/
Wenn von deß Sommers Pracht sonst aller Zierath fällt?
Gewiß man konte dich für eine Krone schätzen/
Zu der die Tugenden sich wesentlich gesellt.
Dein Antlitz war ein May/ die sittsamen Geberden/
Die holde Freundligkeit ein reitzender Magnet.
Diß ist erbarmnüß werth/ daß Jungfern Asche werden/
Wenn ihrer Anmuth Strahl im höchsten Glantz aufgeht.
Wiewol du Seelige von tausend Ungewittern
Der Angst-erfüllten Welt kommst in die sichre Ruh/
Du darffst ob keinem Sturm der Zeiten mehr erzittern/
Der Höchste decket dich mit seineu Flügeln zu.
Du siehst nun hocherfreut/ den deine Seele liebet/
Und dessen Mundes Kuß dir Heil und Leben schenckt/
Liegst in deß Lammes Schoß/ und was dich vor betrübet/
Wird mit der Glieder Rest zugleich ins Grab gesenckt.
Wie prächtig leuchten nicht die grünen Lorber-Kronen/
So deinen Scheitel nun als Himmels Braut erhöhn?
Vor sah stu Menschen nur/ itzt Engel umb dich wohnen/
Und kanst als Nachbarin vor Gottes Stuhle stehn.
Last andere Sterblichen ihr Braut-Gewand erheben/
Das offt ein Kummer-Nest vergälter Sorgen heist.
Den jenen Ehren-Rock/ den JEsus dir wird geben/
Versichert/ daß er mehr als Diamanten gleist.
Du hast mit Ruhm gelebt/ du bist mit Ruhm gestorben/
Verblaste Frölichin/ itzt wirstu recht erfreut.
Dein Wolverhalten hat dir so ein Lob erworben/
Daß auch nicht schelten kan/ der alles schilt/ der Neid.
Ruh
Leichen-Gedichte.
Weit aber herꝛlicher/ weit uͤber die Jeſminen
Entſeelte Froͤlichin ſtieg deiner Tugend Ruch.
Du konteſt unſer Stadt zu einem Beyſpiel dienen/
Ach aber allzufruͤh deckt dich das Leichen-Tuch!
So war nicht unſer Wunſch/ wir hofften dich zuſehen/
Du liebens-werthe Seel als eine ſchoͤne Braut.
Wie fluͤchtig iſt es doch umb Menſchen bald geſchehen/
Die man des Morgens bluͤhn des Abends ſterben ſchaut:
Allein die Keuſchheit ſelbſt in einem weiſſen Kleide/
Will nechſt der Gottes Furcht bey deiner Leiche ſtehn.
Und Zucht und Froͤm̃igkeit flicht einen Krantz von Seide/
Dem keine Lilge kan an Klarheit gleiche gehn.
Sind die Jeſminen nicht der Menſchen ihr Ergetzen/
Wenn von deß Sommers Pracht ſonſt aller Zierath faͤllt?
Gewiß man konte dich fuͤr eine Krone ſchaͤtzen/
Zu der die Tugenden ſich weſentlich geſellt.
Dein Antlitz war ein May/ die ſittſamen Geberden/
Die holde Freundligkeit ein reitzender Magnet.
Diß iſt erbarmnuͤß werth/ daß Jungfern Aſche werden/
Wenn ihrer Anmuth Strahl im hoͤchſten Glantz aufgeht.
Wiewol du Seelige von tauſend Ungewittern
Der Angſt-erfuͤllten Welt kommſt in die ſichre Ruh/
Du darffſt ob keinem Sturm der Zeiten mehr erzittern/
Der Hoͤchſte decket dich mit ſeineu Fluͤgeln zu.
Du ſiehſt nun hocherfreut/ den deine Seele liebet/
Und deſſen Mundes Kuß dir Heil und Leben ſchenckt/
Liegſt in deß Lammes Schoß/ und was dich vor betruͤbet/
Wird mit der Glieder Reſt zugleich ins Grab geſenckt.
