Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

Bild:
<< vorherige Seite
Leichen-Gedichte.
Jndem durchwircktes Weh muß Leib und Geist durchkriechen/
Nach dem des Sternes Zier und Klarheit fället hin.
Doch/ warum klaget ihr? der Stern ist nicht vergangen/
Des Höchsten Hand hat ihn an andern Ort versetzt/
So bald der Abend nur wird wieder Licht empfangen/
Da werdet ihr ihn sehn und höchiich seyn ergötzt.
Denn/ wer was Liebes hat und wenig Zeit vermisset/
Dem ist es noch so lieb wenn es drauff wieder kömmt;
So wird die Freude auch euch werden dort versüsset/
Die euch des HErren Hand zu geben schon bestimmt.
Drum gönnet eurem Stern des Himmels Glantz und Scheinen
Schaut an den lichten Straal aus dem gewölckten Reich/
Und/ wollen alle wir uns rühmen als die Seinen/
So müssen wir zuvor dem Sterne werden gleich!
Gesetzter Leichen-Stein
Hn. B. S. den 31. Julii 1670.
WEil unser Fleisch und Blut sind Kleider die verwesen/
Und dieses irrdne Haus verfällt in seinen Sand/
So ließ die kluge Welt noch ihr Gedächtnüß lesen/
Und hat den grösten Fleiß auff Gräbern angewand.
Rom wolt' ein ewig Licht den Abgelebten brennen/
Aegypten führte Thürm/ und hohe Säulen auff;
Viel gaben die Begier durch Tempel zu erkennen/
Jn welchen einverleibt der Todten Lebens-Lauff.
Es muste Morgenland den besten Balsam schicken/
Und angenehmes Oel/ sie mit zu salben ein.
Der letzte Wille hieß das Grab mit Fleiß zu schmücken/
Und es mit Lilien und Rosen zu bestreun.
Es stunden Redner auff/ die mit beredter Zungen
Der grimmen Sterbligkeit entgegen sich gesetzt/
Es ward des Todten Ruhm durch Lieder abgesungen/
Der besten Thaten Ruff in Stein und Stahl geetzt.
Jch wil den grauen Mund der alten Zeit nicht fragen/
Noch frembder Völcker Recht und Bräuche führen an;
Denn wo wir mehr zu sehn nur ein Verlangen tragen/
So ist der Dähn und Ruhn/ der uns vergnügen kan.
Jhr Eifer/ der sie trieb die Gräber auffzubauen/
Die Liebe so sie auch die Steine legen hieß/
Und
Fff 3
Leichen-Gedichte.
Jndem durchwircktes Weh muß Leib und Geiſt durchkriechen/
Nach dem des Sternes Zier und Klarheit faͤllet hin.
Doch/ warum klaget ihr? der Stern iſt nicht vergangen/
Des Hoͤchſten Hand hat ihn an andern Ort verſetzt/
So bald der Abend nur wird wieder Licht empfangen/
Da werdet ihr ihn ſehn und hoͤchiich ſeyn ergoͤtzt.
Denn/ wer was Liebes hat und wenig Zeit vermiſſet/
Dem iſt es noch ſo lieb wenn es drauff wieder koͤmmt;
So wird die Freude auch euch werden dort verſuͤſſet/
Die euch des HErren Hand zu geben ſchon beſtimmt.
Drum goͤnnet eurem Stern des Himmels Glantz und Scheinen
Schaut an den lichten Straal aus dem gewoͤlckten Reich/
Und/ wollen alle wir uns ruͤhmen als die Seinen/
So muͤſſen wir zuvor dem Sterne werden gleich!
Geſetzter Leichen-Stein
Hn. B. S. den 31. Julii 1670.
WEil unſer Fleiſch und Blut ſind Kleider die verweſen/
Und dieſes irrdne Haus verfaͤllt in ſeinen Sand/
So ließ die kluge Welt noch ihr Gedaͤchtnuͤß leſen/
Und hat den groͤſten Fleiß auff Graͤbern angewand.
Rom wolt’ ein ewig Licht den Abgelebten brennen/
Aegypten fuͤhrte Thuͤrm/ und hohe Saͤulen auff;
Viel gaben die Begier durch Tempel zu erkennen/
Jn welchen einverleibt der Todten Lebens-Lauff.
