sagen: Dass wenigstens die Erziehung der mei- sten Fürsten an ihrer Unwissenheit und Un- tüchtigkeit zu ihrem künftigen Regenten-Amt unschuldig sey. Sie wissen ehender zu viel als zu wenig; und der Fall des guten Kaysers Maximilians I. der so tief über seine Unwis- senheit der Lateinischen Sprache trauerte, kann unsere Tage nicht mehr treffen, da unsere gnä- digste Herrn nur Französisch reden und schrei- ben, und es keine Seltenheit mehr um einen Deutschen Fürsten ist, der nicht einmahl ein in seiner eigenen Landessprache geschriebenes Buch zu lesen vermag, oder einen Deutschen Brief und Aufsatz ohne Hülfe seines Deutsch- Franzosen versteht. Wenn jedoch ein Ludwig XVI. über seine schlechte Erziehung unter der Leitung des Herzogs von Harcourt selbst kla- gen musste, so ist diss weniger zu verwun- dern, weil, schlecht erzogen zu werden, von jeher ein Königliches Privilegium gewesen ist.
Wenn aber auch in der ersten Grundlage ihrer Erziehung nichts versehen oder verabsaümet wird, so werden sie durch die frühe Vorliebe für den Militarstand und durch den frühzeitigen Eintritt in denselben, vor der Zeit wieder hart. Am schlimmsten aber ist, wenn sie sich gar
sagen: Daſs wenigstens die Erziehung der mei- sten Fürsten an ihrer Unwissenheit und Un- tüchtigkeit zu ihrem künftigen Regenten-Amt unschuldig sey. Sie wiſsen ehender zu viel als zu wenig; und der Fall des guten Kaysers Maximilians I. der so tief über seine Unwis- senheit der Lateinischen Sprache trauerte, kann unsere Tage nicht mehr treffen, da unsere gnä- digste Herrn nur Französisch reden und schrei- ben, und es keine Seltenheit mehr um einen Deutschen Fürsten ist, der nicht einmahl ein in seiner eigenen Landessprache geschriebenes Buch zu lesen vermag, oder einen Deutschen Brief und Aufsatz ohne Hülfe seines Deutsch- Franzosen versteht. Wenn jedoch ein Ludwig XVI. über seine schlechte Erziehung unter der Leitung des Herzogs von Harcourt selbst kla- gen muſste, so ist diſs weniger zu verwun- dern, weil, schlecht erzogen zu werden, von jeher ein Königliches Privilegium gewesen ist.
Wenn aber auch in der ersten Grundlage ihrer Erziehung nichts versehen oder verabsaümet wird, so werden sie durch die frühe Vorliebe für den Militarstand und durch den frühzeitigen Eintritt in denselben, vor der Zeit wieder hart. Am schlimmsten aber ist, wenn sie sich gar
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sagen: Daſs wenigstens die Erziehung der mei-
sten Fürsten an ihrer Unwissenheit und Un-
tüchtigkeit zu ihrem künftigen Regenten-Amt
unschuldig sey. Sie wiſsen ehender zu viel
als zu wenig; und der Fall des guten Kaysers
Maximilians I. der so tief über seine Unwis-
senheit der Lateinischen Sprache trauerte, kann
unsere Tage nicht mehr treffen, da unsere gnä-
digste Herrn nur Französisch reden und schrei-
ben, und es keine Seltenheit mehr um einen
Deutschen Fürsten ist, der nicht einmahl ein
in seiner eigenen Landessprache geschriebenes
Buch zu lesen vermag, oder einen Deutschen
Brief und Aufsatz ohne Hülfe seines Deutsch-
Franzosen versteht. Wenn jedoch ein Ludwig
XVI. über seine schlechte Erziehung unter der
Leitung des Herzogs von Harcourt selbst kla-
gen muſste, so ist diſs weniger zu verwun-
dern, weil, schlecht erzogen zu werden, von
jeher ein Königliches Privilegium gewesen ist.
Wenn aber auch in der ersten Grundlage ihrer
Erziehung nichts versehen oder verabsaümet
wird, so werden sie durch die frühe Vorliebe
für den Militarstand und durch den frühzeitigen
Eintritt in denselben, vor der Zeit wieder hart.
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/159>, abgerufen am 23.11.2024.
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