Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

Bild:
<< vorherige Seite
Leichen-Gedichte.
Und ließ bey Andacht mehr sich als der Wollust schauen/
Weil sie der Sinnen Fahrt nur nach dem Himmel nahm.
Sie hat auch nie geruht in deß Beruffes Schrancken/
Mit Embsigkeit und Treu versorgt des Hauses Heil.
Bedacht/ wie sie erfüllt deß Eh-Gemahls Gedancken/
Weil seiner Wolfarth Nutz auch ihrer Wolfarth Theil.
Der Manucodiat haßt Heck/ und dick Gesträuche/
Fleucht sumpfichten Morast und Pflützen voller Schlam:
Sie nicht mit minderm Grimm die üppigen Gebräuche/
Als die ein lockend Gifft der Sunde Brut und Sam'.
Und solt ihr edler Geist noch hier auf Erden schweben?
Wo Untreu/ List/ Betrug der Menschen Klugheit heist/
Wo wie im Vogel-Leim die Seelen bleiben kleben/
Und auf Verstellungs-Kunst der Mensch sich nur befleist.
Und wie dem Vogel nutzt sein fliegendes bemühen/
Weil ihn kein Garn berückt/ kein Vogler leicht nicht fängt/
So kan die Lust-Siren den niemals nach sich ziehen/
Der wie die Seelige sich nur zum Himmel lenckt.
Es freut der Vogel sich/ je näher er der Sonnen:
Welch Mensch der wolte nicht der Engel Nachbar seyn?
Auß Liebe gegen GOtt ist sie als Wachs zerronnen/
Weil sie hat weich gemacht deß Höchsten Allmacht Schein.
Wenn diß/ Wol-Edler Herr/ wie die so sie erzeuget/
Fällt euren Sinnen bey/ und Zeit und Ewigkeit
Auf gleiche Schalen legt/ ich weiß es übersteiget/
Der wolgetroffne Tausch das Jammer-reiche Leid.
Zwar daß der Mutter-Hertz nicht solt in Stücken springen/
Wann sie ihr eintzig Kind/ ihr Kleinot/ scharrt in Sand:
Und daß/ Hochwerther/ ihn nicht solte Noth umbringen
Schilt auch kein Hertze nicht/ das hart als Diamant.
Alleine weil sie war so an das Liecht gebohren/
Daß Auf- und Untergang ihr an der Seiten stund/
Hat sie zum Hauß der Ruh das Paradiß erkohren/
Unb gleich dem Labyrinth geacht der Erden Grund.
Es wächst in Mexico auch eine solche Blume/
Die auff den Blättern recht des Vogels Federn trägt/
Sie sprost auch der Artzney nicht zu geringem Ruhme/
Weil sie der Brust zu gut des Magens Schmertzen legt.
Jch wünsche daß die Blum auß seinem Ehe-Garten/
Jhm noch/ Wol-Edler Herr/ ersprißlich möge seyn:
Denn
K k k 5
Leichen-Gedichte.
Und ließ bey Andacht mehr ſich als der Wolluſt ſchauen/
Weil ſie der Sinnen Fahrt nur nach dem Himmel nahm.
Sie hat auch nie geruht in deß Beruffes Schrancken/
Mit Embſigkeit und Treu verſorgt des Hauſes Heil.
Bedacht/ wie ſie erfuͤllt deß Eh-Gemahls Gedancken/
Weil ſeiner Wolfarth Nutz auch ihrer Wolfarth Theil.
Der Manucodiat haßt Heck/ und dick Geſtraͤuche/
Fleucht ſumpfichten Moraſt und Pfluͤtzen voller Schlam:
Sie nicht mit minderm Grimm die uͤppigen Gebraͤuche/
Als die ein lockend Gifft der Sunde Brut und Sam’.
Und ſolt ihr edler Geiſt noch hier auf Erden ſchweben?
Wo Untreu/ Liſt/ Betrug der Menſchen Klugheit heiſt/
Wo wie im Vogel-Leim die Seelen bleiben kleben/
Und auf Verſtellungs-Kunſt der Menſch ſich nur befleiſt.
Und wie dem Vogel nutzt ſein fliegendes bemuͤhen/
Weil ihn kein Garn beruͤckt/ kein Vogler leicht nicht faͤngt/
So kan die Luſt-Siren den niemals nach ſich ziehen/
Der wie die Seelige ſich nur zum Himmel lenckt.
Es freut der Vogel ſich/ je naͤher er der Sonnen:
Welch Menſch der wolte nicht der Engel Nachbar ſeyn?
Auß Liebe gegen GOtt iſt ſie als Wachs zerronnen/
Weil ſie hat weich gemacht deß Hoͤchſten Allmacht Schein.
Wenn diß/ Wol-Edler Herr/ wie die ſo ſie erzeuget/
Faͤllt euren Sinnen bey/ und Zeit und Ewigkeit
Auf gleiche Schalen legt/ ich weiß es uͤberſteiget/
Der wolgetroffne Tauſch das Jammer-reiche Leid.
