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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Dein tieffgeschärffter Witz war mächtig durch zu dringen
Und hat verhärtete zur Lindigkeit bewegt.
Astraea hat dir selbst die Schalen anvertrauet/
Wenns die Gerechtigkeit recht abzuwägen kam.
Jn Fällen da wol offt den meisten hat gegrauet/
Sah' man doch deinen Muth/ der alles unternahm.
Es kan des Solons Ernst/ des Catons Tapfferkeiten
Mit so viel Sprüchen nicht der Nach-Welt Mund erhöhn/
Als dich mit Tugenden gekrönt von allen Seiten
Hieß in ihr Heiligthum der Themis Urtheil gehn.
Du wahres Meisterstück/ du Ebenbild der Gaben
Womit ein Priester sol der Rechte seyn geziert:
Zu erst hat Gottes furcht dein gantzes Thun erhaben/
Ein Leitstern der dich hat zum höchsten Gut geführt.
Denn blieb dein bester Schatz ein unbefleckt Gewissen
Jn welches Unrecht nie ein Schanden-Mahl geprägt.
Was sonst verblenden kan/ dem hast du dich entrissen/
Und wie ein Richter soll/ stets gleiches Recht gehegt.
Der Ruhm/ daß unsre Stadt ein Brunquell der Gesetze
Und aller Erbarkeit gemeßne Richtschnur sey/
Ward mehr und mehr vermehrt durch deiner Gaben Schätze
Du hiest mit Recht ein Stern in unsrer Policey.
Dich hat der Erden-Gott genädigst angehöret/
Wenn vor das Vaterland was auszubitten war/
Ja deine Treu gerühmt/ und deinen Fleiß beehret
Dich würdig zugezehlt der Edlen Ritter-Schaar.
Du Rechtsgelehrter Mann/ nenn' ich die Wissenschafften
So nenn' ich dich zugleich ein lebend Bücher-Hauß.
Was nur dein Auge sah blieb im Gedächtnüß hafften/
Und theilte jederman der Weißheit Gaben aus.
Dein gantzes Leben war ein unauffhörlich lesen.
Was vielen sonst mit Zwang floß dir mit Anmuth bey.
Du bist/ ach ja/ du bist Pericles stets gewesen/
Der durch Beredsamkeit uns machte Sorgen frey.
Der Sitten Höffligkeit war ein Magnet zu nennen/
Der durch verborgnen Zwang die Hertzen an sich zog/
Daß sie von reiner Lieb und Freundschafft musten brennen/
Wenn man den theuren Schatz die Redligkeit erwog.
Was Wunder? so nun jetzt das werthe Grab umbfassen
Die Musen/ weil ihr Ruhm und höchste Wonne todt.
Apol-
Leichen-Gedichte.
Dein tieffgeſchaͤrffter Witz war maͤchtig durch zu dringen
Und hat verhaͤrtete zur Lindigkeit bewegt.
Aſtræa hat dir ſelbſt die Schalen anvertrauet/
Wenns die Gerechtigkeit recht abzuwaͤgen kam.
Jn Faͤllen da wol offt den meiſten hat gegrauet/
Sah’ man doch deinen Muth/ der alles unternahm.
Es kan des Solons Ernſt/ des Catons Tapfferkeiten
Mit ſo viel Spruͤchen nicht der Nach-Welt Mund erhoͤhn/
Als dich mit Tugenden gekroͤnt von allen Seiten
Hieß in ihr Heiligthum der Themis Urtheil gehn.
Du wahres Meiſterſtuͤck/ du Ebenbild der Gaben
Womit ein Prieſter ſol der Rechte ſeyn geziert:
Zu erſt hat Gottes furcht dein gantzes Thun erhaben/
Ein Leitſtern der dich hat zum hoͤchſten Gut gefuͤhrt.
Denn blieb dein beſter Schatz ein unbefleckt Gewiſſen
Jn welches Unrecht nie ein Schanden-Mahl gepraͤgt.
Was ſonſt verblenden kan/ dem haſt du dich entriſſen/
Und wie ein Richter ſoll/ ſtets gleiches Recht gehegt.
Der Ruhm/ daß unſre Stadt ein Brunquell der Geſetze
Und aller Erbarkeit gemeßne Richtſchnur ſey/
Ward mehr und mehr vermehrt durch deiner Gaben Schaͤtze
Du hieſt mit Recht ein Stern in unſrer Policey.
