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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Trauer-Ged ancken
Bey Beerdigung Fr. R. G. g. K. den 17.
Jan. 1671.
SO ziehstu/ Seelige/ aus deiner irrdnen Hütten
Verläst des Leibes-Hauß von Erd und Leim erbaut/
Nachdem du mit Gedult den Tod hast überstritten/
Und deine Seele nun das Schloß der Freuden schaut.
Diß ist ein ander Hauß als unsre Leimne Wände/
Die einer Folterbanck mit Recht zu gleichen sind;
Diß hellbesternte Schloß kennt keine Menschen-Hände/
Weil es von Ewigkeit der Schöpffer hat gegründt.
Du sihst nun Sonn und Mond zu deinen Füssen ligen/
Hast Engel neben dir/ als treue Nachbarn stehn/
Wir leben noch im Kampf/ du prangst in lauter Siegen/
Da uns das Creutze drückt/ kanst du gekrönet gehn.
Dich speist des Lebens Brod/ uns Salsen bittrer Sünden/
Und deiner Herrligkeit ist keine Hoheit gleich.
Der beste Redner wird hier keine Worte finden/
Womit er melden kan den Glantz in GOttes Reich.
Zu dem/ so ist dein Ruhm auch hier nicht gar gestorben/
Dein frommer Lebens-Lauf ziert deinen Leichen-Sein;
Die wahre Gottesfurcht hat dir den Spruch erworben/
Daß du ein Muster kanst betagter Witwen seyn.
Du hast wie Monica mit Beten und mit Singen
Die meiste Lebens-Zeit andächtig zugebracht/
Und dir des HErren Furcht vor allen andren Dingen
Zur Richtschnur fürgesetzt/ und dich darnach geacht.
Du bist Zenobia dem Armuth stets gewesen/
Und hast in Leid und Noth beständig dich geübt/
Nun kanstu auch davor die Freuden-Erndt einlesen/
Ob gleich der Thränen Bach zum öfftern dich betrübt.
Wie hastu nicht gewünscht in den verlebten Tagen/
Und da die böse Welt in Lastern sich verjahrt/
Die Hand voll Fleisch und Blut zu seiner Ruh zu tragen!
Wie hat sich nicht dein Geist geschickt zur letzten Fahrt!
Wol dem/ und aber wol/ der zeitlich lernet sterben!
Es hängt an diesem Punckt die gantze Seeligkeit.
Es
Leichen-Gedichte.
Trauer-Ged ancken
Bey Beerdigung Fr. R. G. g. K. den 17.
Jan. 1671.
SO ziehſtu/ Seelige/ aus deiner irrdnen Huͤtten
Verlaͤſt des Leibes-Hauß von Erd und Leim erbaut/
Nachdem du mit Gedult den Tod haſt uͤberſtritten/
Und deine Seele nun das Schloß der Freuden ſchaut.
Diß iſt ein ander Hauß als unſre Leimne Waͤnde/
Die einer Folterbanck mit Recht zu gleichen ſind;
Diß hellbeſternte Schloß kennt keine Menſchen-Haͤnde/
Weil es von Ewigkeit der Schoͤpffer hat gegruͤndt.
Du ſihſt nun Sonn und Mond zu deinen Fuͤſſen ligen/
Haſt Engel neben dir/ als treue Nachbarn ſtehn/
Wir leben noch im Kampf/ du prangſt in lauter Siegen/
Da uns das Creutze druͤckt/ kanſt du gekroͤnet gehn.
Dich ſpeiſt des Lebens Brod/ uns Salſen bittrer Suͤnden/
Und deiner Herrligkeit iſt keine Hoheit gleich.
Der beſte Redner wird hier keine Worte finden/
Womit er melden kan den Glantz in GOttes Reich.
Zu dem/ ſo iſt dein Ruhm auch hier nicht gar geſtorben/
Dein frommer Lebens-Lauf ziert deinen Leichen-Sein;
Die wahre Gottesfurcht hat dir den Spruch erworben/
Daß du ein Muſter kanſt betagter Witwen ſeyn.
