Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

Bild:
<< vorherige Seite
Leichen-Gedichte.
Dort wird zur Opfferung ein reines Feur gewehret/
Und muß an hellem Glantz den Sternen gleiche seyn.
Werfft ab die Sünden-Last und irrdische Gedancken/
Die euren Sinn gar leicht vom Himmel abwerts zichn/
Seht auff und über euch/ wie in gesetztem Schrancken
Sonn'/ Mond und Sterne sich in ihrem Lauff bemühn/
Jhr werdet alsobald die Würckungen empfinden
Und was vor Eigenschafft in eu'ren Cörpern sey;
Doch dörffen wir hier nicht voll Aberwitz ergrunden
Und Epicurus Schluß unschlüßlich stimmen bey;
Es sey des Menschen Seel vom Schöpffer so gebohren/
Daß ein besonder Stern mit der Geburt auffgeh/
Wem Gold und Güter hier und Reichthum auserkohren/
Dem sey ein schöner Stern gesetzet in die Höh/
Ein Armer habe nur ein kleines Licht zu schauen/
Der Noth und Mangel spürt/ seh' tunckles glimmen an;
Wem aber wolte nicht vor solcher Narrheit grauen
Die nur mit Lästerung beschimpfft des Himmels Bahn.
Wir/ die des Vatern Glantz und helles Wort erleuchtet
Verstehen aus der Schrifft/ daß die den Sternen gleich/
So mit Gerechtigkeit gleich einem Strom befeuchtet/
Die werden stehen dort in GOttes Gnaden-Reich.
Hier gläntzt ein solcher Stern/ der allbereit versetzet/
Die Straalen schiessen schon vom Firmament herab/
Ob bey der Reinigung man gleich die Wangen netzet/
Und den unreinen Leib verscharret in das Grab.
So bald der Morgen-Stern im Hertzen auffgegangen
Und dieses Tage-Licht die zarte Frucht gesehn/
So bald trug Vater-Treu/ und Mutter-Lust Verlangen
Und wünschten Freud und Lust/ die ihnen auch geschehn;
Worauff als der Verstand der Jahre sich genahet
Und Klugheit ihren Sitz zu suchen sich bemüht/
Da wurde gleich hierauff von beyderseits bejahet
Den Fremden zu vertraun die angenehme Blüt/
Daselbst sie auch erlernt den Weltberühmten Handel/
Der durch blutsaure Müh und vieler Nächte Schweiß
Gesuchet werden muß. Hier hat der gute Wandel
Und wahres Christenthum geführt den wachen Fleiß/
Daß er bey Feindes-Noth und ungestümem wüten
Gefaßt ein Löwen-Hertz und die Gefahr veracht/
Denn/
Fff 2
Leichen-Gedichte.
Dort wird zur Opfferung ein reines Feur gewehret/
Und muß an hellem Glantz den Sternen gleiche ſeyn.
Werfft ab die Suͤnden-Laſt und irrdiſche Gedancken/
Die euren Sinn gar leicht vom Himmel abwerts zichn/
Seht auff und uͤber euch/ wie in geſetztem Schrancken
Sonn’/ Mond und Sterne ſich in ihrem Lauff bemuͤhn/
Jhr werdet alſobald die Wuͤrckungen empfinden
Und was vor Eigenſchafft in eu’ren Coͤrpern ſey;
Doch doͤrffen wir hier nicht voll Aberwitz ergrunden
Und Epicurus Schluß unſchluͤßlich ſtimmen bey;
Es ſey des Menſchen Seel vom Schoͤpffer ſo gebohren/
Daß ein beſonder Stern mit der Geburt auffgeh/
Wem Gold und Guͤter hier und Reichthum auserkohren/
Dem ſey ein ſchoͤner Stern geſetzet in die Hoͤh/
Ein Armer habe nur ein kleines Licht zu ſchauen/
Der Noth und Mangel ſpuͤrt/ ſeh’ tunckles glimmen an;
Wem aber wolte nicht vor ſolcher Narrheit grauen
Die nur mit Laͤſterung beſchimpfft des Himmels Bahn.
Wir/ die des Vatern Glantz und helles Wort erleuchtet
Verſtehen aus der Schrifft/ daß die den Sternen gleich/
So mit Gerechtigkeit gleich einem Strom befeuchtet/
Die werden ſtehen dort in GOttes Gnaden-Reich.
Hier glaͤntzt ein ſolcher Stern/ der allbereit verſetzet/
Die Straalen ſchieſſen ſchon vom Firmament herab/
Ob bey der Reinigung man gleich die Wangen netzet/
Und den unreinen Leib verſcharret in das Grab.
