nun am frühen Morgen mit starken Schritten auf Gotha zuwanderte.
Weil er die Nacht wenig geschlafen hatte, waren seine Gedanken auf dem Wege nach Go¬ tha eben nicht sehr heiter, wozu noch kam, daß mit jedem Schritte seine Aussicht nun enger wurde, und seine Phantasie weniger Spiel¬ raum hatte.
Es war an einem Sonntage, und ein Schu¬ ster, der die Woche aufs Land gegangen war, um Schulden einzufordern, kehrte mit ihm nach Gotha, und sagte ihm unter andern, daß es dort sehr theuer zu leben sey.
Diese Nachricht war für Reisern sehr be¬ denklich, der nun ohngefähr noch einen Gulden im Vermögen hatte, und dessen Schicksal in Gotha sich also sehr bald entscheiden mußte. --
Das Gespräch mit dem Schuster, der ihm als ein Einwohner von Gotha seine Noth klagte, war für ihn gar nicht unterhaltend, und stimmte seine Ideen sehr herab, da er nun das wirkliche Leben in so einer Stadt sich dachte, wo noch kein Mensch ihn kannte, und wo es noch sehr zweifelhaft war, ob irgend jemand an seinem
nun am fruͤhen Morgen mit ſtarken Schritten auf Gotha zuwanderte.
Weil er die Nacht wenig geſchlafen hatte, waren ſeine Gedanken auf dem Wege nach Go¬ tha eben nicht ſehr heiter, wozu noch kam, daß mit jedem Schritte ſeine Ausſicht nun enger wurde, und ſeine Phantaſie weniger Spiel¬ raum hatte.
Es war an einem Sonntage, und ein Schu¬ ſter, der die Woche aufs Land gegangen war, um Schulden einzufordern, kehrte mit ihm nach Gotha, und ſagte ihm unter andern, daß es dort ſehr theuer zu leben ſey.
Dieſe Nachricht war fuͤr Reiſern ſehr be¬ denklich, der nun ohngefaͤhr noch einen Gulden im Vermoͤgen hatte, und deſſen Schickſal in Gotha ſich alſo ſehr bald entſcheiden mußte. —
Das Geſpraͤch mit dem Schuſter, der ihm als ein Einwohner von Gotha ſeine Noth klagte, war fuͤr ihn gar nicht unterhaltend, und ſtimmte ſeine Ideen ſehr herab, da er nun das wirkliche Leben in ſo einer Stadt ſich dachte, wo noch kein Menſch ihn kannte, und wo es noch ſehr zweifelhaft war, ob irgend jemand an ſeinem
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0060"n="46"/>
nun am fruͤhen Morgen mit ſtarken Schritten<lb/>
auf Gotha zuwanderte.</p><lb/><p>Weil er die Nacht wenig geſchlafen hatte,<lb/>
waren ſeine Gedanken auf dem Wege nach Go¬<lb/>
tha eben nicht ſehr heiter, wozu noch kam, daß<lb/>
mit jedem Schritte ſeine Ausſicht nun enger<lb/>
wurde, und ſeine Phantaſie weniger Spiel¬<lb/>
raum hatte.</p><lb/><p>Es war an einem Sonntage, und ein Schu¬<lb/>ſter, der die Woche aufs Land gegangen war,<lb/>
um Schulden einzufordern, kehrte mit ihm nach<lb/>
Gotha, und ſagte ihm unter andern, daß es<lb/>
dort ſehr theuer zu leben ſey.</p><lb/><p>Dieſe Nachricht war fuͤr Reiſern ſehr be¬<lb/>
denklich, der nun ohngefaͤhr noch einen Gulden<lb/>
im Vermoͤgen hatte, und deſſen Schickſal in<lb/>
Gotha ſich alſo ſehr bald entſcheiden mußte. —</p><lb/><p>Das Geſpraͤch mit dem Schuſter, der ihm<lb/>
als ein Einwohner von Gotha ſeine Noth klagte,<lb/>
war fuͤr ihn gar nicht unterhaltend, und ſtimmte<lb/>ſeine Ideen ſehr herab, da er nun das wirkliche<lb/>
Leben in ſo einer Stadt ſich dachte, wo noch<lb/>
kein Menſch ihn kannte, und wo es noch ſehr<lb/>
zweifelhaft war, ob irgend jemand an ſeinem<lb/></p></body></text></TEI>
[46/0060]
nun am fruͤhen Morgen mit ſtarken Schritten
auf Gotha zuwanderte.
Weil er die Nacht wenig geſchlafen hatte,
waren ſeine Gedanken auf dem Wege nach Go¬
tha eben nicht ſehr heiter, wozu noch kam, daß
mit jedem Schritte ſeine Ausſicht nun enger
wurde, und ſeine Phantaſie weniger Spiel¬
raum hatte.
Es war an einem Sonntage, und ein Schu¬
ſter, der die Woche aufs Land gegangen war,
um Schulden einzufordern, kehrte mit ihm nach
Gotha, und ſagte ihm unter andern, daß es
dort ſehr theuer zu leben ſey.
Dieſe Nachricht war fuͤr Reiſern ſehr be¬
denklich, der nun ohngefaͤhr noch einen Gulden
im Vermoͤgen hatte, und deſſen Schickſal in
Gotha ſich alſo ſehr bald entſcheiden mußte. —
Das Geſpraͤch mit dem Schuſter, der ihm
als ein Einwohner von Gotha ſeine Noth klagte,
war fuͤr ihn gar nicht unterhaltend, und ſtimmte
ſeine Ideen ſehr herab, da er nun das wirkliche
Leben in ſo einer Stadt ſich dachte, wo noch
kein Menſch ihn kannte, und wo es noch ſehr
zweifelhaft war, ob irgend jemand an ſeinem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/60>, abgerufen am 31.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.