Dich hat der Erden-Gott genaͤdigſt angehoͤret/
Wenn vor das Vaterland was auszubitten war/
Ja deine Treu geruͤhmt/ und deinen Fleiß beehret
Dich wuͤrdig zugezehlt der Edlen Ritter-Schaar.
Du Rechtsgelehrter Mann/ nenn’ ich die Wiſſenſchafften
So nenn’ ich dich zugleich ein lebend Buͤcher-Hauß.
Was nur dein Auge ſah blieb im Gedaͤchtnuͤß hafften/
Und theilte jederman der Weißheit Gaben aus.
Dein gantzes Leben war ein unauffhoͤrlich leſen.
Was vielen ſonſt mit Zwang floß dir mit Anmuth bey.
Du biſt/ ach ja/ du biſt Pericles ſtets geweſen/
Der durch Beredſamkeit uns machte Sorgen frey.
Der Sitten Hoͤffligkeit war ein Magnet zu nennen/
Der durch verborgnen Zwang die Hertzen an ſich zog/
Daß ſie von reiner Lieb und Freundſchafft muſten brennen/
Wenn man den theuren Schatz die Redligkeit erwog.
Was Wunder? ſo nun jetzt das werthe Grab umbfaſſen
Die Muſen/ weil ihr Ruhm und hoͤchſte Wonne todt.
Apol-
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[248/0480] Leichen-Gedichte. Dein tieffgeſchaͤrffter Witz war maͤchtig durch zu dringen Und hat verhaͤrtete zur Lindigkeit bewegt. Aſtræa hat dir ſelbſt die Schalen anvertrauet/ Wenns die Gerechtigkeit recht abzuwaͤgen kam. Jn Faͤllen da wol offt den meiſten hat gegrauet/ Sah’ man doch deinen Muth/ der alles unternahm. Es kan des Solons Ernſt/ des Catons Tapfferkeiten Mit ſo viel Spruͤchen nicht der Nach-Welt Mund erhoͤhn/ Als dich mit Tugenden gekroͤnt von allen Seiten Hieß in ihr Heiligthum der Themis Urtheil gehn. Du wahres Meiſterſtuͤck/ du Ebenbild der Gaben Womit ein Prieſter ſol der Rechte ſeyn geziert: Zu erſt hat Gottes furcht dein gantzes Thun erhaben/ Ein Leitſtern der dich hat zum hoͤchſten Gut gefuͤhrt. Denn blieb dein beſter Schatz ein unbefleckt Gewiſſen Jn welches Unrecht nie ein Schanden-Mahl gepraͤgt. Was ſonſt verblenden kan/ dem haſt du dich entriſſen/ Und wie ein Richter ſoll/ ſtets gleiches Recht gehegt. Der Ruhm/ daß unſre Stadt ein Brunquell der Geſetze Und aller Erbarkeit gemeßne Richtſchnur ſey/ Ward mehr und mehr vermehrt durch deiner Gaben Schaͤtze Du hieſt mit Recht ein Stern in unſrer Policey. Dich hat der Erden-Gott genaͤdigſt angehoͤret/ Wenn vor das Vaterland was auszubitten war/ Ja deine Treu geruͤhmt/ und deinen Fleiß beehret Dich wuͤrdig zugezehlt der Edlen Ritter-Schaar. Du Rechtsgelehrter Mann/ nenn’ ich die Wiſſenſchafften So nenn’ ich dich zugleich ein lebend Buͤcher-Hauß. Was nur dein Auge ſah blieb im Gedaͤchtnuͤß hafften/ Und theilte jederman der Weißheit Gaben aus. Dein gantzes Leben war ein unauffhoͤrlich leſen. Was vielen ſonſt mit Zwang floß dir mit Anmuth bey. Du biſt/ ach ja/ du biſt Pericles ſtets geweſen/ Der durch Beredſamkeit uns machte Sorgen frey. Der Sitten Hoͤffligkeit war ein Magnet zu nennen/ Der durch verborgnen Zwang die Hertzen an ſich zog/ Daß ſie von reiner Lieb und Freundſchafft muſten brennen/ Wenn man den theuren Schatz die Redligkeit erwog. Was Wunder? ſo nun jetzt das werthe Grab umbfaſſen Die Muſen/ weil ihr Ruhm und hoͤchſte Wonne todt. Apol-

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/480>, abgerufen am 24.07.2024.