So bald der Morgen-Stern im Hertzen auffgegangen
Und dieſes Tage-Licht die zarte Frucht geſehn/
So bald trug Vater-Treu/ und Mutter-Luſt Verlangen
Und wuͤnſchten Freud und Luſt/ die ihnen auch geſchehn;
Worauff als der Verſtand der Jahre ſich genahet
Und Klugheit ihren Sitz zu ſuchen ſich bemuͤht/
Da wurde gleich hierauff von beyderſeits bejahet
Den Fremden zu vertraun die angenehme Bluͤt/
Daſelbſt ſie auch erlernt den Weltberuͤhmten Handel/
Der durch blutſaure Muͤh und vieler Naͤchte Schweiß
Geſuchet werden muß. Hier hat der gute Wandel
Und wahres Chriſtenthum gefuͤhrt den wachen Fleiß/
Daß er bey Feindes-Noth und ungeſtuͤmem wuͤten
Gefaßt ein Loͤwen-Hertz und die Gefahr veracht/
Denn/
Fff 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0315" n="83"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leichen-Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <l>Dort wird zur Opfferung ein reines Feur gewehret/</l><lb/>
          <l>Und muß an hellem Glantz den Sternen gleiche &#x017F;eyn.</l><lb/>
          <l>Werfft ab die Su&#x0364;nden-La&#x017F;t und irrdi&#x017F;che Gedancken/</l><lb/>
          <l>Die euren Sinn gar leicht vom Himmel abwerts zichn/</l><lb/>
          <l>Seht auff und u&#x0364;ber euch/ wie in ge&#x017F;etztem Schrancken</l><lb/>
          <l>Sonn&#x2019;/ Mond und Sterne &#x017F;ich in ihrem Lauff bemu&#x0364;hn/</l><lb/>
          <l>Jhr werdet al&#x017F;obald die Wu&#x0364;rckungen empfinden</l><lb/>
          <l>Und was vor Eigen&#x017F;chafft in eu&#x2019;ren Co&#x0364;rpern &#x017F;ey;</l><lb/>
          <l>Doch do&#x0364;rffen wir hier nicht voll Aberwitz ergrunden</l><lb/>
          <l>Und Epicurus Schluß un&#x017F;chlu&#x0364;ßlich &#x017F;timmen bey;</l><lb/>
          <l>Es &#x017F;ey des Men&#x017F;chen Seel vom Scho&#x0364;pffer &#x017F;o gebohren/</l><lb/>
          <l>Daß ein be&#x017F;onder Stern mit der Geburt auffgeh/</l><lb/>
          <l>Wem Gold und Gu&#x0364;ter hier und Reichthum auserkohren/</l><lb/>
          <l>Dem &#x017F;ey ein &#x017F;cho&#x0364;ner Stern ge&#x017F;etzet in die Ho&#x0364;h/</l><lb/>
          <l>Ein Armer habe nur ein kleines Licht zu &#x017F;chauen/</l><lb/>
          <l>Der Noth und Mangel &#x017F;pu&#x0364;rt/ &#x017F;eh&#x2019; tunckles glimmen an;</l><lb/>
          <l>Wem aber wolte nicht vor &#x017F;olcher Narrheit grauen</l><lb/>
          <l>Die nur mit La&#x0364;&#x017F;terung be&#x017F;chimpfft des Himmels Bahn.</l><lb/>
          <l>Wir/ die des Vatern Glantz und helles Wort erleuchtet</l><lb/>
          <l>Ver&#x017F;tehen aus der Schrifft/ daß die den Sternen gleich/</l><lb/>
          <l>So mit Gerechtigkeit gleich einem Strom befeuchtet/</l><lb/>
          <l>Die werden &#x017F;tehen dort in GOttes Gnaden-Reich.</l><lb/>
          <l>Hier gla&#x0364;ntzt <hi rendition="#fr">ein &#x017F;olcher Stern/</hi> der allbereit ver&#x017F;etzet/</l><lb/>
          <l>Die Straalen &#x017F;chie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chon vom Firmament herab/</l><lb/>
          <l>Ob bey der Reinigung man gleich die Wangen netzet/</l><lb/>
          <l>Und den unreinen Leib ver&#x017F;charret in das Grab.</l><lb/>
          <l>So bald der Morgen-Stern im Hertzen auffgegangen</l><lb/>
          <l>Und die&#x017F;es Tage-Licht die zarte Frucht ge&#x017F;ehn/</l><lb/>
          <l>So bald trug Vater-Treu/ und Mutter-Lu&#x017F;t Verlangen</l><lb/>
