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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Schuldiges Mitleiden
Uber das Absterben Hn. A. v. A. u. S. S. V.
den 17. May. 1676.
SInckt jetzt das Aug in Nacht/ so lange Zeit gewachet/
Und für das Vaterland Vorsorge hat geführt?
Schweigt jetzt der güldne Mund/ der Steine weich ge-
machet/

Und hohen Häuptern offt die Hertzen hat gerührt?
Starrt die gelehrte Faust/ die Urtheil hat geschrieben/
Und in dem weiten Recht viel Schrifften auffgesetzt?
Jst von dem theuren Mann denn nichts mehr überblieben/
Das auch die Nach-Welt noch zu ehren würdig schätzt?
Ach ja! Herr Assig lebt in vieler Menschen Seelen/
Sein unvergänglich Ruhm verlacht nur Grab und Grufft/
Und Fama wil den Preiß der Dienste nicht verhölen
Jndem sie durch die Welt sein ewig Lob ausrufft.
Was thut nicht unsre Stadt nun ihr Oracul schweiget?
Was thut das Rathhauß nicht nun jetzt sein Eckstein fällt?
Rufft nicht die Bürgerschafft wenn sie ihr Beyleid zeiget?
Die Mauren dieser Stadt sind durch den Rieß zerschällt.
Die Taffel der Gesetz' ist/ leider| nur zerbrochen/
Der Fürsten Kleynod hin/ der Armen Hoffnung tod/
Und/ der Partheyen hat das rechte Recht gesprochen/
Kan nicht entäusert seyn der Sterbligkeit Gebot.
Unschätzbarer Verlust! du Ulpian der Zeiten/
Den Themisstets geliebt/ und Suada Sohn genant/
So läst du uns allhier mit Recht und Unrecht streiten/
Und suchst die wahre Ruh in jenem Vaterland?
Wie wol ist dir geschehn! wie sehr wird dich doch missen
Das gantze Schlesien/ so deinen Witz geehrt.
Was unter tausenden die Klügsten auch kaum wissen
Hat in verwirrtem Stand uns offt dein Mund gelehrt.
Dir war das Alterthum des Landes unverborgen/
Desselben Policey Erfindung wol bewust.
Der nimmer-lasse Fleiß/ und unerschöpffte Sorgen
Die legten einen Schatz der Bräuch' in deine Brust.
Es haben Fürsten offt in zweiffelhafften Dingen
Den Gordens-Knoten dir zu lösen fürgelegt/
Dein
Q q q 4
Leichen-Gedichte.
Schuldiges Mitleiden
Uber das Abſterben Hn. A. v. A. u. S. S. V.
den 17. May. 1676.
SInckt jetzt das Aug in Nacht/ ſo lange Zeit gewachet/
Und fuͤr das Vaterland Vorſorge hat gefuͤhrt?
Schweigt jetzt der guͤldne Mund/ der Steine weich ge-
machet/

