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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Ja gern ihr auch den Weg zu selbem wollen bähnen/
Wenn nicht ihr Christenthum was heilsamers gesagt.
Es sey das Morgenland in diesem Wahn ersoffen/
Das bey der Männer Leich auch ihre Weiber brennt;
Es steh der Porcia die Brust durch Dolchen offen/
Die Treu der Arria werd' auß der Kohl' erkennt;
So ists ein Aberwitz der rasenden Gemüther/
Theils die der Schmertz erhitzt/ theils Ehrgeitz angeflammt!
Was sucht ihr toller Sinn? nichts als des Ruhmes Güter/
Krafft welcher sie zugleich mit Leib und Seel verdammt.
Ach Frau von Assigin hat anders was erwehlet/
Und Gottes Finger schrieb ihr tieff ins Hertz hinein:
Daß Seelen/ so allhier in Frieden sind vermählet/
Jn Freuden wieder dort im Himmel solten seyn/
Denn stund ihr Hoffen nur und feuriges Verlangen
Zufolgen ihrem Schatz/ zu ruhen in der Grufft.
Jtzt hat sie hohen Lohn für ihre Treu empfangen/
Sie schläffet neben ihm biß ihr der Höchste rufft.
Betrübtste die ihr sie an Mutterstatt geehret/
Und auß verwandtem Blut biß in das Grab geliebt/
Frolockt der Seeligen/ sie ist vergnügt erhöret/
Nun GOtt ihr ihren Schatz und auch den Himmel gibt.
Gestreute Jeßminen auf das Grab/
Jungf. A. R. F. den 25. Septembr. 1676.
JCh lieffre deinem Grab wolriechende Jesminen/
Du werthe Frölichin/ der Jungfern Cron und Zier;
Derselben reiner Ruhm soll deiner Leiche dienen/
Du Bild der Reinligkeit/ der Keuschheit ihr Saffier.
Was aber meld ich vor? Der Eltern heisse Thränen
Und wie ein blutig Strom auß ihren Augen rinn't?
Ein unauffhörlich ach! und ein unendlich sehnen!
Und was ihr Hertzen Schmertz auß herber Angst beginnt?
Wie/ oder klag ich dich/ der Jugend Morgen-Röthe
Das in dem ersten Schein dein lichter Purpur bricht?
Nein/ selbst die Gratien die stimmen meine Flöte/
Und sagen unser Ruhm verdient ein Traur-Gedicht.
Ja
Leichen-Gedichte.
Ja gern ihr auch den Weg zu ſelbem wollen baͤhnen/
Wenn nicht ihr Chriſtenthum was heilſamers geſagt.
Es ſey das Morgenland in dieſem Wahn erſoffen/
Das bey der Maͤnner Leich auch ihre Weiber brennt;
Es ſteh der Porcia die Bruſt durch Dolchen offen/
Die Treu der Arria werd’ auß der Kohl’ erkennt;
So iſts ein Aberwitz der raſenden Gemuͤther/
Theils die der Schmertz erhitzt/ theils Ehrgeitz angeflammt!
Was ſucht ihr toller Sinn? nichts als des Ruhmes Guͤter/
Krafft welcher ſie zugleich mit Leib und Seel verdammt.
Ach Frau von Aſſigin hat anders was erwehlet/
Und Gottes Finger ſchrieb ihr tieff ins Hertz hinein:
Daß Seelen/ ſo allhier in Frieden ſind vermaͤhlet/
Jn Freuden wieder dort im Himmel ſolten ſeyn/
Denn ſtund ihr Hoffen nur und feuriges Verlangen
Zufolgen ihrem Schatz/ zu ruhen in der Grufft.
Jtzt hat ſie hohen Lohn fuͤr ihre Treu empfangen/
Sie ſchlaͤffet neben ihm biß ihr der Hoͤchſte rufft.
