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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Als daß ihr Faden nur zugleich sey abgeschnitten/
Und eine Stunde sie auß diesem Leben schickt.
Ja meint man/ daß nicht auch bey seinem Schmertz und Jammer/
Als Herr von Assig satt deß eiteln Lebens war/
Er seinem Schatz gerufft: Fleuch Freundin in die Cammer/
Verbirg dich/ Freundin fleuch/ hier ist nichts als Gefahr.
Die beste Ruhestatt ist nur im Sarg zu finden/
Ein Haus voll Sicherheit bereitet uns das Grab.
Beseufftze nicht so sehr mein seeliges Entbinden/
Jch wünsche/ daß ich dich bald zur Gefertin hab.
Und wohl! es ist geschehn. Die ewig-treuen Flammen/
Jn welchen jederzeit der Seel'gen Hertz gebrannt/
Verleschet nicht der Tod er bringt sie mehr zusammen/
Daß ihrer Liebe Licht werd' auch im Grab erkand.
Die unverruckte Treu/ das Tugend-volle Leben/
Der Sitten Freundligkeit entfernt von Gleißnerey/
Die haben ihrer Eh' das Zeugnüß längst gegeben/
Wie sie ein Paradieß vollkommner Liebe sey.
Denn obwol dieser Schmertz unmöglich zuergründen/
Wenn zweyer Seelen Band der grimme Tod zerreist.
So konte doch ihr Sinn sich willig darein finden/
Sie wuste/ daß es GOtt beschlossen/ und auch heist.
Umbsonst weist Seneca Paulinens treue Seele
Auff seines Lebens Ruhm in Tugenden vollbracht.
Jhr Eh-Schatz wiese sie zu dessen Wunden-Höle/
Der für das Heil der Welt am Creutze hat geschmacht.
Paulinen hat allein die Ehrsucht angezündet/
Daß ein gesellter Tod ihr gebe Ruhm und Licht.
Nein/ unßre Seelige hat auf den Fels gegründet/
Der uns deß Himmels Bau/ und nicht die Welt verspricht.
Zu dem/ Herr Assigs Ruhm war ihre schönste Leuchte/
Dem längst das Vaterland sich hoch verbunden weiß.
Sie wuste/ daß sein Lob biß an die Sternen reichte
Er selbst unsterblich war durch seiner Dienste Preiß.
So girrt in Wäldern nicht die ärmste Turtel-Taube/
Wenn itzt deß Falcken List den Eh-Genossen greifft/
So sehnlich sieht sie nicht nach dem gestolnen Raube/
Wenn sein behender Flug die freye Lufft durch streifft.
Als unsre Seelige mit unerschöpfften Thränen
Deß Liebsten Grab benetzt/ den herben Tod beklagt.
Ja
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Leichen-Gedichte.
Als daß ihr Faden nur zugleich ſey abgeſchnitten/
Und eine Stunde ſie auß dieſem Leben ſchickt.
Ja meint man/ daß nicht auch bey ſeinem Schmertz und Jammer/
Als Herr von Aſſig ſatt deß eiteln Lebens war/
Er ſeinem Schatz gerufft: Fleuch Freundin in die Cammer/
Verbirg dich/ Freundin fleuch/ hier iſt nichts als Gefahr.
Die beſte Ruheſtatt iſt nur im Sarg zu finden/
Ein Haus voll Sicherheit bereitet uns das Grab.
Beſeufftze nicht ſo ſehr mein ſeeliges Entbinden/
Jch wuͤnſche/ daß ich dich bald zur Gefertin hab.
Und wohl! es iſt geſchehn. Die ewig-treuen Flammen/
Jn welchen jederzeit der Seel’gen Hertz gebrannt/
Verleſchet nicht der Tod er bringt ſie mehr zuſammen/
Daß ihrer Liebe Licht werd’ auch im Grab erkand.
Die unverruckte Treu/ das Tugend-volle Leben/
Der Sitten Freundligkeit entfernt von Gleißnerey/
Die haben ihrer Eh’ das Zeugnuͤß laͤngſt gegeben/
Wie ſie ein Paradieß vollkommner Liebe ſey.
Denn obwol dieſer Schmertz unmoͤglich zuergruͤnden/
Wenn zweyer Seelen Band der grimme Tod zerreiſt.
So konte doch ihr Sinn ſich willig darein finden/
Sie wuſte/ daß es GOtt beſchloſſen/ und auch heiſt.