          <l>Und wu&#x0364;n&#x017F;chten Freud und Lu&#x017F;t/ die ihnen auch ge&#x017F;chehn;</l><lb/>
          <l>Worauff als der Ver&#x017F;tand der Jahre &#x017F;ich genahet</l><lb/>
          <l>Und Klugheit ihren Sitz zu &#x017F;uchen &#x017F;ich bemu&#x0364;ht/</l><lb/>
          <l>Da wurde gleich hierauff von beyder&#x017F;eits bejahet</l><lb/>
          <l>Den Fremden zu vertraun die angenehme Blu&#x0364;t/</l><lb/>
          <l>Da&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ie auch erlernt den Weltberu&#x0364;hmten Handel/</l><lb/>
          <l>Der durch blut&#x017F;aure Mu&#x0364;h und vieler Na&#x0364;chte Schweiß</l><lb/>
          <l>Ge&#x017F;uchet werden muß. Hier hat der gute Wandel</l><lb/>
          <l>Und wahres Chri&#x017F;tenthum gefu&#x0364;hrt den wachen Fleiß/</l><lb/>
          <l>Daß er bey Feindes-Noth und unge&#x017F;tu&#x0364;mem wu&#x0364;ten</l><lb/>
          <l>Gefaßt ein Lo&#x0364;wen-Hertz und die Gefahr veracht/</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">Fff 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Denn/</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0315] Leichen-Gedichte. Dort wird zur Opfferung ein reines Feur gewehret/ Und muß an hellem Glantz den Sternen gleiche ſeyn. Werfft ab die Suͤnden-Laſt und irrdiſche Gedancken/ Die euren Sinn gar leicht vom Himmel abwerts zichn/ Seht auff und uͤber euch/ wie in geſetztem Schrancken Sonn’/ Mond und Sterne ſich in ihrem Lauff bemuͤhn/ Jhr werdet alſobald die Wuͤrckungen empfinden Und was vor Eigenſchafft in eu’ren Coͤrpern ſey; Doch doͤrffen wir hier nicht voll Aberwitz ergrunden Und Epicurus Schluß unſchluͤßlich ſtimmen bey; Es ſey des Menſchen Seel vom Schoͤpffer ſo gebohren/ Daß ein beſonder Stern mit der Geburt auffgeh/ Wem Gold und Guͤter hier und Reichthum auserkohren/ Dem ſey ein ſchoͤner Stern geſetzet in die Hoͤh/ Ein Armer habe nur ein kleines Licht zu ſchauen/ Der Noth und Mangel ſpuͤrt/ ſeh’ tunckles glimmen an; Wem aber wolte nicht vor ſolcher Narrheit grauen Die nur mit Laͤſterung beſchimpfft des Himmels Bahn. Wir/ die des Vatern Glantz und helles Wort erleuchtet Verſtehen aus der Schrifft/ daß die den Sternen gleich/ So mit Gerechtigkeit gleich einem Strom befeuchtet/ Die werden ſtehen dort in GOttes Gnaden-Reich. Hier glaͤntzt ein ſolcher Stern/ der allbereit verſetzet/ Die Straalen ſchieſſen ſchon vom Firmament herab/ Ob bey der Reinigung man gleich die Wangen netzet/ Und den unreinen Leib verſcharret in das Grab. So bald der Morgen-Stern im Hertzen auffgegangen Und dieſes Tage-Licht die zarte Frucht geſehn/ So bald trug Vater-Treu/ und Mutter-Luſt Verlangen Und wuͤnſchten Freud und Luſt/ die ihnen auch geſchehn; Worauff als der Verſtand der Jahre ſich genahet Und Klugheit ihren Sitz zu ſuchen ſich bemuͤht/ Da wurde gleich hierauff von beyderſeits bejahet Den Fremden zu vertraun die angenehme Bluͤt/ Daſelbſt ſie auch erlernt den Weltberuͤhmten Handel/ Der durch blutſaure Muͤh und vieler Naͤchte Schweiß Geſuchet werden muß. Hier hat der gute Wandel Und wahres Chriſtenthum gefuͤhrt den wachen Fleiß/ Daß er bey Feindes-Noth und ungeſtuͤmem wuͤten Gefaßt ein Loͤwen-Hertz und die Gefahr veracht/ Denn/ Fff 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/315
Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/315>, abgerufen am 11.06.2024.