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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Der stirbt in Feuers-Noth/ ein ander in den Wellen/
Und mit dem Athem zeucht man offt den Tod auch ein.
Die Weysen mühen sich das Leben abzubilden/
Der Varro stelt es uns in Wasser-Blasen für.
Viel durch die Hiacinth in lustigen Gefilden
Wie schön er immer blüht/ so flüchtig ist die Zier.
Es nennets Epictet ein Licht vom Wind umbgeben/
Der kluge Seneca des Glückes Gauckel-Spiel/
Ein Werck das sich nicht kan durch eigne Hülff' erheben/
Ja alles Ungelücks und alles Neides Ziel.
Noch kan der leere Traum/ das blosse Nichts uns blenden
Daß wenn die Stunde schlägt/ der Tod uns bitter scheint/
Daß man die jenigen so wir voran absenden/
Fast ohne Maaß und Ziel als wie Verlust beweint.
Nein: Ob es ungereimt in menschlichen Gedancken/
Das offt der Jugend Blum in bester Zier erblast.
So kennen wir doch wol des Todes enge Schrancken/
Der grüner Jahre Lentz/ als Schnee und Winter/ fast.
Es ist die Selige/ Betrübtste/ nicht entrissen/
Sie hebt ein neues Jahr mit grössern Freuden an/
Jhr reiner Jungfer-Mund wird jetzt die Engel küssen/
Sie träget einen Krantz der Sternen trotzen kan.
Unwiedertreiblich ists/ daß die GOtt eyfrig lieben
Jm Glauben und Gebet auff seinen Wegen gehn/
Er sie nicht wiederumb von allem Weltbetrüben/
Bey zeiten zu sich rufft in die gestirnte Höh'n.
Es ist der Lilie Jhr Leben gleich gewesen.
Die keusche Reinligkeit für ihren Schmuck geacht;
Die sich als Himmels-Braut durch beten und durch lesen/
Schon in der Sterbligkeit den Engeln gleich gemacht.
Der Lilie Geruch ergetzet Hertz und Sinnen/
Auch ihr Gehorsam gab den Eltern höchste Lust/
Die Sorge für das Haus/ das nahrsame Beginnen/
Und was die Wirthschafft heischt/ war ihrem Fleißbewust.
Doch wie die Lilie in besten Sommer-Tagen/
Durch Regen oder Sturm sich länger nicht erhält:
So wird/ ihr Eltern auch eur Hoffen und Behagen/
Die werthe Seelige/ durchs Todes Pfeil gefällt.
Hingegen ist der Trost/ daß bey verjüngtem Lentzen/
Wenn Frost und Hagel weg/ und sich der Himmel klärt/
Die
Leichen-Gedichte.
Der ſtirbt in Feuers-Noth/ ein ander in den Wellen/
Und mit dem Athem zeucht man offt den Tod auch ein.
Die Weyſen muͤhen ſich das Leben abzubilden/
Der Varro ſtelt es uns in Waſſer-Blaſen fuͤr.
Viel durch die Hiacinth in luſtigen Gefilden
Wie ſchoͤn er immer bluͤht/ ſo fluͤchtig iſt die Zier.
Es nennets Epictet ein Licht vom Wind umbgeben/
Der kluge Seneca des Gluͤckes Gauckel-Spiel/
Ein Werck das ſich nicht kan durch eigne Huͤlff’ erheben/
Ja alles Ungeluͤcks und alles Neides Ziel.
Noch kan der leere Traum/ das bloſſe Nichts uns blenden
Daß wenn die Stunde ſchlaͤgt/ der Tod uns bitter ſcheint/
Daß man die jenigen ſo wir voran abſenden/
Faſt ohne Maaß und Ziel als wie Verluſt beweint.
Nein: Ob es ungereimt in menſchlichen Gedancken/
Das offt der Jugend Blum in beſter Zier erblaſt.
So kennen wir doch wol des Todes enge Schrancken/
Der gruͤner Jahre Lentz/ als Schnee und Winter/ faſt.
Es iſt die Selige/ Betruͤbtſte/ nicht entriſſen/
Sie hebt ein neues Jahr mit groͤſſern Freuden an/
Jhr reiner Jungfer-Mund wird jetzt die Engel kuͤſſen/
Sie traͤget einen Krantz der Sternen trotzen kan.