Betruͤbtſte die ihr ſie an Mutterſtatt geehret/
Und auß verwandtem Blut biß in das Grab geliebt/
Frolockt der Seeligen/ ſie iſt vergnuͤgt erhoͤret/
Nun GOtt ihr ihren Schatz und auch den Himmel gibt.
Geſtreute Jeßminen auf das Grab/
Jungf. A. R. F. den 25. Septembr. 1676.
JCh lieffre deinem Grab wolriechende Jeſminen/
Du werthe Froͤlichin/ der Jungfern Cron und Zier;
Derſelben reiner Ruhm ſoll deiner Leiche dienen/
Du Bild der Reinligkeit/ der Keuſchheit ihr Saffier.
Was aber meld ich vor? Der Eltern heiſſe Thraͤnen
Und wie ein blutig Strom auß ihren Augen rinn’t?
Ein unauffhoͤrlich ach! und ein unendlich ſehnen!
Und was ihr Hertzen Schmertz auß herber Angſt beginnt?
Wie/ oder klag ich dich/ der Jugend Morgen-Roͤthe
Das in dem erſten Schein dein lichter Purpur bricht?
Nein/ ſelbſt die Gratien die ſtimmen meine Floͤte/
Und ſagen unſer Ruhm verdient ein Traur-Gedicht.
Ja
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[266/0498] Leichen-Gedichte. Ja gern ihr auch den Weg zu ſelbem wollen baͤhnen/ Wenn nicht ihr Chriſtenthum was heilſamers geſagt. Es ſey das Morgenland in dieſem Wahn erſoffen/ Das bey der Maͤnner Leich auch ihre Weiber brennt; Es ſteh der Porcia die Bruſt durch Dolchen offen/ Die Treu der Arria werd’ auß der Kohl’ erkennt; So iſts ein Aberwitz der raſenden Gemuͤther/ Theils die der Schmertz erhitzt/ theils Ehrgeitz angeflammt! Was ſucht ihr toller Sinn? nichts als des Ruhmes Guͤter/ Krafft welcher ſie zugleich mit Leib und Seel verdammt. Ach Frau von Aſſigin hat anders was erwehlet/ Und Gottes Finger ſchrieb ihr tieff ins Hertz hinein: Daß Seelen/ ſo allhier in Frieden ſind vermaͤhlet/ Jn Freuden wieder dort im Himmel ſolten ſeyn/ Denn ſtund ihr Hoffen nur und feuriges Verlangen Zufolgen ihrem Schatz/ zu ruhen in der Grufft. Jtzt hat ſie hohen Lohn fuͤr ihre Treu empfangen/ Sie ſchlaͤffet neben ihm biß ihr der Hoͤchſte rufft. Betruͤbtſte die ihr ſie an Mutterſtatt geehret/ Und auß verwandtem Blut biß in das Grab geliebt/ Frolockt der Seeligen/ ſie iſt vergnuͤgt erhoͤret/ Nun GOtt ihr ihren Schatz und auch den Himmel gibt. Geſtreute Jeßminen auf das Grab/ Jungf. A. R. F. den 25. Septembr. 1676. JCh lieffre deinem Grab wolriechende Jeſminen/ Du werthe Froͤlichin/ der Jungfern Cron und Zier; Derſelben reiner Ruhm ſoll deiner Leiche dienen/ Du Bild der Reinligkeit/ der Keuſchheit ihr Saffier. Was aber meld ich vor? Der Eltern heiſſe Thraͤnen Und wie ein blutig Strom auß ihren Augen rinn’t? Ein unauffhoͤrlich ach! und ein unendlich ſehnen! Und was ihr Hertzen Schmertz auß herber Angſt beginnt? Wie/ oder klag ich dich/ der Jugend Morgen-Roͤthe Das in dem erſten Schein dein lichter Purpur bricht? Nein/ ſelbſt die Gratien die ſtimmen meine Floͤte/ Und ſagen unſer Ruhm verdient ein Traur-Gedicht. Ja

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/498>, abgerufen am 22.11.2024.