Zwar daß der Mutter-Hertz nicht ſolt in Stuͤcken ſpringen/
Wann ſie ihr eintzig Kind/ ihr Kleinot/ ſcharrt in Sand:
Und daß/ Hochwerther/ ihn nicht ſolte Noth umbringen
Schilt auch kein Hertze nicht/ das hart als Diamant.
Alleine weil ſie war ſo an das Liecht gebohren/
Daß Auf- und Untergang ihr an der Seiten ſtund/
Hat ſie zum Hauß der Ruh das Paradiß erkohren/
Unb gleich dem Labyrinth geacht der Erden Grund.
Es waͤchſt in Mexico auch eine ſolche Blume/
Die auff den Blaͤttern recht des Vogels Federn traͤgt/
Sie ſproſt auch der Artzney nicht zu geringem Ruhme/
Weil ſie der Bruſt zu gut des Magens Schmertzen legt.
Jch wuͤnſche daß die Blum auß ſeinem Ehe-Garten/
Jhm noch/ Wol-Edler Herr/ erſprißlich moͤge ſeyn:
Denn
K k k 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0385" n="153"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leichen-Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <l>Und ließ bey Andacht mehr &#x017F;ich als der Wollu&#x017F;t &#x017F;chauen/</l><lb/>
          <l>Weil &#x017F;ie der Sinnen Fahrt nur nach dem Himmel nahm.</l><lb/>
          <l>Sie hat auch nie geruht in deß Beruffes Schrancken/</l><lb/>
          <l>Mit Emb&#x017F;igkeit und Treu ver&#x017F;orgt des Hau&#x017F;es Heil.</l><lb/>
          <l>Bedacht/ wie &#x017F;ie erfu&#x0364;llt deß Eh-Gemahls Gedancken/</l><lb/>
          <l>Weil &#x017F;einer Wolfarth Nutz auch ihrer Wolfarth Theil.</l><lb/>
          <l>Der Manucodiat haßt Heck/ und dick Ge&#x017F;tra&#x0364;uche/</l><lb/>
          <l>Fleucht &#x017F;umpfichten Mora&#x017F;t und Pflu&#x0364;tzen voller Schlam:</l><lb/>
          <l>Sie nicht mit minderm Grimm die u&#x0364;ppigen Gebra&#x0364;uche/</l><lb/>
          <l>Als die ein lockend Gifft der Sunde Brut und Sam&#x2019;.</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;olt ihr edler Gei&#x017F;t noch hier auf Erden &#x017F;chweben?</l><lb/>
          <l>Wo Untreu/ Li&#x017F;t/ Betrug der Men&#x017F;chen Klugheit hei&#x017F;t/</l><lb/>
          <l>Wo wie im Vogel-Leim die Seelen bleiben kleben/</l><lb/>
          <l>Und auf Ver&#x017F;tellungs-Kun&#x017F;t der Men&#x017F;ch &#x017F;ich nur beflei&#x017F;t.</l><lb/>
          <l>Und wie dem Vogel nutzt &#x017F;ein fliegendes bemu&#x0364;hen/</l><lb/>
          <l>Weil ihn kein Garn beru&#x0364;ckt/ kein Vogler leicht nicht fa&#x0364;ngt/</l><lb/>
          <l>So kan die Lu&#x017F;t-Siren den niemals nach &#x017F;ich ziehen/</l><lb/>
          <l>Der wie die <hi rendition="#fr">Seelige</hi> &#x017F;ich nur zum Himmel lenckt.</l><lb/>
          <l>Es freut der Vogel &#x017F;ich/ je na&#x0364;her er der Sonnen:</l><lb/>
          <l>Welch Men&#x017F;ch der wolte nicht der Engel Nachbar &#x017F;eyn?</l><lb/>
          <l>Auß Liebe gegen GOtt i&#x017F;t &#x017F;ie als Wachs zerronnen/</l><lb/>
          <l>Weil &#x017F;ie hat weich gemacht deß Ho&#x0364;ch&#x017F;ten Allmacht Schein.</l><lb/>
          <l>Wenn diß/ <hi rendition="#fr">Wol-Edler Herr/</hi> wie die &#x017F;o &#x017F;ie erzeuget/</l><lb/>
          <l>Fa&#x0364;llt euren Sinnen bey/ und Zeit und Ewigkeit</l><lb/>
          <l>Auf gleiche Schalen legt/ ich weiß es u&#x0364;ber&#x017F;teiget/</l><lb/>
          <l>Der wolgetroffne Tau&#x017F;ch das Jammer-reiche Leid.</l><lb/>
          <l>Zwar daß der Mutter-Hertz nicht &#x017F;olt in Stu&#x0364;cken &#x017F;pringen/</l><lb/>
          <l>Wann &#x017F;ie ihr eintzig Kind/ ihr Kleinot/ &#x017F;charrt in Sand:</l><lb/>
