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Mozart, Leopold: Versuch einer gründlichen Violinschule. Augsburg, 1756.

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Des ersten Hauptstücks, erster Abschnitt.
man machte aus der Minima eine Semiminima, da man sie schwarz ausfüll-
te: [Musik]

oder man ließ sie weiß; sie bekam aber oben ein kleines Häckel. [Musik]


Auf eben diese Art wurde die Fusa schwarz vorgestellt; oben aber durch ein
Häckel von der Semiminima unterschieden: [Musik]

oder man ließ sie auch weiß;
doch bekam sie 2. Häckel. [Musik]

Die Jnstrumentisten nahmen sich endlich die
Freyheit auch so gar die Fusam zu zertheilen, und eine Semifusam zu erfin-
den. Sie war freylich bald erfunden. Man strich die schwarze Note zwey-
mal; [Musik]

oder, wenn sie weiß blieb, strich man sie dreymal. [Musik] (g) End-
lich ist mit dem Anwachs der Jahre auch die Musik immer gestiegen, und mit
langsamen Schritten durch viele Mühe zu dem heutigen Grad der Vollkommen-
heit (h) empor gestiegen.

§. 8.

Fünf Linien sind es auf welche wir itzt unsere Noten setzen, und die uns
gleich einer Stiege das Aufsteigen und Absteigen der Töne zu erkennen geben.
Es werden sowohl unter diese 5. Linien, als auch über dieselben noch andere ge-
zogen: wenn nämlich die Höhe oder Tiefe des Jnstruments und der Melodie sol-
ches erfordert.

§. 9.

Jedes Jnstrument wird an einem Zeichen erkennet, welches man den Schlüs-
sel nennet. (i) Dieser Schlüssel stehet allezeit auf einer Linie. Er führt einen

gewissen
(g) Glareanus, eodem loco.
(h) Man stosse sich nicht an dem Worte: Vollkommenheit. Wenn wir genau und
nach der Schärfe darein sehen, so sind freylich noch Stuffen ober uns.
Doch glaube ich, wenn es wahr wäre, daß die griechische Musik die Krank-
heiten geheilet hätte: so müßte unsere heutige Musik unfehlbar gar die Er-
blaßten aus ihrer Sarge rufen.
(i) Das Wort Schlüssel ist hier metaphorisch genommen. Denn gleichwie ein aus
Eisen gemachter Schlüssel das Schloß, zu dem er gemacht ist, aufschließt;
also eröffnet uns der musikalische Schlüssel den Weg zu dem Gesange, zu
welchem er bestimmet ist.

Des erſten Hauptſtuͤcks, erſter Abſchnitt.
man machte aus der Minima eine Semiminima, da man ſie ſchwarz ausfuͤll-
te: [Musik]

𝆺𝅥

oder man ließ ſie weiß; ſie bekam aber oben ein kleines Haͤckel. [Musik]

𝆹𝅥𝅮


Auf eben dieſe Art wurde die Fuſa ſchwarz vorgeſtellt; oben aber durch ein
Haͤckel von der Semiminima unterſchieden: [Musik]

𝆺𝅥𝅮

oder man ließ ſie auch weiß;
doch bekam ſie 2. Haͤckel. [Musik]

𝆹𝅥𝅯

Die Jnſtrumentiſten nahmen ſich endlich die
Freyheit auch ſo gar die Fuſam zu zertheilen, und eine Semifuſam zu erfin-
den. Sie war freylich bald erfunden. Man ſtrich die ſchwarze Note zwey-
mal; [Musik]

𝆺𝅥𝅯

oder, wenn ſie weiß blieb, ſtrich man ſie dreymal. [Musik] (g) End-
lich iſt mit dem Anwachs der Jahre auch die Muſik immer geſtiegen, und mit
langſamen Schritten durch viele Muͤhe zu dem heutigen Grad der Vollkommen-
heit (h) empor geſtiegen.

§. 8.

Fuͤnf Linien ſind es auf welche wir itzt unſere Noten ſetzen, und die uns
gleich einer Stiege das Aufſteigen und Abſteigen der Toͤne zu erkennen geben.
Es werden ſowohl unter dieſe 5. Linien, als auch uͤber dieſelben noch andere ge-
zogen: wenn naͤmlich die Hoͤhe oder Tiefe des Jnſtruments und der Melodie ſol-
ches erfordert.