Du haſt wie Monica mit Beten und mit Singen
Die meiſte Lebens-Zeit andaͤchtig zugebracht/
Und dir des HErren Furcht vor allen andren Dingen
Zur Richtſchnur fuͤrgeſetzt/ und dich darnach geacht.
Du biſt Zenobia dem Armuth ſtets geweſen/
Und haſt in Leid und Noth beſtaͤndig dich geuͤbt/
Nun kanſtu auch davor die Freuden-Erndt einleſen/
Ob gleich der Thraͤnen Bach zum oͤfftern dich betruͤbt.
Wie haſtu nicht gewuͤnſcht in den verlebten Tagen/
Und da die boͤſe Welt in Laſtern ſich verjahrt/
Die Hand voll Fleiſch und Blut zu ſeiner Ruh zu tragen!
Wie hat ſich nicht dein Geiſt geſchickt zur letzten Fahrt!
Wol dem/ und aber wol/ der zeitlich lernet ſterben!
Es haͤngt an dieſem Punckt die gantze Seeligkeit.
Es
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[88/0320] Leichen-Gedichte. Trauer-Ged ancken Bey Beerdigung Fr. R. G. g. K. den 17. Jan. 1671. SO ziehſtu/ Seelige/ aus deiner irrdnen Huͤtten Verlaͤſt des Leibes-Hauß von Erd und Leim erbaut/ Nachdem du mit Gedult den Tod haſt uͤberſtritten/ Und deine Seele nun das Schloß der Freuden ſchaut. Diß iſt ein ander Hauß als unſre Leimne Waͤnde/ Die einer Folterbanck mit Recht zu gleichen ſind; Diß hellbeſternte Schloß kennt keine Menſchen-Haͤnde/ Weil es von Ewigkeit der Schoͤpffer hat gegruͤndt. Du ſihſt nun Sonn und Mond zu deinen Fuͤſſen ligen/ Haſt Engel neben dir/ als treue Nachbarn ſtehn/ Wir leben noch im Kampf/ du prangſt in lauter Siegen/ Da uns das Creutze druͤckt/ kanſt du gekroͤnet gehn. Dich ſpeiſt des Lebens Brod/ uns Salſen bittrer Suͤnden/ Und deiner Herrligkeit iſt keine Hoheit gleich. Der beſte Redner wird hier keine Worte finden/ Womit er melden kan den Glantz in GOttes Reich. Zu dem/ ſo iſt dein Ruhm auch hier nicht gar geſtorben/ Dein frommer Lebens-Lauf ziert deinen Leichen-Sein; Die wahre Gottesfurcht hat dir den Spruch erworben/ Daß du ein Muſter kanſt betagter Witwen ſeyn. Du haſt wie Monica mit Beten und mit Singen Die meiſte Lebens-Zeit andaͤchtig zugebracht/ Und dir des HErren Furcht vor allen andren Dingen Zur Richtſchnur fuͤrgeſetzt/ und dich darnach geacht. Du biſt Zenobia dem Armuth ſtets geweſen/ Und haſt in Leid und Noth beſtaͤndig dich geuͤbt/ Nun kanſtu auch davor die Freuden-Erndt einleſen/ Ob gleich der Thraͤnen Bach zum oͤfftern dich betruͤbt. Wie haſtu nicht gewuͤnſcht in den verlebten Tagen/ Und da die boͤſe Welt in Laſtern ſich verjahrt/ Die Hand voll Fleiſch und Blut zu ſeiner Ruh zu tragen! Wie hat ſich nicht dein Geiſt geſchickt zur letzten Fahrt! Wol dem/ und aber wol/ der zeitlich lernet ſterben! Es haͤngt an dieſem Punckt die gantze Seeligkeit. Es

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/320>, abgerufen am 11.06.2024.