Es muſte Morgenland den beſten Balſam ſchicken/
Und angenehmes Oel/ ſie mit zu ſalben ein.
Der letzte Wille hieß das Grab mit Fleiß zu ſchmuͤcken/
Und es mit Lilien und Roſen zu beſtreun.
Es ſtunden Redner auff/ die mit beredter Zungen
Der grimmen Sterbligkeit entgegen ſich geſetzt/
Es ward des Todten Ruhm durch Lieder abgeſungen/
Der beſten Thaten Ruff in Stein und Stahl geetzt.
Jch wil den grauen Mund der alten Zeit nicht fragen/
Noch frembder Voͤlcker Recht und Braͤuche fuͤhren an;
Denn wo wir mehr zu ſehn nur ein Verlangen tragen/
So iſt der Daͤhn und Ruhn/ der uns vergnuͤgen kan.
Jhr Eifer/ der ſie trieb die Graͤber auffzubauen/
Die Liebe ſo ſie auch die Steine legen hieß/
Und
Fff 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0317" n="85"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leichen-Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <l>Jndem durchwircktes Weh muß Leib und Gei&#x017F;t durchkriechen/</l><lb/>
          <l>Nach dem des Sternes Zier und Klarheit fa&#x0364;llet hin.</l><lb/>
          <l>Doch/ warum klaget ihr? der Stern i&#x017F;t nicht vergangen/</l><lb/>
          <l>Des Ho&#x0364;ch&#x017F;ten Hand hat ihn an andern Ort ver&#x017F;etzt/</l><lb/>
          <l>So bald der Abend nur wird wieder Licht empfangen/</l><lb/>
          <l>Da werdet ihr ihn &#x017F;ehn und ho&#x0364;chiich &#x017F;eyn ergo&#x0364;tzt.</l><lb/>
          <l>Denn/ wer was Liebes hat und wenig Zeit vermi&#x017F;&#x017F;et/</l><lb/>
          <l>Dem i&#x017F;t es noch &#x017F;o lieb wenn es drauff wieder ko&#x0364;mmt;</l><lb/>
          <l>So wird die Freude auch euch werden dort ver&#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;et/</l><lb/>
          <l>Die euch des HErren Hand zu geben &#x017F;chon be&#x017F;timmt.</l><lb/>
          <l>Drum go&#x0364;nnet <hi rendition="#fr">eurem Stern</hi> des Himmels Glantz und Scheinen</l><lb/>
          <l>Schaut an den lichten Straal aus dem gewo&#x0364;lckten Reich/</l><lb/>
          <l>Und/ wollen alle wir uns ru&#x0364;hmen als die Seinen/</l><lb/>
          <l>So mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir zuvor dem Sterne werden gleich!</l>
        </lg><lb/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;etzter Leichen-Stein<lb/>
Hn. B. S. den 31. Julii 1670.</hi> </hi> </head><lb/>
          <l><hi rendition="#in">W</hi>Eil un&#x017F;er Flei&#x017F;ch und Blut &#x017F;ind Kleider die verwe&#x017F;en/</l><lb/>
          <l>Und die&#x017F;es irrdne Haus verfa&#x0364;llt in &#x017F;einen Sand/</l><lb/>
          <l>So ließ die kluge Welt noch ihr Geda&#x0364;chtnu&#x0364;ß le&#x017F;en/</l><lb/>
          <l>Und hat den gro&#x0364;&#x017F;ten Fleiß auff Gra&#x0364;bern angewand.</l><lb/>
          <l>Rom wolt&#x2019; ein ewig Licht den Abgelebten brennen/</l><lb/>
          <l>Aegypten fu&#x0364;hrte Thu&#x0364;rm/ und hohe Sa&#x0364;ulen auff;</l><lb/>
          <l>Viel gaben die Begier durch Tempel zu erkennen/</l><lb/>
          <l>Jn welchen einverleibt der Todten Lebens-Lauff.</l><lb/>
          <l>Es mu&#x017F;te Morgenland den be&#x017F;ten Bal&#x017F;am &#x017F;chicken/</l><lb/>
          <l>Und angenehmes Oel/ &#x017F;ie mit zu &#x017F;alben ein.</l><lb/>
