Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

Bild:
<< vorherige Seite
Leichen-Gedichte.
Wir können nicht mehr Ruhm auff dieser Welt erwerben/
Mit grösser Wissenschafft und Klugheit seyn geziert/
Als wenn wir stündlich nur im HErren lernen sterben;
Diß ist die beste Kunst/ so uns in Himmel führt.
Moluccische Manucodiata oder Paradiß-Vogel/
Bey Beerdigung Fr. E. M. v. M. g. H. den
2. Julil 1673.
DEr Griechen Leichen-Dienst/ den theils jetzund verüben/
Nachdem das Türcksche Joch sie gantz bewältigt hat/
Stellt zwar Exempel vor von ihrem treuen Lieben/
Doch findet Aberglaub' allda die meiste statt.
Denn/ wenn Mann oder Weib von hinnen abgefahren/
Hat man des Grabes Ort mit einem Pfal beehrt/
Dran Thiere/ Hirsch und Reh gehenckt in Bildern waren/
So von des Todten Ruhm und Eigenschafft gelehrt.
Sie zeigten so die Treu und Fleiß in den Geschäfften/
Ja was ein Ehgatt mehr dem andern Guts gethan/
Sie raufften gar ihr Haar/ und liessens daran hefften
Die Tieffe ihres Leids hierdurch zu melden an.
Doch eitler Aberwitz! Wir/ die wir CHristum kennen
Und in dem Gnaden-Bund der Kinder GOttes stehn/
Die wissen unser Leid weit anders zu benennen/
Wann über unsern Kopff so schwartze Wolcken gehn.
Denn daß/ Wol-Edler Herr/ sein ausgepreßtes Hertze
Jn Jammer-Fluthen schwimmt ist nicht verwunderns werth/
Weil der ergrimmte Schlag von einem solchen Schmertze/
Recht durch den Mittel-Punct der treuen Seele fährt.
Es wird sein bester Schatz/ der Außzug aller Freuden
Des Hertzens halber Theil in ihren Sarch gelegt.
Er siht jetzt Lieb und Treu von seiner Seiten scheiden/
Und wie die Asche man davon zu Grabe trägt.
Er misst die Tugenden/ so ihn vorhin ergetzet/
Des Hauses Wachsamkeit hat sich nunmehr verwacht:
Die Mutter so beglückt an Söhnen ward geschätzet/
Die Kummer-Wenderin geht in die lange Nacht.
Er darff nicht erst ihr Grab mit einem Bild bekräntzen/
So lange sie gelebt war sie der Tugend Bild:
Sie
K k k 4
Leichen-Gedichte.
Wir koͤnnen nicht mehr Ruhm auff dieſer Welt erwerben/
Mit groͤſſer Wiſſenſchafft und Klugheit ſeyn geziert/
Als wenn wir ſtuͤndlich nur im HErren lernen ſterben;
Diß iſt die beſte Kunſt/ ſo uns in Himmel fuͤhrt.
Molucciſche Manucodiata oder Paradiß-Vogel/
Bey Beerdigung Fr. E. M. v. M. g. H. den
2. Julil 1673.
DEr Griechen Leichen-Dienſt/ den theils jetzund veruͤben/
Nachdem das Tuͤrckſche Joch ſie gantz bewaͤltigt hat/
Stellt zwar Exempel vor von ihrem treuen Lieben/
Doch findet Aberglaub’ allda die meiſte ſtatt.
Denn/ wenn Mann oder Weib von hinnen abgefahren/
Hat man des Grabes Ort mit einem Pfal beehrt/
Dran Thiere/ Hirſch und Reh gehenckt in Bildern waren/
So von des Todten Ruhm und Eigenſchafft gelehrt.
Sie zeigten ſo die Treu und Fleiß in den Geſchaͤfften/
Ja was ein Ehgatt mehr dem andern Guts gethan/
Sie raufften gar ihr Haar/ und lieſſens daran hefften
Die Tieffe ihres Leids hierdurch zu melden an.
Doch eitler Aberwitz! Wir/ die wir CHriſtum kennen
Und in dem Gnaden-Bund der Kinder GOttes ſtehn/
Die wiſſen unſer Leid weit anders zu benennen/
Wann uͤber unſern Kopff ſo ſchwartze Wolcken gehn.