          <l>Und daß/ <hi rendition="#fr">Hochwerther/</hi> ihn nicht &#x017F;olte Noth umbringen</l><lb/>
          <l>Schilt auch kein Hertze nicht/ das hart als Diamant.</l><lb/>
          <l>Alleine weil &#x017F;ie war &#x017F;o an das Liecht gebohren/</l><lb/>
          <l>Daß Auf- und Untergang ihr an der Seiten &#x017F;tund/</l><lb/>
          <l>Hat &#x017F;ie zum Hauß der Ruh das Paradiß erkohren/</l><lb/>
          <l>Unb gleich dem Labyrinth geacht der Erden Grund.</l><lb/>
          <l>Es wa&#x0364;ch&#x017F;t in Mexico auch eine &#x017F;olche Blume/</l><lb/>
          <l>Die auff den Bla&#x0364;ttern recht des Vogels Federn tra&#x0364;gt/</l><lb/>
          <l>Sie &#x017F;pro&#x017F;t auch der Artzney nicht zu geringem Ruhme/</l><lb/>
          <l>Weil &#x017F;ie der Bru&#x017F;t zu gut des Magens Schmertzen legt.</l><lb/>
          <l>Jch wu&#x0364;n&#x017F;che daß die Blum auß &#x017F;einem Ehe-Garten/</l><lb/>
          <l>Jhm noch/ <hi rendition="#fr">Wol-Edler Herr/</hi> er&#x017F;prißlich mo&#x0364;ge &#x017F;eyn:</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">K k k 5</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Denn</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0385] Leichen-Gedichte. Und ließ bey Andacht mehr ſich als der Wolluſt ſchauen/ Weil ſie der Sinnen Fahrt nur nach dem Himmel nahm. Sie hat auch nie geruht in deß Beruffes Schrancken/ Mit Embſigkeit und Treu verſorgt des Hauſes Heil. Bedacht/ wie ſie erfuͤllt deß Eh-Gemahls Gedancken/ Weil ſeiner Wolfarth Nutz auch ihrer Wolfarth Theil. Der Manucodiat haßt Heck/ und dick Geſtraͤuche/ Fleucht ſumpfichten Moraſt und Pfluͤtzen voller Schlam: Sie nicht mit minderm Grimm die uͤppigen Gebraͤuche/ Als die ein lockend Gifft der Sunde Brut und Sam’. Und ſolt ihr edler Geiſt noch hier auf Erden ſchweben? Wo Untreu/ Liſt/ Betrug der Menſchen Klugheit heiſt/ Wo wie im Vogel-Leim die Seelen bleiben kleben/ Und auf Verſtellungs-Kunſt der Menſch ſich nur befleiſt. Und wie dem Vogel nutzt ſein fliegendes bemuͤhen/ Weil ihn kein Garn beruͤckt/ kein Vogler leicht nicht faͤngt/ So kan die Luſt-Siren den niemals nach ſich ziehen/ Der wie die Seelige ſich nur zum Himmel lenckt. Es freut der Vogel ſich/ je naͤher er der Sonnen: Welch Menſch der wolte nicht der Engel Nachbar ſeyn? Auß Liebe gegen GOtt iſt ſie als Wachs zerronnen/ Weil ſie hat weich gemacht deß Hoͤchſten Allmacht Schein. Wenn diß/ Wol-Edler Herr/ wie die ſo ſie erzeuget/ Faͤllt euren Sinnen bey/ und Zeit und Ewigkeit Auf gleiche Schalen legt/ ich weiß es uͤberſteiget/ Der wolgetroffne Tauſch das Jammer-reiche Leid. Zwar daß der Mutter-Hertz nicht ſolt in Stuͤcken ſpringen/ Wann ſie ihr eintzig Kind/ ihr Kleinot/ ſcharrt in Sand: Und daß/ Hochwerther/ ihn nicht ſolte Noth umbringen Schilt auch kein Hertze nicht/ das hart als Diamant. Alleine weil ſie war ſo an das Liecht gebohren/ Daß Auf- und Untergang ihr an der Seiten ſtund/ Hat ſie zum Hauß der Ruh das Paradiß erkohren/ Unb gleich dem Labyrinth geacht der Erden Grund. Es waͤchſt in Mexico auch eine ſolche Blume/ Die auff den Blaͤttern recht des Vogels Federn traͤgt/ Sie ſproſt auch der Artzney nicht zu geringem Ruhme/ Weil ſie der Bruſt zu gut des Magens Schmertzen legt. Jch wuͤnſche daß die Blum auß ſeinem Ehe-Garten/ Jhm noch/ Wol-Edler Herr/ erſprißlich moͤge ſeyn: Denn K k k 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/385
Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/385>, abgerufen am 22.11.2024.