          <l>Der letzte Wille hieß das Grab mit Fleiß zu &#x017F;chmu&#x0364;cken/</l><lb/>
          <l>Und es mit Lilien und Ro&#x017F;en zu be&#x017F;treun.</l><lb/>
          <l>Es &#x017F;tunden Redner auff/ die mit beredter Zungen</l><lb/>
          <l>Der grimmen Sterbligkeit entgegen &#x017F;ich ge&#x017F;etzt/</l><lb/>
          <l>Es ward des Todten Ruhm durch Lieder abge&#x017F;ungen/</l><lb/>
          <l>Der be&#x017F;ten Thaten Ruff in Stein und Stahl geetzt.</l><lb/>
          <l>Jch wil den grauen Mund der alten Zeit nicht fragen/</l><lb/>
          <l>Noch frembder Vo&#x0364;lcker Recht und Bra&#x0364;uche fu&#x0364;hren an;</l><lb/>
          <l>Denn wo wir mehr zu &#x017F;ehn nur ein Verlangen tragen/</l><lb/>
          <l>So i&#x017F;t der <hi rendition="#fr">Da&#x0364;hn</hi> und <hi rendition="#fr">Ruhn/</hi> der uns vergnu&#x0364;gen kan.</l><lb/>
          <l>Jhr Eifer/ der &#x017F;ie trieb die Gra&#x0364;ber auffzubauen/</l><lb/>
          <l>Die Liebe &#x017F;o &#x017F;ie auch die Steine legen hieß/</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">Fff 3</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0317] Leichen-Gedichte. Jndem durchwircktes Weh muß Leib und Geiſt durchkriechen/ Nach dem des Sternes Zier und Klarheit faͤllet hin. Doch/ warum klaget ihr? der Stern iſt nicht vergangen/ Des Hoͤchſten Hand hat ihn an andern Ort verſetzt/ So bald der Abend nur wird wieder Licht empfangen/ Da werdet ihr ihn ſehn und hoͤchiich ſeyn ergoͤtzt. Denn/ wer was Liebes hat und wenig Zeit vermiſſet/ Dem iſt es noch ſo lieb wenn es drauff wieder koͤmmt; So wird die Freude auch euch werden dort verſuͤſſet/ Die euch des HErren Hand zu geben ſchon beſtimmt. Drum goͤnnet eurem Stern des Himmels Glantz und Scheinen Schaut an den lichten Straal aus dem gewoͤlckten Reich/ Und/ wollen alle wir uns ruͤhmen als die Seinen/ So muͤſſen wir zuvor dem Sterne werden gleich! Geſetzter Leichen-Stein Hn. B. S. den 31. Julii 1670. WEil unſer Fleiſch und Blut ſind Kleider die verweſen/ Und dieſes irrdne Haus verfaͤllt in ſeinen Sand/ So ließ die kluge Welt noch ihr Gedaͤchtnuͤß leſen/ Und hat den groͤſten Fleiß auff Graͤbern angewand. Rom wolt’ ein ewig Licht den Abgelebten brennen/ Aegypten fuͤhrte Thuͤrm/ und hohe Saͤulen auff; Viel gaben die Begier durch Tempel zu erkennen/ Jn welchen einverleibt der Todten Lebens-Lauff. Es muſte Morgenland den beſten Balſam ſchicken/ Und angenehmes Oel/ ſie mit zu ſalben ein. Der letzte Wille hieß das Grab mit Fleiß zu ſchmuͤcken/ Und es mit Lilien und Roſen zu beſtreun. Es ſtunden Redner auff/ die mit beredter Zungen Der grimmen Sterbligkeit entgegen ſich geſetzt/ Es ward des Todten Ruhm durch Lieder abgeſungen/ Der beſten Thaten Ruff in Stein und Stahl geetzt. Jch wil den grauen Mund der alten Zeit nicht fragen/ Noch frembder Voͤlcker Recht und Braͤuche fuͤhren an; Denn wo wir mehr zu ſehn nur ein Verlangen tragen/ So iſt der Daͤhn und Ruhn/ der uns vergnuͤgen kan. Jhr Eifer/ der ſie trieb die Graͤber auffzubauen/ Die Liebe ſo ſie auch die Steine legen hieß/ Und Fff 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/317
Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/317>, abgerufen am 24.11.2024.