Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

einmal alle seine Gedanken und Hoffnungen wie¬
der auf. -- Er konnte seine Augen von dem
Gewässer in der Ferne nicht verwenden, das
ihn mit neuem Muth beseelte, die Ferne auf¬
zusuchen. --

Seine Reiseroute von Hildesheim ging
nehmlich über Salzdethfurth, Bockenem, und
Seesen, auf Duderstadt, von wo er denn über
Mühlhausen geradezu nach Erfurt, und von
dort auf Weimar gehen wollte, welches das
Ziel seiner Wünsche war.

Dort glaubte er nehmlich die Eckhoffsche
Schauspielergesellschaft vorzufinden, und seine
Schauspielerlaufbahn sollte dort beginnen. --
Nun spielte er unterwegens auf seinen Wande¬
rungen alle die Rollen in Gedanken durch, die
ihn dereinst mit Ruhm und Beifall krönen,
und seinen mannigfaltigen Kummer belohnen
sollten. --

Er glaubte es könne ihm nicht fehlschlagen,
weil er jede Rolle tief empfand, und sie in seiner
eigenen Seele vollkommen darzustellen und aus¬
zuführen wußte -- er konnte nicht unterscheiden,
daß dies alles nur in ihm vorging, und daß es

einmal alle ſeine Gedanken und Hoffnungen wie¬
der auf. — Er konnte ſeine Augen von dem
Gewaͤſſer in der Ferne nicht verwenden, das
ihn mit neuem Muth beſeelte, die Ferne auf¬
zuſuchen. —

Seine Reiſeroute von Hildesheim ging
nehmlich uͤber Salzdethfurth, Bockenem, und
Seeſen, auf Duderſtadt, von wo er denn uͤber
Muͤhlhauſen geradezu nach Erfurt, und von
dort auf Weimar gehen wollte, welches das
Ziel ſeiner Wuͤnſche war.

Dort glaubte er nehmlich die Eckhoffſche
Schauſpielergeſellſchaft vorzufinden, und ſeine
Schauſpielerlaufbahn ſollte dort beginnen. —
Nun ſpielte er unterwegens auf ſeinen Wande¬
rungen alle die Rollen in Gedanken durch, die
ihn dereinſt mit Ruhm und Beifall kroͤnen,
und ſeinen mannigfaltigen Kummer belohnen
ſollten. —

Er glaubte es koͤnne ihm nicht fehlſchlagen,
weil er jede Rolle tief empfand, und ſie in ſeiner
eigenen Seele vollkommen darzuſtellen und aus¬
zufuͤhren wußte — er konnte nicht unterſcheiden,
daß dies alles nur in ihm vorging, und daß es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0027" n="13"/>
einmal alle &#x017F;eine Gedanken und Hoffnungen wie¬<lb/>
der auf. &#x2014; Er konnte &#x017F;eine Augen von dem<lb/>
Gewa&#x0364;&#x017F;&#x017F;er in der Ferne nicht verwenden, das<lb/>
ihn mit neuem Muth be&#x017F;eelte, die Ferne auf¬<lb/>
zu&#x017F;uchen. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Seine Rei&#x017F;eroute von Hildesheim ging<lb/>
nehmlich u&#x0364;ber Salzdethfurth, Bockenem, und<lb/>
See&#x017F;en, auf Duder&#x017F;tadt, von wo er denn u&#x0364;ber<lb/>
Mu&#x0364;hlhau&#x017F;en geradezu nach Erfurt, und von<lb/>
dort auf Weimar gehen wollte, welches das<lb/>
Ziel &#x017F;einer Wu&#x0364;n&#x017F;che war.</p><lb/>
      <p>Dort glaubte er nehmlich die Eckhoff&#x017F;che<lb/>
Schau&#x017F;pielerge&#x017F;ell&#x017F;chaft vorzufinden, und &#x017F;eine<lb/>
Schau&#x017F;pielerlaufbahn &#x017F;ollte dort beginnen. &#x2014;<lb/>
Nun &#x017F;pielte er unterwegens auf &#x017F;einen Wande¬<lb/>
rungen alle die Rollen in Gedanken durch, die<lb/>
ihn derein&#x017F;t mit Ruhm und Beifall kro&#x0364;nen,<lb/>
und &#x017F;einen mannigfaltigen Kummer belohnen<lb/>
&#x017F;ollten. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Er glaubte es ko&#x0364;nne ihm nicht fehl&#x017F;chlagen,<lb/>
weil er jede Rolle tief empfand, und &#x017F;ie in &#x017F;einer<lb/>
eigenen Seele vollkommen darzu&#x017F;tellen und aus¬<lb/>
zufu&#x0364;hren wußte &#x2014; er konnte nicht unter&#x017F;cheiden,<lb/>
daß dies alles nur <hi rendition="#fr">in ihm</hi> vorging, und daß es<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0027] einmal alle ſeine Gedanken und Hoffnungen wie¬ der auf. — Er konnte ſeine Augen von dem Gewaͤſſer in der Ferne nicht verwenden, das ihn mit neuem Muth beſeelte, die Ferne auf¬ zuſuchen. — Seine Reiſeroute von Hildesheim ging nehmlich uͤber Salzdethfurth, Bockenem, und Seeſen, auf Duderſtadt, von wo er denn uͤber Muͤhlhauſen geradezu nach Erfurt, und von dort auf Weimar gehen wollte, welches das Ziel ſeiner Wuͤnſche war. Dort glaubte er nehmlich die Eckhoffſche Schauſpielergeſellſchaft vorzufinden, und ſeine Schauſpielerlaufbahn ſollte dort beginnen. — Nun ſpielte er unterwegens auf ſeinen Wande¬ rungen alle die Rollen in Gedanken durch, die ihn dereinſt mit Ruhm und Beifall kroͤnen, und ſeinen mannigfaltigen Kummer belohnen ſollten. — Er glaubte es koͤnne ihm nicht fehlſchlagen, weil er jede Rolle tief empfand, und ſie in ſeiner eigenen Seele vollkommen darzuſtellen und aus¬ zufuͤhren wußte — er konnte nicht unterſcheiden, daß dies alles nur in ihm vorging, und daß es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/27
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/27>, abgerufen am 26.04.2024.