Und hohen Haͤuptern offt die Hertzen hat geruͤhrt?
Starrt die gelehrte Fauſt/ die Urtheil hat geſchrieben/
Und in dem weiten Recht viel Schrifften auffgeſetzt?
Jſt von dem theuren Mann denn nichts mehr uͤberblieben/
Das auch die Nach-Welt noch zu ehren wuͤrdig ſchaͤtzt?
Ach ja! Herr Aſſig lebt in vieler Menſchen Seelen/
Sein unvergaͤnglich Ruhm verlacht nur Grab und Grufft/
Und Fama wil den Preiß der Dienſte nicht verhoͤlen
Jndem ſie durch die Welt ſein ewig Lob ausrufft.
Was thut nicht unſre Stadt nun ihr Oracul ſchweiget?
Was thut das Rathhauß nicht nun jetzt ſein Eckſtein faͤllt?
Rufft nicht die Buͤrgerſchafft wenn ſie ihr Beyleid zeiget?
Die Mauren dieſer Stadt ſind durch den Rieß zerſchaͤllt.
Die Taffel der Geſetz’ iſt/ leider| nur zerbrochen/
Der Fuͤrſten Kleynod hin/ der Armen Hoffnung tod/
Und/ der Partheyen hat das rechte Recht geſprochen/
Kan nicht entaͤuſert ſeyn der Sterbligkeit Gebot.
Unſchaͤtzbarer Verluſt! du Ulpian der Zeiten/
Den Themisſtets geliebt/ und Suada Sohn genant/
So laͤſt du uns allhier mit Recht und Unrecht ſtreiten/
Und ſuchſt die wahre Ruh in jenem Vaterland?
Wie wol iſt dir geſchehn! wie ſehr wird dich doch miſſen
Das gantze Schleſien/ ſo deinen Witz geehrt.
Was unter tauſenden die Kluͤgſten auch kaum wiſſen
Hat in verwirrtem Stand uns offt dein Mund gelehrt.
Dir war das Alterthum des Landes unverborgen/
Deſſelben Policey Erfindung wol bewuſt.
Der nimmer-laſſe Fleiß/ und unerſchoͤpffte Sorgen
Die legten einen Schatz der Braͤuch’ in deine Bruſt.
Es haben Fuͤrſten offt in zweiffelhafften Dingen
Den Gordens-Knoten dir zu loͤſen fuͤrgelegt/
Dein
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[247/0479] Leichen-Gedichte. Schuldiges Mitleiden Uber das Abſterben Hn. A. v. A. u. S. S. V. den 17. May. 1676. SInckt jetzt das Aug in Nacht/ ſo lange Zeit gewachet/ Und fuͤr das Vaterland Vorſorge hat gefuͤhrt? Schweigt jetzt der guͤldne Mund/ der Steine weich ge- machet/ Und hohen Haͤuptern offt die Hertzen hat geruͤhrt? Starrt die gelehrte Fauſt/ die Urtheil hat geſchrieben/ Und in dem weiten Recht viel Schrifften auffgeſetzt? Jſt von dem theuren Mann denn nichts mehr uͤberblieben/ Das auch die Nach-Welt noch zu ehren wuͤrdig ſchaͤtzt? Ach ja! Herr Aſſig lebt in vieler Menſchen Seelen/ Sein unvergaͤnglich Ruhm verlacht nur Grab und Grufft/ Und Fama wil den Preiß der Dienſte nicht verhoͤlen Jndem ſie durch die Welt ſein ewig Lob ausrufft. Was thut nicht unſre Stadt nun ihr Oracul ſchweiget? Was thut das Rathhauß nicht nun jetzt ſein Eckſtein faͤllt? Rufft nicht die Buͤrgerſchafft wenn ſie ihr Beyleid zeiget? Die Mauren dieſer Stadt ſind durch den Rieß zerſchaͤllt. Die Taffel der Geſetz’ iſt/ leider| nur zerbrochen/ Der Fuͤrſten Kleynod hin/ der Armen Hoffnung tod/ Und/ der Partheyen hat das rechte Recht geſprochen/ Kan nicht entaͤuſert ſeyn der Sterbligkeit Gebot. Unſchaͤtzbarer Verluſt! du Ulpian der Zeiten/ Den Themisſtets geliebt/ und Suada Sohn genant/ So laͤſt du uns allhier mit Recht und Unrecht ſtreiten/ Und ſuchſt die wahre Ruh in jenem Vaterland? Wie wol iſt dir geſchehn! wie ſehr wird dich doch miſſen Das gantze Schleſien/ ſo deinen Witz geehrt. Was unter tauſenden die Kluͤgſten auch kaum wiſſen Hat in verwirrtem Stand uns offt dein Mund gelehrt. Dir war das Alterthum des Landes unverborgen/ Deſſelben Policey Erfindung wol bewuſt. Der nimmer-laſſe Fleiß/ und unerſchoͤpffte Sorgen Die legten einen Schatz der Braͤuch’ in deine Bruſt. Es haben Fuͤrſten offt in zweiffelhafften Dingen Den Gordens-Knoten dir zu loͤſen fuͤrgelegt/ Dein Q q q 4

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/479>, abgerufen am 22.11.2024.