Denn daß/ Wol-Edler Herr/ ſein ausgepreßtes Hertze
Jn Jammer-Fluthen ſchwim̃t iſt nicht verwunderns werth/
Weil der ergrimmte Schlag von einem ſolchen Schmertze/
Recht durch den Mittel-Punct der treuen Seele faͤhrt.
Es wird ſein beſter Schatz/ der Außzug aller Freuden
Des Hertzens halber Theil in ihren Sarch gelegt.
Er ſiht jetzt Lieb und Treu von ſeiner Seiten ſcheiden/
Und wie die Aſche man davon zu Grabe traͤgt.
Er miſſt die Tugenden/ ſo ihn vorhin ergetzet/
Des Hauſes Wachſamkeit hat ſich nunmehr verwacht:
Die Mutter ſo begluͤckt an Soͤhnen ward geſchaͤtzet/
Die Kummer-Wenderin geht in die lange Nacht.
Er darff nicht erſt ihr Grab mit einem Bild bekraͤntzen/
So lange ſie gelebt war ſie der Tugend Bild:
Sie
K k k 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0383" n="151"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leichen-Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <l>Wir ko&#x0364;nnen nicht mehr Ruhm auff die&#x017F;er Welt erwerben/</l><lb/>
          <l>Mit gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft und Klugheit &#x017F;eyn geziert/</l><lb/>
          <l>Als wenn wir &#x017F;tu&#x0364;ndlich nur im HErren lernen &#x017F;terben;</l><lb/>
          <l> <hi rendition="#fr">Diß i&#x017F;t die be&#x017F;te Kun&#x017F;t/ &#x017F;o uns in Himmel fu&#x0364;hrt.</hi> </l>
        </lg><lb/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Molucci&#x017F;che</hi> <hi rendition="#aq">Manucodiata</hi> <hi rendition="#fr">oder Paradiß-Vogel/<lb/>
Bey Beerdigung Fr. E. M. v. M. g. H. den<lb/>
2. Julil 1673.</hi> </hi> </head><lb/>
          <l><hi rendition="#in">D</hi>Er Griechen Leichen-Dien&#x017F;t/ den theils jetzund veru&#x0364;ben/</l><lb/>
          <l>Nachdem das Tu&#x0364;rck&#x017F;che Joch &#x017F;ie gantz bewa&#x0364;ltigt hat/</l><lb/>
          <l>Stellt zwar Exempel vor von ihrem treuen Lieben/</l><lb/>
          <l>Doch findet Aberglaub&#x2019; allda die mei&#x017F;te &#x017F;tatt.</l><lb/>
          <l>Denn/ wenn Mann oder Weib von hinnen abgefahren/</l><lb/>
          <l>Hat man des Grabes Ort mit einem Pfal beehrt/</l><lb/>
          <l>Dran Thiere/ Hir&#x017F;ch und Reh gehenckt in Bildern waren/</l><lb/>
          <l>So von des Todten Ruhm und Eigen&#x017F;chafft gelehrt.</l><lb/>
          <l>Sie zeigten &#x017F;o die Treu und Fleiß in den Ge&#x017F;cha&#x0364;fften/</l><lb/>
          <l>Ja was ein Ehgatt mehr dem andern Guts gethan/</l><lb/>
          <l>Sie raufften gar ihr Haar/ und lie&#x017F;&#x017F;ens daran hefften</l><lb/>
          <l>Die Tieffe ihres Leids hierdurch zu melden an.</l><lb/>
          <l>Doch eitler Aberwitz! Wir/ die wir CHri&#x017F;tum kennen</l><lb/>
          <l>Und in dem Gnaden-Bund der Kinder GOttes &#x017F;tehn/</l><lb/>
          <l>Die wi&#x017F;&#x017F;en un&#x017F;er Leid weit anders zu benennen/</l><lb/>
          <l>Wann u&#x0364;ber un&#x017F;ern Kopff &#x017F;o &#x017F;chwartze Wolcken gehn.</l><lb/>
          <l>Denn daß/ <hi rendition="#fr">Wol-Edler Herr/</hi> &#x017F;ein ausgepreßtes Hertze</l><lb/>
          <l>Jn Jammer-Fluthen &#x017F;chwim&#x0303;t i&#x017F;t nicht verwunderns werth/</l><lb/>
