Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

nun am frühen Morgen mit starken Schritten
auf Gotha zuwanderte.

Weil er die Nacht wenig geschlafen hatte,
waren seine Gedanken auf dem Wege nach Go¬
tha eben nicht sehr heiter, wozu noch kam, daß
mit jedem Schritte seine Aussicht nun enger
wurde, und seine Phantasie weniger Spiel¬
raum hatte.

Es war an einem Sonntage, und ein Schu¬
ster, der die Woche aufs Land gegangen war,
um Schulden einzufordern, kehrte mit ihm nach
Gotha, und sagte ihm unter andern, daß es
dort sehr theuer zu leben sey.

Diese Nachricht war für Reisern sehr be¬
denklich, der nun ohngefähr noch einen Gulden
im Vermögen hatte, und dessen Schicksal in
Gotha sich also sehr bald entscheiden mußte. --

Das Gespräch mit dem Schuster, der ihm
als ein Einwohner von Gotha seine Noth klagte,
war für ihn gar nicht unterhaltend, und stimmte
seine Ideen sehr herab, da er nun das wirkliche
Leben in so einer Stadt sich dachte, wo noch
kein Mensch ihn kannte, und wo es noch sehr
zweifelhaft war, ob irgend jemand an seinem

nun am fruͤhen Morgen mit ſtarken Schritten
auf Gotha zuwanderte.

Weil er die Nacht wenig geſchlafen hatte,
waren ſeine Gedanken auf dem Wege nach Go¬
tha eben nicht ſehr heiter, wozu noch kam, daß
mit jedem Schritte ſeine Ausſicht nun enger
wurde, und ſeine Phantaſie weniger Spiel¬
raum hatte.

Es war an einem Sonntage, und ein Schu¬
ſter, der die Woche aufs Land gegangen war,
um Schulden einzufordern, kehrte mit ihm nach
Gotha, und ſagte ihm unter andern, daß es
dort ſehr theuer zu leben ſey.

Dieſe Nachricht war fuͤr Reiſern ſehr be¬
denklich, der nun ohngefaͤhr noch einen Gulden
im Vermoͤgen hatte, und deſſen Schickſal in
Gotha ſich alſo ſehr bald entſcheiden mußte. —

Das Geſpraͤch mit dem Schuſter, der ihm
als ein Einwohner von Gotha ſeine Noth klagte,
war fuͤr ihn gar nicht unterhaltend, und ſtimmte
ſeine Ideen ſehr herab, da er nun das wirkliche
Leben in ſo einer Stadt ſich dachte, wo noch
kein Menſch ihn kannte, und wo es noch ſehr
zweifelhaft war, ob irgend jemand an ſeinem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0060" n="46"/>
nun am fru&#x0364;hen Morgen mit &#x017F;tarken Schritten<lb/>
auf Gotha zuwanderte.</p><lb/>
      <p>Weil er die Nacht wenig ge&#x017F;chlafen hatte,<lb/>
waren &#x017F;eine Gedanken auf dem Wege nach Go¬<lb/>
tha eben nicht &#x017F;ehr heiter, wozu noch kam, daß<lb/>
mit jedem Schritte &#x017F;eine Aus&#x017F;icht nun enger<lb/>
wurde, und &#x017F;eine Phanta&#x017F;ie weniger Spiel¬<lb/>
raum hatte.</p><lb/>
      <p>Es war an einem Sonntage, und ein Schu¬<lb/>
&#x017F;ter, der die Woche aufs Land gegangen war,<lb/>
um Schulden einzufordern, kehrte mit ihm nach<lb/>
Gotha, und &#x017F;agte ihm unter andern, daß es<lb/>
dort &#x017F;ehr theuer zu leben &#x017F;ey.</p><lb/>
      <p>Die&#x017F;e Nachricht war fu&#x0364;r Rei&#x017F;ern &#x017F;ehr be¬<lb/>
denklich, der nun ohngefa&#x0364;hr noch einen Gulden<lb/>
im Vermo&#x0364;gen hatte, und de&#x017F;&#x017F;en Schick&#x017F;al in<lb/>
Gotha &#x017F;ich al&#x017F;o &#x017F;ehr bald ent&#x017F;cheiden mußte. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Das Ge&#x017F;pra&#x0364;ch mit dem Schu&#x017F;ter, der ihm<lb/>
als ein Einwohner von Gotha &#x017F;eine Noth klagte,<lb/>
war fu&#x0364;r ihn gar nicht unterhaltend, und &#x017F;timmte<lb/>
&#x017F;eine Ideen &#x017F;ehr herab, da er nun das wirkliche<lb/>
Leben in &#x017F;o einer Stadt &#x017F;ich dachte, wo noch<lb/>
kein Men&#x017F;ch ihn kannte, und wo es noch &#x017F;ehr<lb/>
zweifelhaft war, ob irgend jemand an &#x017F;einem<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0060] nun am fruͤhen Morgen mit ſtarken Schritten auf Gotha zuwanderte. Weil er die Nacht wenig geſchlafen hatte, waren ſeine Gedanken auf dem Wege nach Go¬ tha eben nicht ſehr heiter, wozu noch kam, daß mit jedem Schritte ſeine Ausſicht nun enger wurde, und ſeine Phantaſie weniger Spiel¬ raum hatte. Es war an einem Sonntage, und ein Schu¬ ſter, der die Woche aufs Land gegangen war, um Schulden einzufordern, kehrte mit ihm nach Gotha, und ſagte ihm unter andern, daß es dort ſehr theuer zu leben ſey. Dieſe Nachricht war fuͤr Reiſern ſehr be¬ denklich, der nun ohngefaͤhr noch einen Gulden im Vermoͤgen hatte, und deſſen Schickſal in Gotha ſich alſo ſehr bald entſcheiden mußte. — Das Geſpraͤch mit dem Schuſter, der ihm als ein Einwohner von Gotha ſeine Noth klagte, war fuͤr ihn gar nicht unterhaltend, und ſtimmte ſeine Ideen ſehr herab, da er nun das wirkliche Leben in ſo einer Stadt ſich dachte, wo noch kein Menſch ihn kannte, und wo es noch ſehr zweifelhaft war, ob irgend jemand an ſeinem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/60
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/60>, abgerufen am 23.11.2024.