Unwiedertreiblich iſts/ daß die GOtt eyfrig lieben
Jm Glauben und Gebet auff ſeinen Wegen gehn/
Er ſie nicht wiederumb von allem Weltbetruͤben/
Bey zeiten zu ſich rufft in die geſtirnte Hoͤh’n.
Es iſt der Lilie Jhr Leben gleich geweſen.
Die keuſche Reinligkeit fuͤr ihren Schmuck geacht;
Die ſich als Himmels-Braut durch beten und durch leſen/
Schon in der Sterbligkeit den Engeln gleich gemacht.
Der Lilie Geruch ergetzet Hertz und Sinnen/
Auch ihr Gehorſam gab den Eltern hoͤchſte Luſt/
Die Sorge fuͤr das Haus/ das nahrſame Beginnen/
Und was die Wirthſchafft heiſcht/ war ihrem Fleißbewuſt.
Doch wie die Lilie in beſten Sommer-Tagen/
Durch Regen oder Sturm ſich laͤnger nicht erhaͤlt:
So wird/ ihr Eltern auch eur Hoffen und Behagen/
Die werthe Seelige/ durchs Todes Pfeil gefaͤllt.
Hingegen iſt der Troſt/ daß bey verjuͤngtem Lentzen/
Wenn Froſt und Hagel weg/ und ſich der Himmel klaͤrt/
Die
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[130/0362] Leichen-Gedichte. Der ſtirbt in Feuers-Noth/ ein ander in den Wellen/ Und mit dem Athem zeucht man offt den Tod auch ein. Die Weyſen muͤhen ſich das Leben abzubilden/ Der Varro ſtelt es uns in Waſſer-Blaſen fuͤr. Viel durch die Hiacinth in luſtigen Gefilden Wie ſchoͤn er immer bluͤht/ ſo fluͤchtig iſt die Zier. Es nennets Epictet ein Licht vom Wind umbgeben/ Der kluge Seneca des Gluͤckes Gauckel-Spiel/ Ein Werck das ſich nicht kan durch eigne Huͤlff’ erheben/ Ja alles Ungeluͤcks und alles Neides Ziel. Noch kan der leere Traum/ das bloſſe Nichts uns blenden Daß wenn die Stunde ſchlaͤgt/ der Tod uns bitter ſcheint/ Daß man die jenigen ſo wir voran abſenden/ Faſt ohne Maaß und Ziel als wie Verluſt beweint. Nein: Ob es ungereimt in menſchlichen Gedancken/ Das offt der Jugend Blum in beſter Zier erblaſt. So kennen wir doch wol des Todes enge Schrancken/ Der gruͤner Jahre Lentz/ als Schnee und Winter/ faſt. Es iſt die Selige/ Betruͤbtſte/ nicht entriſſen/ Sie hebt ein neues Jahr mit groͤſſern Freuden an/ Jhr reiner Jungfer-Mund wird jetzt die Engel kuͤſſen/ Sie traͤget einen Krantz der Sternen trotzen kan. Unwiedertreiblich iſts/ daß die GOtt eyfrig lieben Jm Glauben und Gebet auff ſeinen Wegen gehn/ Er ſie nicht wiederumb von allem Weltbetruͤben/ Bey zeiten zu ſich rufft in die geſtirnte Hoͤh’n. Es iſt der Lilie Jhr Leben gleich geweſen. Die keuſche Reinligkeit fuͤr ihren Schmuck geacht; Die ſich als Himmels-Braut durch beten und durch leſen/ Schon in der Sterbligkeit den Engeln gleich gemacht. Der Lilie Geruch ergetzet Hertz und Sinnen/ Auch ihr Gehorſam gab den Eltern hoͤchſte Luſt/ Die Sorge fuͤr das Haus/ das nahrſame Beginnen/ Und was die Wirthſchafft heiſcht/ war ihrem Fleißbewuſt. Doch wie die Lilie in beſten Sommer-Tagen/ Durch Regen oder Sturm ſich laͤnger nicht erhaͤlt: So wird/ ihr Eltern auch eur Hoffen und Behagen/ Die werthe Seelige/ durchs Todes Pfeil gefaͤllt. Hingegen iſt der Troſt/ daß bey verjuͤngtem Lentzen/ Wenn Froſt und Hagel weg/ und ſich der Himmel klaͤrt/ Die

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/362>, abgerufen am 11.06.2024.