          <l>Weil der ergrimmte Schlag von einem &#x017F;olchen Schmertze/</l><lb/>
          <l>Recht durch den Mittel-Punct der treuen Seele fa&#x0364;hrt.</l><lb/>
          <l>Es wird &#x017F;ein be&#x017F;ter Schatz/ der Außzug aller Freuden</l><lb/>
          <l>Des Hertzens halber Theil in ihren Sarch gelegt.</l><lb/>
          <l>Er &#x017F;iht jetzt Lieb und Treu von &#x017F;einer Seiten &#x017F;cheiden/</l><lb/>
          <l>Und wie die A&#x017F;che man davon zu Grabe tra&#x0364;gt.</l><lb/>
          <l>Er mi&#x017F;&#x017F;t die Tugenden/ &#x017F;o ihn vorhin ergetzet/</l><lb/>
          <l>Des Hau&#x017F;es Wach&#x017F;amkeit hat &#x017F;ich nunmehr verwacht:</l><lb/>
          <l>Die Mutter &#x017F;o beglu&#x0364;ckt an So&#x0364;hnen ward ge&#x017F;cha&#x0364;tzet/</l><lb/>
          <l>Die Kummer-Wenderin geht in die lange Nacht.</l><lb/>
          <l>Er darff nicht er&#x017F;t ihr Grab mit einem Bild bekra&#x0364;ntzen/</l><lb/>
          <l>So lange &#x017F;ie gelebt war &#x017F;ie der Tugend Bild:</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">K k k 4</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0383] Leichen-Gedichte. Wir koͤnnen nicht mehr Ruhm auff dieſer Welt erwerben/ Mit groͤſſer Wiſſenſchafft und Klugheit ſeyn geziert/ Als wenn wir ſtuͤndlich nur im HErren lernen ſterben; Diß iſt die beſte Kunſt/ ſo uns in Himmel fuͤhrt. Molucciſche Manucodiata oder Paradiß-Vogel/ Bey Beerdigung Fr. E. M. v. M. g. H. den 2. Julil 1673. DEr Griechen Leichen-Dienſt/ den theils jetzund veruͤben/ Nachdem das Tuͤrckſche Joch ſie gantz bewaͤltigt hat/ Stellt zwar Exempel vor von ihrem treuen Lieben/ Doch findet Aberglaub’ allda die meiſte ſtatt. Denn/ wenn Mann oder Weib von hinnen abgefahren/ Hat man des Grabes Ort mit einem Pfal beehrt/ Dran Thiere/ Hirſch und Reh gehenckt in Bildern waren/ So von des Todten Ruhm und Eigenſchafft gelehrt. Sie zeigten ſo die Treu und Fleiß in den Geſchaͤfften/ Ja was ein Ehgatt mehr dem andern Guts gethan/ Sie raufften gar ihr Haar/ und lieſſens daran hefften Die Tieffe ihres Leids hierdurch zu melden an. Doch eitler Aberwitz! Wir/ die wir CHriſtum kennen Und in dem Gnaden-Bund der Kinder GOttes ſtehn/ Die wiſſen unſer Leid weit anders zu benennen/ Wann uͤber unſern Kopff ſo ſchwartze Wolcken gehn. Denn daß/ Wol-Edler Herr/ ſein ausgepreßtes Hertze Jn Jammer-Fluthen ſchwim̃t iſt nicht verwunderns werth/ Weil der ergrimmte Schlag von einem ſolchen Schmertze/ Recht durch den Mittel-Punct der treuen Seele faͤhrt. Es wird ſein beſter Schatz/ der Außzug aller Freuden Des Hertzens halber Theil in ihren Sarch gelegt. Er ſiht jetzt Lieb und Treu von ſeiner Seiten ſcheiden/ Und wie die Aſche man davon zu Grabe traͤgt. Er miſſt die Tugenden/ ſo ihn vorhin ergetzet/ Des Hauſes Wachſamkeit hat ſich nunmehr verwacht: Die Mutter ſo begluͤckt an Soͤhnen ward geſchaͤtzet/ Die Kummer-Wenderin geht in die lange Nacht. Er darff nicht erſt ihr Grab mit einem Bild bekraͤntzen/ So lange ſie gelebt war ſie der Tugend Bild: Sie K k k 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/383
Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/383>, abgerufen am 11.06.2024.