Umbſonſt weiſt Seneca Paulinens treue Seele
Auff ſeines Lebens Ruhm in Tugenden vollbracht.
Jhr Eh-Schatz wieſe ſie zu deſſen Wunden-Hoͤle/
Der fuͤr das Heil der Welt am Creutze hat geſchmacht.
Paulinen hat allein die Ehrſucht angezuͤndet/
Daß ein geſellter Tod ihr gebe Ruhm und Licht.
Nein/ unßre Seelige hat auf den Fels gegruͤndet/
Der uns deß Himmels Bau/ und nicht die Welt verſpricht.
Zu dem/ Herr Aſſigs Ruhm war ihre ſchoͤnſte Leuchte/
Dem laͤngſt das Vaterland ſich hoch verbunden weiß.
Sie wuſte/ daß ſein Lob biß an die Sternen reichte
Er ſelbſt unſterblich war durch ſeiner Dienſte Preiß.
So girrt in Waͤldern nicht die aͤrmſte Turtel-Taube/
Wenn itzt deß Falcken Liſt den Eh-Genoſſen greifft/
So ſehnlich ſieht ſie nicht nach dem geſtolnen Raube/
Wenn ſein behender Flug die freye Lufft durch ſtreifft.
Als unſre Seelige mit unerſchoͤpfften Thraͤnen
Deß Liebſten Grab benetzt/ den herben Tod beklagt.
Ja
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[265/0497] Leichen-Gedichte. Als daß ihr Faden nur zugleich ſey abgeſchnitten/ Und eine Stunde ſie auß dieſem Leben ſchickt. Ja meint man/ daß nicht auch bey ſeinem Schmertz und Jammer/ Als Herr von Aſſig ſatt deß eiteln Lebens war/ Er ſeinem Schatz gerufft: Fleuch Freundin in die Cammer/ Verbirg dich/ Freundin fleuch/ hier iſt nichts als Gefahr. Die beſte Ruheſtatt iſt nur im Sarg zu finden/ Ein Haus voll Sicherheit bereitet uns das Grab. Beſeufftze nicht ſo ſehr mein ſeeliges Entbinden/ Jch wuͤnſche/ daß ich dich bald zur Gefertin hab. Und wohl! es iſt geſchehn. Die ewig-treuen Flammen/ Jn welchen jederzeit der Seel’gen Hertz gebrannt/ Verleſchet nicht der Tod er bringt ſie mehr zuſammen/ Daß ihrer Liebe Licht werd’ auch im Grab erkand. Die unverruckte Treu/ das Tugend-volle Leben/ Der Sitten Freundligkeit entfernt von Gleißnerey/ Die haben ihrer Eh’ das Zeugnuͤß laͤngſt gegeben/ Wie ſie ein Paradieß vollkommner Liebe ſey. Denn obwol dieſer Schmertz unmoͤglich zuergruͤnden/ Wenn zweyer Seelen Band der grimme Tod zerreiſt. So konte doch ihr Sinn ſich willig darein finden/ Sie wuſte/ daß es GOtt beſchloſſen/ und auch heiſt. Umbſonſt weiſt Seneca Paulinens treue Seele Auff ſeines Lebens Ruhm in Tugenden vollbracht. Jhr Eh-Schatz wieſe ſie zu deſſen Wunden-Hoͤle/ Der fuͤr das Heil der Welt am Creutze hat geſchmacht. Paulinen hat allein die Ehrſucht angezuͤndet/ Daß ein geſellter Tod ihr gebe Ruhm und Licht. Nein/ unßre Seelige hat auf den Fels gegruͤndet/ Der uns deß Himmels Bau/ und nicht die Welt verſpricht. Zu dem/ Herr Aſſigs Ruhm war ihre ſchoͤnſte Leuchte/ Dem laͤngſt das Vaterland ſich hoch verbunden weiß. Sie wuſte/ daß ſein Lob biß an die Sternen reichte Er ſelbſt unſterblich war durch ſeiner Dienſte Preiß. So girrt in Waͤldern nicht die aͤrmſte Turtel-Taube/ Wenn itzt deß Falcken Liſt den Eh-Genoſſen greifft/ So ſehnlich ſieht ſie nicht nach dem geſtolnen Raube/ Wenn ſein behender Flug die freye Lufft durch ſtreifft. Als unſre Seelige mit unerſchoͤpfften Thraͤnen Deß Liebſten Grab benetzt/ den herben Tod beklagt. Ja R r r 5

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/497>, abgerufen am 22.11.2024.