Wie praͤchtig leuchten nicht die gruͤnen Lorber-Kronen/
So deinen Scheitel nun als Himmels Braut erhoͤhn?
Vor ſah ſtu Menſchen nur/ itzt Engel umb dich wohnen/
Und kanſt als Nachbarin vor Gottes Stuhle ſtehn.
Laſt andere Sterblichen ihr Braut-Gewand erheben/
Das offt ein Kummer-Neſt vergaͤlter Sorgen heiſt.
Den jenen Ehren-Rock/ den JEſus dir wird geben/
Verſichert/ daß er mehr als Diamanten gleiſt.
Du haſt mit Ruhm gelebt/ du biſt mit Ruhm geſtorben/
Verblaſte Froͤlichin/ itzt wirſtu recht erfreut.
Dein Wolverhalten hat dir ſo ein Lob erworben/
Daß auch nicht ſchelten kan/ der alles ſchilt/ der Neid.
Ruh
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[268/0500] Leichen-Gedichte. Weit aber herꝛlicher/ weit uͤber die Jeſminen Entſeelte Froͤlichin ſtieg deiner Tugend Ruch. Du konteſt unſer Stadt zu einem Beyſpiel dienen/ Ach aber allzufruͤh deckt dich das Leichen-Tuch! So war nicht unſer Wunſch/ wir hofften dich zuſehen/ Du liebens-werthe Seel als eine ſchoͤne Braut. Wie fluͤchtig iſt es doch umb Menſchen bald geſchehen/ Die man des Morgens bluͤhn des Abends ſterben ſchaut: Allein die Keuſchheit ſelbſt in einem weiſſen Kleide/ Will nechſt der Gottes Furcht bey deiner Leiche ſtehn. Und Zucht und Froͤm̃igkeit flicht einen Krantz von Seide/ Dem keine Lilge kan an Klarheit gleiche gehn. Sind die Jeſminen nicht der Menſchen ihr Ergetzen/ Wenn von deß Sommers Pracht ſonſt aller Zierath faͤllt? Gewiß man konte dich fuͤr eine Krone ſchaͤtzen/ Zu der die Tugenden ſich weſentlich geſellt. Dein Antlitz war ein May/ die ſittſamen Geberden/ Die holde Freundligkeit ein reitzender Magnet. Diß iſt erbarmnuͤß werth/ daß Jungfern Aſche werden/ Wenn ihrer Anmuth Strahl im hoͤchſten Glantz aufgeht. Wiewol du Seelige von tauſend Ungewittern Der Angſt-erfuͤllten Welt kommſt in die ſichre Ruh/ Du darffſt ob keinem Sturm der Zeiten mehr erzittern/ Der Hoͤchſte decket dich mit ſeineu Fluͤgeln zu. Du ſiehſt nun hocherfreut/ den deine Seele liebet/ Und deſſen Mundes Kuß dir Heil und Leben ſchenckt/ Liegſt in deß Lammes Schoß/ und was dich vor betruͤbet/ Wird mit der Glieder Reſt zugleich ins Grab geſenckt. Wie praͤchtig leuchten nicht die gruͤnen Lorber-Kronen/ So deinen Scheitel nun als Himmels Braut erhoͤhn? Vor ſah ſtu Menſchen nur/ itzt Engel umb dich wohnen/ Und kanſt als Nachbarin vor Gottes Stuhle ſtehn. Laſt andere Sterblichen ihr Braut-Gewand erheben/ Das offt ein Kummer-Neſt vergaͤlter Sorgen heiſt. Den jenen Ehren-Rock/ den JEſus dir wird geben/ Verſichert/ daß er mehr als Diamanten gleiſt. Du haſt mit Ruhm gelebt/ du biſt mit Ruhm geſtorben/ Verblaſte Froͤlichin/ itzt wirſtu recht erfreut. Dein Wolverhalten hat dir ſo ein Lob erworben/ Daß auch nicht ſchelten kan/ der alles ſchilt/ der Neid. Ruh

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/500>, abgerufen am 24.07.2024.