§. 9.

Jedes Jnſtrument wird an einem Zeichen erkennet, welches man den Schluͤſ-
ſel nennet. (i) Dieſer Schluͤſſel ſtehet allezeit auf einer Linie. Er fuͤhrt einen

gewiſſen
(g) Glareanus, eodem loco.
(h) Man ſtoſſe ſich nicht an dem Worte: Vollkommenheit. Wenn wir genau und
nach der Schaͤrfe darein ſehen, ſo ſind freylich noch Stuffen ober uns.
Doch glaube ich, wenn es wahr waͤre, daß die griechiſche Muſik die Krank-
heiten geheilet haͤtte: ſo muͤßte unſere heutige Muſik unfehlbar gar die Er-
blaßten aus ihrer Sarge rufen.
(i) Das Wort Schluͤſſel iſt hier metaphoriſch genommen. Denn gleichwie ein aus
Eiſen gemachter Schluͤſſel das Schloß, zu dem er gemacht iſt, aufſchließt;
alſo eroͤffnet uns der muſikaliſche Schluͤſſel den Weg zu dem Geſange, zu
welchem er beſtimmet iſt.
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[23/0045] Des erſten Hauptſtuͤcks, erſter Abſchnitt. man machte aus der Minima eine Semiminima, da man ſie ſchwarz ausfuͤll- te: [Abbildung 𝆺𝅥] oder man ließ ſie weiß; ſie bekam aber oben ein kleines Haͤckel. [Abbildung 𝆹𝅥𝅮] Auf eben dieſe Art wurde die Fuſa ſchwarz vorgeſtellt; oben aber durch ein Haͤckel von der Semiminima unterſchieden: [Abbildung 𝆺𝅥𝅮] oder man ließ ſie auch weiß; doch bekam ſie 2. Haͤckel. [Abbildung 𝆹𝅥𝅯] Die Jnſtrumentiſten nahmen ſich endlich die Freyheit auch ſo gar die Fuſam zu zertheilen, und eine Semifuſam zu erfin- den. Sie war freylich bald erfunden. Man ſtrich die ſchwarze Note zwey- mal; [Abbildung 𝆺𝅥𝅯] oder, wenn ſie weiß blieb, ſtrich man ſie dreymal. [Abbildung] (g) End- lich iſt mit dem Anwachs der Jahre auch die Muſik immer geſtiegen, und mit langſamen Schritten durch viele Muͤhe zu dem heutigen Grad der Vollkommen- heit (h) empor geſtiegen. §. 8. Fuͤnf Linien ſind es auf welche wir itzt unſere Noten ſetzen, und die uns gleich einer Stiege das Aufſteigen und Abſteigen der Toͤne zu erkennen geben. Es werden ſowohl unter dieſe 5. Linien, als auch uͤber dieſelben noch andere ge- zogen: wenn naͤmlich die Hoͤhe oder Tiefe des Jnſtruments und der Melodie ſol- ches erfordert. §. 9. Jedes Jnſtrument wird an einem Zeichen erkennet, welches man den Schluͤſ- ſel nennet. (i) Dieſer Schluͤſſel ſtehet allezeit auf einer Linie. Er fuͤhrt einen gewiſſen (g) Glareanus, eodem loco. (h) Man ſtoſſe ſich nicht an dem Worte: Vollkommenheit. Wenn wir genau und nach der Schaͤrfe darein ſehen, ſo ſind freylich noch Stuffen ober uns. Doch glaube ich, wenn es wahr waͤre, daß die griechiſche Muſik die Krank- heiten geheilet haͤtte: ſo muͤßte unſere heutige Muſik unfehlbar gar die Er- blaßten aus ihrer Sarge rufen. (i) Das Wort Schluͤſſel iſt hier metaphoriſch genommen. Denn gleichwie ein aus Eiſen gemachter Schluͤſſel das Schloß, zu dem er gemacht iſt, aufſchließt; alſo eroͤffnet uns der muſikaliſche Schluͤſſel den Weg zu dem Geſange, zu welchem er beſtimmet iſt.

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Zitationshilfe: Mozart, Leopold: Versuch einer gründlichen Violinschule. Augsburg, 1756, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mozart_violinschule_1756/45>, abgerufen am 30.04.2024.