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Mozart, Leopold: Versuch einer gründlichen Violinschule. Augsburg, 1756.

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Des ersten Hauptstücks, erster Abschnitt.
auf das Fest des heil. Johann des Taufers gemachten Lobgesanges entnommen,
nämlich: ut, re, mi, fa, sol, la:
[Beginn Spaltensatz]
Ut queant Laxis,
mira gestorum,
solve polluti,
[Spaltenumbruch]
resonare fibris
famuli tuorum
labii reatum
Sancte Joannes! (c)

[Ende Spaltensatz]
§. 6.

Hierbey blieb es nicht. Er veränderte nach der Hand auch die Syllben in
grosse Puncte, die er auf die Linien setzte, und die Syllben oder Wörter darun-
ter schrieb. Ja er gieng noch weiter; und es fiel ihm bey die grossen Puncte
auch in den Zwischenraum zu setzen. (d) Dadurch ersparte er auch zwo Linien:
denn er setzte die vormaligen 7. Linien wirklich auf 5. herunter. Dieß hieß nun
zwar viel gethan: doch blieb die Musik wegen der gleichen Puncte noch langsam
und schläferig.

§. 7.

Diese Beschwerniß überwand Johann von der Mauer. (e) Er ver-
änderte die Puncte in Noten; und dadurch entstunde endlich eine bessere Einthei-
lung und ein Zeitmaas, so man vorher nicht hatte. Anfänglich erfand er die
folgenden 5. Figuren:

[Musik]

[Musik]

[Musik]

[Musik]

[Musik]

Maxima,Longa,Brevis,Semibrevis,Minima. (f)

Man wagte es nach der Hand diese fünff Figuren mit noch zwo andern
zu vermehren: nämlich mit einer Semiminima und mit einer Fusa, z. E.

man
(c) Angelo Berardi hat es in eine Zeile geschlossen: ut relevet miserum fatum
solitosque labores.
(d) Von diesen Puncten ist das Wort Contrapunct entstanden, welche Art der
Composition ein ieder verstehen muß, der ein rechtschaffener Componiste
heissen will.
(e) Was Guido und Johann von der Mauer für Leute gewesen, ist in der Einlei-
tung schon gesagt worden.
(f) Glareanus L. 2. C. 1.

Des erſten Hauptſtuͤcks, erſter Abſchnitt.
auf das Feſt des heil. Johann des Taufers gemachten Lobgeſanges entnommen,
naͤmlich: ut, re, mi, fa, ſol, la:
[Beginn Spaltensatz]
Ut queant Laxis,
mira geſtorum,
ſolve polluti,
[Spaltenumbruch]
reſonare fibris
famuli tuorum
labii reatum
Sancte Joannes! (c)

[Ende Spaltensatz]
§. 6.

Hierbey blieb es nicht. Er veraͤnderte nach der Hand auch die Syllben in
groſſe Puncte, die er auf die Linien ſetzte, und die Syllben oder Woͤrter darun-
ter ſchrieb. Ja er gieng noch weiter; und es fiel ihm bey die groſſen Puncte
auch in den Zwiſchenraum zu ſetzen. (d) Dadurch erſparte er auch zwo Linien:
denn er ſetzte die vormaligen 7. Linien wirklich auf 5. herunter. Dieß hieß nun
zwar viel gethan: doch blieb die Muſik wegen der gleichen Puncte noch langſam
und ſchlaͤferig.

§. 7.

Dieſe Beſchwerniß uͤberwand Johann von der Mauer. (e) Er ver-
aͤnderte die Puncte in Noten; und dadurch entſtunde endlich eine beſſere Einthei-
lung und ein Zeitmaas, ſo man vorher nicht hatte. Anfaͤnglich erfand er die
folgenden 5. Figuren:

[Musik]

𝆶

[Musik]

𝆷

[Musik]

𝆸

[Musik]

𝆹

[Musik]

𝆹𝅥

Maxima,Longa,Brevis,Semibrevis,Minima. (f)

Man wagte es nach der Hand dieſe fuͤnff Figuren mit noch zwo andern
zu vermehren: naͤmlich mit einer Semiminima und mit einer Fuſa, z. E.

man
(c) Angelo Berardi hat es in eine Zeile geſchloſſen: ut relevet miſerum fatum
ſolitosque labores.
(d) Von dieſen Puncten iſt das Wort Contrapunct entſtanden, welche Art der
Composition ein ieder verſtehen muß, der ein rechtſchaffener Componiſte
heiſſen will.
(e) Was Guido und Johann von der Mauer fuͤr Leute geweſen, iſt in der Einlei-
tung ſchon geſagt worden.
(f) Glareanus L. 2. C. 1.
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[22/0044] Des erſten Hauptſtuͤcks, erſter Abſchnitt. auf das Feſt des heil. Johann des Taufers gemachten Lobgeſanges entnommen, naͤmlich: ut, re, mi, fa, ſol, la: Ut queant Laxis, mira geſtorum, ſolve polluti, reſonare fibris famuli tuorum labii reatum Sancte Joannes! (c) §. 6. Hierbey blieb es nicht. Er veraͤnderte nach der Hand auch die Syllben in groſſe Puncte, die er auf die Linien ſetzte, und die Syllben oder Woͤrter darun- ter ſchrieb. Ja er gieng noch weiter; und es fiel ihm bey die groſſen Puncte auch in den Zwiſchenraum zu ſetzen. (d) Dadurch erſparte er auch zwo Linien: denn er ſetzte die vormaligen 7. Linien wirklich auf 5. herunter. Dieß hieß nun zwar viel gethan: doch blieb die Muſik wegen der gleichen Puncte noch langſam und ſchlaͤferig. §. 7. Dieſe Beſchwerniß uͤberwand Johann von der Mauer. (e) Er ver- aͤnderte die Puncte in Noten; und dadurch entſtunde endlich eine beſſere Einthei- lung und ein Zeitmaas, ſo man vorher nicht hatte. Anfaͤnglich erfand er die folgenden 5. Figuren: [Abbildung 𝆶] [Abbildung 𝆷] [Abbildung 𝆸] [Abbildung 𝆹] [Abbildung 𝆹𝅥] Maxima, Longa, Brevis, Semibrevis, Minima. (f) Man wagte es nach der Hand dieſe fuͤnff Figuren mit noch zwo andern zu vermehren: naͤmlich mit einer Semiminima und mit einer Fuſa, z. E. man (c) Angelo Berardi hat es in eine Zeile geſchloſſen: ut relevet miſerum fatum ſolitosque labores. (d) Von dieſen Puncten iſt das Wort Contrapunct entſtanden, welche Art der Composition ein ieder verſtehen muß, der ein rechtſchaffener Componiſte heiſſen will. (e) Was Guido und Johann von der Mauer fuͤr Leute geweſen, iſt in der Einlei- tung ſchon geſagt worden. (f) Glareanus L. 2. C. 1.

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Zitationshilfe: Mozart, Leopold: Versuch einer gründlichen Violinschule. Augsburg, 1756, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mozart_violinschule_1756/44>, abgerufen am 22.11.2024.